Das Backhand-Tor zum Sieg gegen die Russen
31.01.2025 Sport, EishockeyNationalspieler Patrick Sutter, Kevin Schläpfer oder die Gebrüder Michel und Oliver Kamber sind nur vier von mehreren Eishockey-Spielern, die es als ehemalige ZS-Junioren bis in die oberste Liga des Landes und zu Meistertiteln geschafft haben.
Jürg Gohl
...Nationalspieler Patrick Sutter, Kevin Schläpfer oder die Gebrüder Michel und Oliver Kamber sind nur vier von mehreren Eishockey-Spielern, die es als ehemalige ZS-Junioren bis in die oberste Liga des Landes und zu Meistertiteln geschafft haben.
Jürg Gohl
Wir schreiben den 4. Mai 2000. Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft liegt an der WM in St. Petersburg gegen Turnierfavorit Russland mit 0:1 im Rückstand. Der Sissacher Patrick Sutter, der beste Verteidiger in der Auswahl von Ralph Krueger an diesem Turnier, verbüsst erst noch eine kleine Strafe. Es scheint nur noch eine Frage von Sekunden zu sein, bis die übermächtigen russischen Stars ihr zweites Tor erzielen und damit die Schweiz aus dem Turnier werfen.
Siegesgewiss ignorieren die Gastgeber auch die handelsüblichen Klopfsignale ihres Goalies Ilja Brytsgalow, mit denen er seine Mitspieler darauf aufmerksam macht, dass die Schweizer Strafe gleich abläuft. So kommt der Sissacher Patrick Sutter direkt von der Strafbank, erwischt die weggeschlagene Scheibe und zieht alleine auf den gegnerischen Torhüter zu, den er im Stil eines routinierten Stürmers – backhand oben links – bezwingt. Statt 2:0 steht es dank Patrick Sutter 1:1. Und am Ende siegt die Schweiz sogar mit 3:2.
Sutter, der erfolgreichste
Patrick Sutter hat in seiner Karriere 148 Länderspiele bestritten, dabei zwei Jahre lang das «C» für den Captain getragen und bereits zwei Jahre zuvor an der Heim-WM in der Schweiz Russland bezwungen. Er spielte 20 Jahre in der Nationalliga A, wurde dort zwei Mal zum besten Verteidiger der Saison gewählt, holte als Leistungsträger mit Lugano und Zug den Meistertitel und stellte in der Saison 1997/98 mit 23 erzielten Toren bei Lugano einen Rekord für Verteidiger auf. Damit ist er auch auf nationaler Ebene der erfolgreichste Sissacher Eishockey-Export.
Am 22. November 2008 wurde Sutter, inzwischen 38-jährig, nach einer längeren Verletzungspause gleich beim ersten Einsatz von hinten in die Bande gecheckt. Er zog sich dabei ein Schleudertrauma und eine Gehirnerschütterung zu. Dies bedeutete «das höchst unspektakuläre Ende einer spektakulären Karriere», wie das im 2022 erschienenen Buch «Baselbieter Sport» formuliert ist.
Die Kamber-Brüder
Sutter war ein unerschrockener Verteidiger mit erstaunlichen Qualitäten in der Offensive. Mit seinen 396 Skorerpunkten in der obersten Liga liegt Sutter unter den Spielern aus der Sissacher Talentschmiede nur an zweiter Stelle. Übertroffen wird er von Oliver Kamber. Dieser absolvierte bei verschiedenen Vereinen 850 Partien – exakt gleich viele wie Patrick Sutter – und sammelte dabei 462 Punkte. Heute ist er regelmässig auf der Kunsti anzutreffen, wo er dem jüngsten Nachwuchs zeigt, wie man ein Kamber, Sutter oder Schläpfer wird.
Oliver Kamber feierte seinen grössten Erfolg 2009, als er mit den ZSC Lions die Champions Hockey League gewann. Seine Statistik in der obersten Liga steht bei 61 Toren und 193 Assists und verrät viel über seine Spielweise, die von seinen Trainern sehr geschätzt wurde: Ihm bereitete es weit mehr Freude, einem Mitspieler den Puck «pfannenfertig» hinzulegen, als selber überstürzt abzuschliessen.
Michel Kamber, der in Lausanne sesshaft geworden ist, besass nicht ganz die gleiche Ausdauer wie sein jüngerer Bruder Oliver. Der Verteidiger brachte es aber in den beiden Topligen, hälftig aufgeteilt, auf fast 700 Einsätze. Gemeinsam stiegen die beiden Kambers, die erfolgreichsten Vertreter dieser Sissacher Eishockey-Dynastie, mit dem HC Lausanne in die Nationalliga A auf.
