Das Handwerk mit dem Spitzeisen
14.10.2025 ReigoldswilBesuch bei einem traditionellen Steinhauerbetrieb
Die Fontarocca AG in Reigoldswil ist bekannt für ihre antiken und klassischen Brunnen. Gründer und Leiter Stephan Moser und Mitarbeiter Michael Hadorn sprechen über den Beruf des Steinmetz’ und darüber, weshalb ...
Besuch bei einem traditionellen Steinhauerbetrieb
Die Fontarocca AG in Reigoldswil ist bekannt für ihre antiken und klassischen Brunnen. Gründer und Leiter Stephan Moser und Mitarbeiter Michael Hadorn sprechen über den Beruf des Steinmetz’ und darüber, weshalb sie sich als Handwerker und nicht als Künstler sehen.
Elmar Gächter
Etwas oberhalb des Wegs von der Talstation der Seilbahn Richtung Wasserfallen erstreckt sich ein Reich voller Steinbrunnen in verschiedensten Formen und Grössen, einige auch als sprudelnde Wasserspiele. Es ist die Welt der Fontarocca AG, die Stephan Moser vor drei Jahrzehnten gegründet hat. Als gelernter Steinmetz fertigt er zusammen mit zwei Mitarbeitern für Kundinnen und Kunden aus der ganzen Schweiz Objekte, die manchen Garten zu etwas Besonderem machen. Er zeigt der «Volksstimme» den bislang grössten Brunnen: Aus einem über vier Meter langen und vier Tonnen schweren Findling aus dem Maggiatal haben er und sein Team ein einzigartiges Werk geschaffen. «Findet man einen solchen Rohling, ist das wie Weihnachten», sagt Moser.
Sowohl Stephan Moser als auch sein Mitarbeiter Michael Hadorn schwärmen von ihrer Tätigkeit als Steinhauer. Moser hat nach der Lehre als Forstwart zur Steinmetz-Ausbildung gefunden; Hadorn ist in unmittelbarer Nähe des Betriebs aufgewachsen und hätte sich auch einen Beruf in der Holzbranche vorstellen können. «Bevor du ein Hölzerner wirst, kommst du eine Woche zu mir schnuppern», ermunterte ihn sein damaliger und jetziger Chef zum steinernen Handwerk. Mit Erfolg. Nach vierjähriger Lehrzeit blieb Hadorn im Betrieb und beschreibt den Beruf als vielseitig. Moser, der als Kind gern geschnitzt hat, träumte davon, Bildhauer zu werden. Weil er keinen Ausbildungsplatz fand, wählte er die Lehre als Steinmetz – «das war die beste Entscheidung meines Berufslebens», betont er.
Handwerk steht im Zentrum
«Wir sind keine Künstler, sondern gute Handwerker mit gutem Augenmass, Sinn für Proportionen und Gestaltung», halten beide fest. Während der Bildhauer überwiegend mit Handskizzen arbeitet, orientiert sich der Steinmetz grösstenteils an technischen Zeichnungen. Das jeweilige Vorgehen richtet sich nach den Wünschen der Kundschaft.
«Wir Steinmetze hinken der technischen Entwicklung um mindestens 30 Jahre hinterher», sagt Stephan Moser. In seinem Betrieb sind Spitzeisen und Hammer nach wie vor die wichtigsten Werkzeuge. CNC-Maschinen – sie arbeiten günstiger und präziser – haben zwar Einzug gehalten, «doch dies entspricht mir nicht». Damit gingen das praktische Handwerk und die Grundkenntnisse verloren. «Die Energie entsteht im Kopf, geht von dort in Arme und Hände über und manifestiert sich im Endprodukt. Diese Energie zeigt sich im Werkstück und ist im Gegensatz zum maschinellen Ergebnis keine tote Materie.» Deshalb ist der 62-Jährige überzeugt, dass moderne Maschinen den Beruf zwar unterstützen, aber nicht ersetzen.
