Das spannende Leben einer positiven Politikerin
10.10.2025 BaselEin Buch über die ehemalige Nationalrätin Angeline Fankhauser (SP)
Der Binninger alt Landrat Marc Joset (SP) legt dieser Tage ein Buch über das Leben der ersten Baselbieter Nationalrätin Angeline Fankhauser (SP) vor. Dessen Titel lautet «Beherzt voran!». Es ...
Ein Buch über die ehemalige Nationalrätin Angeline Fankhauser (SP)
Der Binninger alt Landrat Marc Joset (SP) legt dieser Tage ein Buch über das Leben der ersten Baselbieter Nationalrätin Angeline Fankhauser (SP) vor. Dessen Titel lautet «Beherzt voran!». Es beschreibt die einstige Kämpferin für sozialpolitische Anliegen treffend.
Thomas Gubler
«Dieses Buch erzählt das Leben von Angeline Fankhauser. Es beschreibt ihre Herkunft, ihre Prägung und wichtige Lebensabschnitte. Es zeigt ihre gesellschaftspolitischen Schritte, Kämpfe und Erfolge.» Das schreibt die Kulturjournalistin und Schriftstellerin Verena Stössinger im Deckel des eben erschienenen Buches «Beherzt voran! – Angeline Fankhauser – Portrait einer Politikerin» des Binninger alt Landrats Marc Joset (SP).
Knapper und treffender hätte man das 90-seitige Büchlein kaum zusammenfassen können. Wer es liest, lernt die einstige Kämpferin für sozialpolitische Anliegen – ob auf Gemeinde-, Kantons- oder Bundesebene – quasi im Nachhinein kennen. Und wer sie bereits kennt, sieht die mutige Frau und SP-Politikerin Angeline Fankhauser vor sich, wie sie leibt und lebt.
«Allons-y de bon coeur!»
Eigentlich ist der Titel ja eine sinngemässe Übersetzung eines Aufrufs von Angeline Fankhauser in ihrer französischen Muttersprache «Allons-y de bon coeur!». Das sagte sie nämlich zu den Delegierten des Schweizerischen Seniorenrats, als sie 2001 zu dessen erster Co-Präsidentin gewählt worden war. Angeline Fankhauser stammt, wie man ihrem charmanten Akzent bis heute anmerkt, unverkennbar aus der Westschweiz.
Geboren wurde sie am 25. Juli 1936 im waadtländischen La Rippe, westlich von Nyon. Ihr Vater war Melker beim dortigen Gemeindepräsidenten. Und so verbrachte die Familie den Sommer jeweils im Waadtländer Jura in einem Chalet zusammen mit vielen Kühen. Obschon sich Angeline Fankhauser als «Glückskind» bezeichnet, lernte sie in frühester Kindheit auch die Armut kennen. Dies, weil ihr Vater schwer verunfallte, zunehmend gehbehindert wurde und früh starb. Die AHV trat erst 1948 in Kraft. Bis dahin musste die Mutter ihre beiden Töchter allein und mit Fürsorgegeld der Gemeinde durchbringen.
Erlebnisse wie dieses, eine Begegnung mit Flüchtlingen während des Kriegs – La Rippe liegt an der Grenze zu Frankreich –, aber auch die früh empfundene Ungerechtigkeit des fehlenden Frauenstimmrechts sollten für ihr politisches Engagement für die Armen, Schwachen und «Stimmlosen» in diesem Land prägend wirken.
Dieses nahm aber erst seinen Anfang, als Fankhauser nach ihrer Heirat mit einem Deutschschweizer Polizisten via St. Croix nach Binningen gezogen war. Ihr Mann wurde Ortspolizist. Es war ein steiler politischer Aufstieg, den sie erlebte: 1972 Wahl in den Binninger Einwohnerrat, später rückte sie in den Landrat nach, und 1983 wurde sie ziemlich überraschend als erste Baselbieter Frau in den Nationalrat gewählt.
Dort, wo sie politisierte, wollte sie mitreden, mitwirken und gestalten. Egal, ob es um einen Spielplatz in der Gemeinde, das Bildungsgesetz im Kanton Baselland oder die Kinder- und Ausbildungszulagen auf Bundesebene ging. Letztere gingen im Übrigen auf ihren Vorstoss von 1991 zurück und gelten als ihr grösster politischer Erfolg. Dass sie wegen ihrer Beharrlichkeit mitunter auch als «Nervensäge» bezeichnet wurde, nahm sie nicht nur billigend in Kauf, sondern betrachtete dieses Attribut gar noch als Kompliment.