«Hockeygott» Schläpfer
Geradezu spezialisiert auf solche Aufstiege war Kevin Schläpfer. Der Center, der sein Geburtsjahr 69 als Nummer auf dem Rücken trug, wurde zwar in Lugano, seiner ersten Station, auf Anhieb Schweizer Meister, spielte danach aber hauptsächlich für ambitionierte Teams in der damaligen Nationalliga B. Dort weist die Statistik für den Spieler, dessen Talent sich hauptsächlich in den Händen und weniger in den Beinen bündelte, einen Durchschnitt von 0,9 Punkten (Tore und Assists) pro Spiel aus. Schläpfer feierte in Olten, Langnau und Chur Aufstiege in die höchste Spielklasse. Sein Credo lautete in Anlehnung an Julius Cäsar stets: Lieber in der zweithöchsten Spielklasse eine tragende Rolle in einem Spitzenteam als in der höchsten Spielklasse ein Mitläufer zu sein.
Schläpfers Spielweise, seine Tricks und seine offene Art sorgten dafür, dass ihn das Publikum mitten in einem Spiel als «Hockeygott» feierte. Dieser Ruf mehrte sich ein paar Jahre später noch, als er als Sportchef des EHC Biel seinen Klub zwei Mal vor dem beinahe besiegelten Abstieg aus der obersten Spielklasse rettete. Danach führte er Biel drei Mal in die Play-offs, und nur am Veto seines Vereins scheiterte sein grosser Traum, Nationaltrainer zu werden. Patrick Fischer übernahm für ihn. Und Schläpfer: Er wurde, damals gesundheitlich angeschlagen, nur wenige Monate später in Biel freigestellt. Heute arbeitet er erfolgreich als Sportchef des EHC Basel, seiner ersten Station in der Nationalliga als Spieler vor inzwischen 39 Jahren.
Schläpfers Sohn Elvis, 2001 geboren, spielt aktuell beim SC Bern in der Nationalliga A und stand vor zwei Jahren mit dem EHC Biel im Play-off-Final. Neben ihm gehört mit Nicola Müller aus Arisdorf noch ein weiterer Oberbaselbieter dem Kader eines A-Clubs an. Beide durchliefen allerdings die Nachwuchsabteilung des EHC Basel. Damit ist Verteidiger Luca Camperchioli, der für die ZSC Lions, Davos und Fribourg 136 Partien bestritt und vor 3 Jahren wegen einer Hirnerschütterung beim EHC Visp seine Karriere beenden musste, der vorerst letzte Spieler aus dem ZS-Nachwuchs in einer nationalen Liga.
Wegen Problemen mit seiner Hüfte endete auch René Furlers Karriere vorzeitig. Der Stürmer aus Itingen spielte für Fribourg und Rapperswil in der obersten Liga, danach stieg er mit dem EHC Biel in die Nationalliga A auf und erbte dort sogar das Captain-«C» von einem gewissen Kevin Schläpfer. Weit höher stuft Furler seine drei Jahre beim HC Fribourg-Gottéron ein, weil er dort den damals begehrtesten Platz im Schweizer Eishockey besetzen durfte: Er stürmte mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow in der gleichen Linie.
Scherrer, der erste
Mit Goalie Heinz Grieder und Verteidiger Marc Grieder kann der EHC Zunzgen-Sissach auf seiner Website in der Rubrik «Hier hat alles angefangen» sogar auf ein erfolgreiches Vater-Sohn-Paar verweisen, die beide B-Meister wurden und in der obersten Liga des Landes spielten. Zudem feierte lange vor Patrick Sutter und Kevin Schläpfer noch ein dritter Oberbaselbieter einen Titel: Der inzwischen 67-jährige René Scherrer wurde 1984, also unmittelbar vor der Einführung der Play-offs, als Stürmer mit dem HC Davos Schweizer Meister.
Ein weiterer Titel mit «ZS»-Handschrift, der in der Ahnengalerie des Vereins nicht vermerkt ist, sei an dieser Stelle noch nachgereicht: Der 53-jährige Christof Amsler aus Tenniken, zuerst Spieler, dann Trainer in regionalen Ligen, wurde als Coach bei seinem kurzen Abstecher ins Frauen-Eishockey mit den ZSC-Löwinnen auf Anhieb Schweizer Meister.
In der Reihe «Das ist Sissach» verfassen zahlreiche Autorinnen und Autoren während des Jubiläumsjahrs «Sissach2025» Beiträge über Sissach, die wir wöchentlich publizieren.