Stephan Moser bildet Lernende aus, bedauert jedoch, dass sich junge Leute kaum mehr für den Beruf interessieren. Das Handwerk sei generell nicht mehr im Fokus der Schulabgänger, auch nicht bei deren Eltern. «Dabei findet ein guter Steinmetz ein Leben lang Arbeit», sagt er. Der Beruf bleibe körperlich anspruchsvoll, er brauche Ausdauer, Geduld und Verständnis für Formen und Material. «Ich war in meiner Lehrzeit manchmal abends fix und fertig, aber mit der richtigen Technik geht es Tag für Tag leichter», sagt Michael Hadorn. Ausgelernt habe man in diesem Beruf nie. Eine solide Grundausbildung sei wichtig. «Man muss laufen lernen, bevor man Purzelbäume schlagen kann», ist einer der Leitsätze, den Moser den jungen Leuten mit auf den Weg gibt.
Moser und seine beiden Mitarbeiter widmen bis zu 80 Prozent ihrer Arbeitszeit dem Erstellen von Steinbrunnen. Auf dem Areal in Reigoldswil präsentiert sich ein umfangreiches Angebot an Brunnen in verschiedenen Grössen und Formen. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es für die Kundschaft und uns einfacher ist, wenn wir ihnen die Objekte schon fertig vor Ort zeigen. In neun von zehn Fällen finden sie etwas Passendes», so Moser. Viele Brunnen werden aus Tessiner Granit gefertigt, aus Blöcken aus Steinbrüchen oder Findlingen aus dem Maggiatal, die bei Aushub oder Hochwasser aus dem Fluss gebaggert werden. Doch solche Fundstücke zu finden, werde immer schwieriger, die Nachfrage sei gross und die Auflagen des Kantons seien streng.
Kreative Lösungen sind gefragt
Der 62-jährige Stephan Moser arbeitet nach wie vor vor Ort mit, sowohl beim Brunnenbau als auch beim Restaurieren von Brücken. So war er massgeblich an der Sanierung der Ermitage-Brücke in Arlesheim beteiligt (siehe Front). Sie steht exemplarisch für Arbeiten, die der Baselbieter Heimatschutz mit einer Auszeichnung an den Steinmetzverband Nordwestschweiz morgen Mittwoch würdigt (siehe Kasten).
Moser nähert sich der Pensionierung. Er möchte die Verantwortung schrittweise an seine Mitarbeitenden übertragen. «Ich freue mich auf die Pensionierung, damit ich endlich in Ruhe arbeiten kann», sagt er schmunzelnd. Eines ist sicher: Sowohl er als auch Michael Hadorn würden ihren Beruf jederzeit wieder erlernen. «Unsere Herausforderung ist der Naturstein, mit einem grossen Spektrum an speziellen Arbeiten, die oft kreative Lösungen erfordern, die in keinem Lehrbuch stehen.»
Auszeichnung für gute Baukultur
emg. Morgen Mittwoch verleiht der Baselbieter Heimatschutz im Schloss Zwingen die Auszeichnung 2025 für gute Baukultur an den Steinmetzverband Nordwestschweiz. «Der Verband wird stellvertretend für alle Steinmetzinnen und Steinmetze in unserer Region ausgezeichnet, die mit ihren handwerklichen Fachkenntnissen einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt historischer Bauten leisten», schreiben die Verantwortlichen des Baselbieter Heimatschutzes in ihrer Einladung.
Zu den Personen
emg. Stephan Moser, 62-jährig, hat 1995 die Fontarocca AG gegründet. Er ist gelernter Forstwart und ausgebildeter Steinmetz. Der Vater von zwei Söhnen und drei Töchtern wohnt in Reigoldswil, ist Mitinhaber der Firma und leitet den Standort Reigoldswil mit zwei Mitarbeitenden. Seine Hobbys sind der Garten, die Natur, Wandern und afrikanische Perkussion. Michael Hadorn ist 31-jährig, ledig, und wohnhaft in Zuchwil. Er hat bei Stephan Moser eine Lehre als Steinmetz absolviert und arbeitet wieder im Lehrbetrieb. Er ist leidenschaftlicher Enduro-Töfffahrer.