«Das Pferd ist ein Resonanzkörper»
19.09.2025 KänerkindenTherese Spitteler coacht mit ihren Pferden Einzelpersonen und Gruppen
Pferde sind eine ihrer grossen Leidenschaften, Menschenführung ist die andere. Beides verbindet Therese Spitteler in pferdegestützten Coachings, die sie neben ihren beruflichen und militärischen ...
Therese Spitteler coacht mit ihren Pferden Einzelpersonen und Gruppen
Pferde sind eine ihrer grossen Leidenschaften, Menschenführung ist die andere. Beides verbindet Therese Spitteler in pferdegestützten Coachings, die sie neben ihren beruflichen und militärischen Führungsfunktionen bei der Schweizer Armee anbietet.
Marianne Ingold
Seit ihrer Kindheit ist Therese Spitteler vom Pferdevirus befallen: «Den habe ich von meinem Vater, der ein wahnsinnig gutes Gespür für Pferde hatte», erzählt sie. Ihr Vater Werner Spitteler war Landwirt, Regierungsrat und Dragoner, ein Soldat zu Pferd. Therese wuchs als jüngstes von fünf Geschwistern auf dem Bauernbetrieb der Familie in Bennwil auf. Mit 8 Jahren erhielt sie ihr erstes Pony und damit früh Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen. Mit 11 Jahren verunfallte sie mit ihrem Pferd schwer. Trotzdem blieb ihre Pferdeleidenschaft bestehen.
Zuerst hielt Therese Spitteler ihre Pferde auf dem familieneigenen Hof, später auf der «Stone Ranch» in Wegenstetten, wo sie heute Gruppenseminare und Teamcoachings durchführt. Seit Sommer 2022 sind vier ihrer fünf Quarter Horses in Känerkinden untergebracht, wo sie zusammen mit drei Pferden einer Kollegin eine Herde bilden. Das Jüngste ist noch auf der Fohlenweide.
Auch zum Militär hatte Therese Spitteler durch ihren Vater und ihre Brüder einen Bezug: «Das gehörte bei uns einfach dazu und irgendwann interessierte es mich auch.» Nach der KV-Lehre machte sie die Rekrutenschule (RS), hängte Unteroffiziers- und Offiziersschule an und wurde danach Zeitmilitär mit befristeter Anstellung – zuerst als Zugführerin während fünf Rekrutenschulen, dann in einem Team, das in Liestal Übungen für die RS plante: «Dort bot mir bei einer Inspektion ein Brigadier eine Festanstellung in Bern an.»
Seit Ende 2006 arbeitet sie beim heutigen «Kommando Cyber» der Armee. Seit 2016 ist sie Chefin des Teams, das temporäre Informations- und Kommunikationsnetzwerke für die Truppen plant: «Wir sind ein eingeschworener Klub, vergleichbar mit einer Pferdeherde», sagt Spitteler. Parallel zur zivilen Anstellung absolvierte sie die militärische Führungsausbildung für Milizkader und kommandierte eine Kompanie. Mittlerweile ist sie Oberst in einer Stabsfunktion. «Im Militär lernt man Menschen zu führen, oft auch in schwierigen oder unfreiwilligen Situationen», sagt sie. Zusätzlich zur praktischen Führungserfahrung absolvierte sie diverse Weiterbildungen im Bereich Leadership und Erwachsenenbildung.
Pferde als Spiegel
Neben ihrer Tätigkeit in der Armee bietet Therese Spitteler seit 2011 ihr selbst entwickeltes Coaching mit Pferden an. «Bei einer Seminarleiterin sah ich, wie Pferde Menschen im Coaching begleiteten. Das fand ich sehr interessant und stellte fest, dass ich dabei meine Leidenschaft für Pferde mit meiner Führungserfahrung aus der beruflichen und militärischen Funktion in der Armee sowie aus Vereinen verbinden konnte», erläutert Spitteler. Sie bildete sich in pferdegestütztem Coaching weiter und gründete ihre Firma «horse reflection». Dieser Name steht für die Spiegelung des menschlichen Verhaltens durch die Pferde.
Spittelers Coaching-Angebot richtet sich an Einzelpersonen und Gruppen. Zu Einzel-Coachings kommen Führungskräfte oder Menschen in schwierigen Lebenssituationen, zum Beispiel nach einem Burn-out. Diese Erfahrung kennt Therese Spitteler aus ihrem eigenen Leben, da sie selbst einmal ein Burn-out erlitt: «Ich wurde damals vom Arbeitgeber super unterstützt und kam sehr gut wieder heraus», erzählt sie. «Jetzt bin ich resilienter, weil ich weiss, wo meine Grenzen sind und was es verträgt. So kann ich im Coaching Menschen in einer ähnlichen Situation begleiten.» Bei einem therapeutischen Bedarf leite sie die Betroffenen jedoch an entsprechende Fachstellen weiter.
Der Hauptteil von Therese Spittelers Angebot richtet sich an Gruppen. Dazu gehören Leadership-Seminare, zu denen sich alle Interessierten anmelden können, Trainings für Führungskräfte sowie Teamcoachings. Dabei legt sie immer Wert auf eine konkrete Zielsetzung und klärt beim Vorgespräch ab, welcher Mehrwert erwartet wird. «Ein cooler Tag ist nicht genug. Es muss etwas bleiben», betont sie.
