Das Volk entscheidet über den Eigenmietwert
20.12.2024 SchweizStänderat gibt nach – Kompensation mit einer neuen Steuer
Die Abschaffung des Eigenmietwerts hat eine bedeutende Hürde genommen. Der Ständerat hat die von der Einigungskonferenz vorgeschlagene Lösung eines vollständigen Systemwechsels gutgeheissen.
...Ständerat gibt nach – Kompensation mit einer neuen Steuer
Die Abschaffung des Eigenmietwerts hat eine bedeutende Hürde genommen. Der Ständerat hat die von der Einigungskonferenz vorgeschlagene Lösung eines vollständigen Systemwechsels gutgeheissen.
sda. Das war eine Überraschung: Mit 22 zu 15 Stimmen bei 6 Enthaltungen hat der Ständerat am Mittwoch auf die Linie des Nationalrats eingelenkt beziehungsweise sich doch noch für die gänzliche Abschaffung des Eigenmietwerts ausgesprochen.
In jeweils drei Beratungsrunden waren sich National- und Ständerat nicht einig geworden. Die Positionen lagen so weit auseinander, dass eine Lösung schwierig schien. Der Nationalrat wollte den Eigenmietwert wie der Bundesrat vollständig abschaffen, also auch bei Zweitwohnungen.
Der Ständerat forderte, nur Erstwohnungen von der Eigenmietwert-Besteuerung auszunehmen. Er begründete dies unter anderem mit dem Widerstand vieler Bergkantone gegen die Befreiung von Zweitwohnungen, weil dadurch grosse Mindereinnahmen einhergingen.
Im letzten Moment vollzog der Ständerat nun eine Kehrtwende und schloss sich dem Konzept des Nationalrats an. Auch bei der neuen Lösung betreffend Abzug der Schuldzinsen lenkte er ein. Mit Nein stimmten SP und Grüne sowie einzelne Mitglieder der Mitte-Partei. Beim Rest überwog am Schluss offenbar der Wille, den Eigenmietwert abzuschaffen – egal wie.
Das Volk als letzte Hürde
Es dürfte indes noch einige Zeit dauern, bis der Eigenmietwert tatsächlich abgeschafft ist. Die Vorlage muss noch die heutigen Schlussabstimmungen überstehen. Zudem ist die Abschaffung des Eigenmietwerts mit einem anderen Geschäft verknüpft.
Um die wegfallenden Einnahmen für Tourismuskantone wettzumachen, schlägt der Nationalrat eine neue Objektsteuer für Zweitwohnungen vor. Diese soll gleichzeitig mit der Abschaffung des Eigenmietwerts in Kraft treten. Die Kantone wären indes frei, eine solche Steuer tatsächlich zu erheben.
Die neue Steuer bedingt eine Verfassungsänderung mit einem obligatorischen Referendum und damit ein Ja von Volk und Ständen. Der Ständerat wollte vergangene Woche aber gar nicht erst auf die entsprechende Vorlage eintreten. Gestern schwenkte er um.
Falls die Reform am Freitag die Schlussabstimmungen übersteht, was als wahrscheinlich gilt, hat die Stimmbevölkerung das letzte Wort. Der Eigenmietwert fällt nur bei einem doppelten Ja. Angesichts der zuweilen grossen Skepsis aus verschiedenen Lagern wegen hoher Steuerausfälle dürfte der Urnengang eine letzte hohe Hürde sein.
«Das Parlament geht sehenden Auges mit dem erheblichen Risiko in eine Volksabstimmung, dass in dieser viele Jäger des Hasen Tod sein werden», sagte Ständerat Stefan Engler (Mitte/GR).
Im Nationalrat schwor derweil Kommissionssprecher Leo Müller (Mitte/LU) die Befürwortenden einer vollständigen Abschaffung des Eigenmietwerts auf den Abstimmungskampf ein: «Tragen Sie den guten Geist weiter, bis die Vorlage in Kraft treten kann.» Mit 114 zu 57 Stimmen bei 19 Enthaltungen stimmte schliesslich auch der Nationalrat der Vorlage zu.
NACHGEFRAGT | MARKUS MEIER, DIREKTOR HEV SCHWEIZ, ORMALINGEN
«Auch viele Mieter möchten Wohneigentum»
Herr Meier, der Ständerat hat am Mittwoch in zwei Punkten, gegen die er sich lange gesträubt hatte, überraschend eingelenkt. Haben Sie den Ratsmitgliedern ins Gewissen geredet oder wie ist es sonst zum Sinneswandel gekommen?
Markus Meier: Ich möchte vorausschicken: Parlamentarierinnen und Parlamentarier stimmen ohne Instruktion und nach ihrer Beurteilung. Aber selbstverständlich hat der Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) in den vergangenen sieben Jahren, seit die Vorlage von der Wirtschafts- und Abgabe-Kommission des Ständerats lanciert worden ist, mit seinem Netzwerk den Prozess begleitet und Empfehlungen abgegeben, um Mehrheiten zu schaffen. Die Kehrtwende im Ständerat lässt sich damit erklären, dass gewisse Ratsmitglieder bis zuletzt versucht haben, ihre Positionen durchzusetzen. Und erst mit Blick auf die Ziellinie schwenkten sie ein, damit es zu einer Lösung kommt.
Geknüpft ist die Abschaffung des Eigenmietwerts an eine neue Steuer. Dafür braucht es eine Volksabstimmung. Welche Chancen hat im Land der Mieter die Streichung des Eigenmietwerts für Hauseigentümer an der Urne?
Man weiss aus Umfragen, dass ein grosser Teil der Mieterinnen und Mieter auch gerne Wohneigentümer würden. Diese werden sich sicher gut überlegen, was es bedeutet, wenn sie selber davon betroffen wären. Aber tatsächlich ist das Mehr von Volk und Ständen eine hohe Hürde. Für die Befürworter der Abschaffung des Eigenmietwerts wird es eine anspruchsvolle Aufgabe sein, die Mehrheit des Stimmvolks von der Abstimmungsvorlage zu überzeugen. Wichtig wird es sein, den Menschen zu erklären, worum es genau geht: die Abschaffung einer systemfremden, viele Haushalte stark belastenden Steuer, die vor rund einem Jahrhundert als «Krisensteuer» eingeführt worden ist. Dieser alte Zopf gehört endlich abgeschnitten.
Was halten Sie von dieser These: Die Steuereinnahmen aus dem Eigenmietwert sind für Bund, Kantone und Gemeinden sehr bedeutend. Das wissen die Parlamentarier. Sie wissen auch, dass eine Volksabstimmung in dieser Frage eine sehr hohe Hürde darstellt. Ergo geben gewisse Ratsmitglieder nur vor, den Eigenmietwert wirklich abschaffen zu wollen, verfolgen in Tat und Wahrheit aber eine andere Agenda.
Ich würde niemandem unterstellen, er habe nur vordergründig zugestimmt. Ich gehe davon aus, dass es den zustimmenden Ratsmitgliedern mit der Abschaffung wirklich ernst ist.
Interview Christian Horisberger