Für sie galt stets der Grundsatz: «Willst du etwas ändern, handle und warte nicht ab.» Getreu diesem Motto hat sie etwa mangels genügender Kinderkrippen die Idee der Tagesmütter oder Tagesfamilien entwickelt – und gilt als so etwas wie die Mutter des Tagesmüttermodells. So wundert es nicht, dass ihr Einsatz für all diejenigen, die über keine oder kaum eine Lobby verfügten, einen beträchtlichen Teil des Buches ausmacht. Dazu gehören Mütter, Alleinerziehende, Flüchtlinge und andere Menschen, «die über keine Stimme verfügen».
Zudem wird wunderschön dokumentiert, wie Fankhauser nicht nur eine «Nervensäge», sondern wenn nötig auch ein frecher «Chäib» sein konnte. Etwa damals, als Christoph Blocher als Besitzer der Ems-Chemie im Nationalrat vollmundig erklärte, er ernähre 3000 Arbeitende. Da korrigierte ihn die in der Wolle gefärbte Sozialdemokratin wie folgt: «Herr Blocher, Sie irren sich. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass 3000 Arbeitende Sie ernähren.» Ein Satz, der aus unerklärlichen Gründen im Nachhinein aus dem Ratsprotokoll gestrichen wurde.
Stimmen der Weggefährten
Marc Josets Buch ist indessen nicht einfach eine Fankhauser-Biografie. Der erzählerische Teil wird immer wieder unterbrochen von Statements von Weggefährtinnen und Zeitgenossen. Beispielsweise von Roger Blum, Journalist sowie emeritierter Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft, mit dem Angeline Fankhauser zusammen im Landrat sass und hervorragend über die Fraktionsgrenze hinweg zusammenarbeitete – Blum vertrat die FDP.
«Wir beide haben uns nie vor den Sitzungen abgesprochen. Wir waren auch ohne dies ein Team, das allein aus der Sache heraus funktionierte. Und allein aus der Sache heraus ist mir Angeline ans Herz gewachsen», schreibt Roger Blum.
Der ehemalige GSoA-Präsident und frühere Fraktionskollege Andi Gross, der nach Fankhausers Ausscheiden aus dem Nationalrat im Jahr 1999 noch sechs Jahre dort verblieb, kommt geradezu ins Schwärmen: «Ich habe während meiner weiteren nationalrätlichen Tätigkeit keine Teamkollegin mehr gefunden, mit der ich mich so gut und blind verstanden habe wie mit Angeline. Ich habe sie später mehr als einmal schwer vermisst. Umso mehr bin ich ihr dankbar für acht gemeinsame Jahre.»
Und die frühere grüne Zürcher National- und Stadträtin Monika Stocker lobt das Netzwerk unabhängiger Frauen, zu dem Fankhauser zählte: «Das Pendant zu den Männerbünden, in die wir ja nie hineinkamen und es auch nicht wollten, war ein fast verschwörerisches Netzwerk unter Frauen, vorab linken, und denn auch in den eigenen Fraktionen eher Dissidenten. Nein, wir waren nie linientreu dem Parteibuch verbunden, sondern radikal den Frauen und den Armen verpflichtet. Das verband, verbindet.»
Man soll bekanntlich nie jemandem vor dem Datum zum Geburtstag gratulieren. Gleichwohl ist Marc Josets Buch «Beherzt voran!» so etwas wie ein vorweggenommenes Geschenk zum 90. Geburtstag der Porträtierten im kommenden Jahr.
Marc Joset: «Beherzt voran! Angeline Fankhauser – Portrait einer Politikerin.»
90 Seiten, Edition Text und Media (ETuM), Arlesheim 2025.
ISBN: 978-3-9526337-9-3
Öffentliche Vernissage des Buches am Dienstag, 21. Oktober, um 19 Uhr, in der Kantonsbibliothek Baselland in Liestal. Angeline Fankhauser und Persönlichkeiten, die im Buch zu Wort kommen, werden anwesend sein. Moderation: Claudia Kenan, Journalistin Radio und Fernsehen SRF. Apéro mit Imbiss um etwa 20 Uhr.