Versteckte Emotionen
Die Arbeit mit den Pferden mache Führung und Teamzusammenarbeit ganz anders erlebbar als Kurse in einem Seminarraum, sagt Spitteler. Es würden alle Sinne einbezogen und die Pferde könnten auch versteckte Emotionen wahrnehmen: «Das Pferd ist ein so klarer Spiegel, da lässt sich nichts überspielen oder abstreiten.» Oft kämen deshalb bei den Teilnehmenden viele Emotionen hoch: «Das ist gut, denn dann ist eine Blockade gelöst und man kann weitergehen», erklärt Spitteler. «Das Pferd ist dabei ein Resonanzkörper.» Sie selbst versteht sich als eine Art Übersetzerin: Sie beobachtet die Reaktionen der Pferde und übersetzt diese in eine für die Teilnehmenden verständliche Sprache. «Dafür brauche ich höchste Aufmerksamkeit – das ist anstrengend.» Auch die Pferde würden mental gefordert und seien am Ende eines Coaching-Tages spürbar müde. Deshalb ist jedes Pferd höchstens einen Tag pro Woche im Einsatz. Bei Gruppen-Coachings sind immer drei Pferde dabei und ein zweiter Trainer.
Tiere und deren Geschichte kennen
Für diese Arbeit brauche es ausgeglichene, sichere und ruhige Pferde, erklärt Therese Spitteler. «Das müssen Pferde sein, deren Geschichte ich kenne, die ich selber ausgebildet habe und bei denen ich weiss, wie sie funktionieren.» Weil die Sicherheit zentral sei, dürfe es ihren Pferden zum Beispiel nichts ausmachen, wenn jemand direkt hinter ihnen durchgehe. Bisher habe es noch nie einen Zwischenfall gegeben. Damit das so bleibt, ist Spitteler sehr konsequent: «Die Pferde wissen, was geht und was nicht. Heute so und morgen anders, das verstehen sie nicht.»
Die teilnehmenden Menschen dagegen brauchen nur gute Schuhe und wetterfeste Outdoorbekleidung, sollten möglichst nicht allergisch auf Pferdehaare reagieren und vor allem offen und neugierig darauf sein, etwas Neues zu erleben. «Wir starten immer zuerst mit einer Theorie-Einführung: Wo ist das gefährliche Ende des Pferdes, wie ist sein Gesichtsfeld, welche Farben sieht es gut, wie reagiert es als Fluchttier?», erläutert Spitteler. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten zu Beginn noch Angst vor den Pferden. «Das sind oft solche, die dann am Abend fragen, ob sie das Pferd hineinführen dürfen.» Alle Übungen werden frei oder mit dem Seil absolviert; geritten wird nicht.
Bei Teamcoachings könne es vorkommen, dass ein Praktikant mehr Leadership-Qualitäten zeige als der Chef. Wenn dieser offen sei, führe das vielleicht zur Erkenntnis, dass der Praktikant ein Projekt übernehmen könne. Eine grosse Rolle spiele auch der Humor, betont Therese Spitteler: «Wir lachen niemanden aus, aber Humor ist wichtig.» Im Lauf eines Coachings würden selbst Teilnehmende auftauen, die anfangs zurückhaltend gewesen seien oder nur widerwillig mitmachten: «Am Ende öffnen sich alle.» Beim Schlussfeedback habe noch nie jemand gesagt, es sei ein «Seich» gewesen, sagt Spitteler. Ganz im Gegenteil: «Alle wollen wiederkommen.»
Das sagen die Kunden
min. Im Rahmen des CAS-Studiengangs «Resilienztraining» am Coachingzentrum Olten fand über mehrere Jahre hinweg jeweils ein eintägiges Leadership-Training bei «horse reflection» statt. Sonja Kupferschmid, Co-Geschäftsführerin des Coachingzentrums, beurteilt dieses Training als sehr wertvoll und effektiv für die Teilnehmenden, die nicht nur andere Menschen, sondern auch sich selbst führen und mit Stress umgehen müssen: «Auch wenn ein Mensch sagt, er sei völlig entspannt, spürt das Pferd, wenn das nicht so ist.» Es reagiere auf Körpersprache und Emotionen, nicht auf Worte oder Führungszertifikate. Gleichzeitig sei es liebevoll und verzeihe Fehler. Sehr wichtig sei auch die von Professionalität und Fingerspitzengefühl geprägte Begleitung durch Trainerin Therese Spitteler.
Unternehmer Thomas Krieg buchte im Rahmen einer früheren Tätigkeit bei Therese Spitteler einen Führungskurs mit der Geschäftsleitung sowie zwei eintägige Teamcoachings. Beim pferdegestützten Coaching würden die Teilnehmenden die behandelten Themen unmittelbar erleben, sagt er. So habe sich zum Beispiel gezeigt, dass man nicht einfach einen bestimmten Führungsstil durchboxen könne, sondern einen individuellen Ansatz wählen müsse. Eine gewisse Herausforderung könne die Angst vor Pferden sein. Diese habe sich aber auch bei Teilnehmenden, die zuvor noch nie im Leben ein Pferd berührt hätten, komplett aufgelöst.
Carine Nussbaumer, Leiterin Human Resources beim Finanzdepartement des Kantons Basel-Stadt, selber mit Pferden aufgewachsen, organisierte für ihr Team einen Anlass bei «horse reflection». Sie sagt: «Diese besondere Form der Zusammenarbeit stärkt den Teamgeist und bietet zugleich ein eindrückliches Erlebnis ausserhalb des gewohnten Arbeitsumfelds. Dadurch konnten wir gewohnte Muster hinterfragen, Rollen klarer definieren, die Kommunikation verbessern und das gegenseitige Vertrauen vertiefen. Manche Aha-Erlebnisse führten zu spürbaren und nachhaltigen Veränderungen im Team.»