China verstehen
23.08.2024 SissachLangjährige Korrespondentin im Gespräch
vs. Barbara Lüthi leitet und moderiert seit 2018 den «Club» im Schweizer Fernsehen. Zuvor korrespondierte sie lange «live aus China». Sie erzählt im Talk mit Ueli Mäder im ...
Langjährige Korrespondentin im Gespräch
vs. Barbara Lüthi leitet und moderiert seit 2018 den «Club» im Schweizer Fernsehen. Zuvor korrespondierte sie lange «live aus China». Sie erzählt im Talk mit Ueli Mäder im «Cheesmeyer» in Sissach, was an der aufstrebenden Weltmacht fasziniert, irritiert und wie bunt, vielfältig und chaotisch die Wirklichkeit ist. Zudem interessiert, wie China global agiert und die eigene Bevölkerung auf die strenge Kontrolle von oben reagiert. Am Gespräch nehmen ebenfalls die Chinesisch-Lehrerin Brigitte Koller und der Sinologiestudent Joshua Gossweiler teil.
Im Sommer dieses Jahres berichtete Barbara Lüthi in «Club»- Reportagen eigentlich über die USA. Zuerst darauf angesprochen, antwortet sie: Es gäbe eine Spaltung in der Bevölkerung. Politik sei persönlich geworden. Wer der anderen Gruppe angehöre, werde, von der nationalen Politik geschürt, als Feind gesehen. Überrascht habe sie, dass es auf lokaler Ebene anders aussehe. «Ich war in Charleston, West Virginia. Da arbeiten Lokalpolitiker – Demokratinnen und Republikaner – zusammen, um die Probleme der Stadt zu lösen. Diese Ebene der Politik müsse funktionieren, sagte man mir, man habe keine Zeit für parteipolitische Feindseligkeiten.»
Und wie hat der langjährige Aufenthalt in China die Journalistin geprägt? Menschlich sei sie «demütiger und dankbarer» geworden, journalistisch «hartnäckiger und abgehärteter». Und was ist Barbara Lüthi im vergangenen Jahrzehnt besonders aufgefallen, wie sich China weiterentwickelt hat? Die Kontrolle über die Zivilgesellschaft habe stark zugenommen. «Global hat sich China politisch, technologisch und wirtschaftlich zu einem der dominierenden Staaten entwickelt. Als Nationalist hat Xi Jinping China rechts positioniert – mit einer selbstbewussten bis aggressiven Aussenpolitik», so Lüthi. Und: «Es gibt ein staatlich verordnetes Wachstum, einen industriepolitischen Masterplan.» Peking strebe Marktführerschaft in Bereichen an, auf denen das Wachstum vieler Industrieländer beruhe. Bis 2049 wolle China auf gleicher Ebene sein.
«Facettenreicher Schmelztiegel»
Joshua Gossweiler besuchte am Gymnasium Liestal das Freifach Chinesisch. Er nahm an zwei Bildungsreisen teil und studiert jetzt Sinologie an der Universität Zürich. China ist für ihn ein kulturell facettenreicher Schmelztiegel, der zunehmend unzugänglich sei, sich national enorm urbanisiere, digitalisiere und global stets gewichtiger werde.
Als «zwiespältig» bezeichnet Brigitte Koller ihre Beziehung zu China. Die Chinesisch-Lehrerin war «weder Maoistin noch eine blinde Verehrerin der klassischen chinesischen Kultur». Für sie ist China «ein Spiegel und eine konstante Herausforderung». Faszinierend finde sie «die Resilienz der chinesischen Bevölkerung, den Pragmatismus, etwas weniger den Materialismus». Irritierend seien «der Nationalismus, die Propaganda und die Angst der Regierung vor dem eigenen Volk». Seit der Machtübernahme von Xi Jinping hätten staatliche Kontrollen und ideologische Vorgaben stark zugenommen. Handkehrum habe sich das materielle Wohl vieler Menschen enorm verbessert und das Leben sei vielfältiger geworden. Die Bevölkerung unterscheide sich jedenfalls klar von der Partei.
«China genügt sich selbst, ist sehr auf sich selbst konzentriert und fast ein Kosmos in sich», bilanziert Koller. Auch deshalb habe sich China noch nicht wirklich in seine Rolle als Weltmacht eingefunden. Wie es weitergehe zwischen den USA und China, werde sich zeigen. «Mit Trump so wie während seiner ersten Amtszeit, mit Harris differenzierter, weil Walz, ihr Vize, China besser kennt.»
«China verstehen» – mit Barbara Lüthi, Brigitte Koller und Joshua Gossweiler, Moderation durch Ueli Mäder, Donnerstag, 29. August, 19 Uhr, «Cheesmeyer», Hauptstrasse 55, Sissach – bei schönem Wetter im Innenhof.