Branche im Umbruch – doch wohin geht die Reise?
20.05.2025 BaselWichtige Verkehrspolitiker diskutieren über die Zukunft des Zugverkehrs
Mit Spannung erwartet wird der Bericht von ETH-Professor Ulrich Weidmann. Er nimmt für Bundesrat Albert Rösti den Ausbau von Strasse und Schiene unter die Lupe. Am Bahnkongress in Basel gingen die ...
Wichtige Verkehrspolitiker diskutieren über die Zukunft des Zugverkehrs
Mit Spannung erwartet wird der Bericht von ETH-Professor Ulrich Weidmann. Er nimmt für Bundesrat Albert Rösti den Ausbau von Strasse und Schiene unter die Lupe. Am Bahnkongress in Basel gingen die Meinungen auseinander, ob mehr oder weniger in das Zugnetz investiert werden soll.
Lorenz Degen
Sandra Strüby, SP-Landrätin aus Buckten, blickte erstaunt in den grossen Saal: «Boah, hier hat es aber einen massiven Männerüberschuss!» In der Tat versammelten sich zum diesjährigen Bahnkongress am vergangenen Freitag vor allem männliche Vertreter der Eisenbahnbranche im Novartis Campus in Basel.Von den rund 400 Teilnehmern liessen sich die Frauen an zwei Händen abzählen.
Eine, die dafür umso deutlicher hervortrat, war Ulla Kempf. Die deutsche Eisenbahn-Sachverständige, die in Basel ihre Wahlheimat gefunden hat, legte Schwachstellen im Organisationssystem offen: «Unternehmen, die auf der grünen Wiese entstanden sind, sind ganz anders aufgebaut.» Besonders im Baubereich gebe es im Bahnwesen strukturelle Mängel, zum Beispiel sei die Planung bei Verspätungen unberechenbar geworden. «Wir müssen darüber nachdenken, Neues zu wagen!», rief sie ins Publikum, das höflich applaudierte, ohne in Begeisterungsstürme auszubrechen.
Regierungsrat Isaac Reber betonte in seiner Ansprache die Bedeutung der Region Basel als Logistikdrehscheibe der Schweiz. Auf die vier Verkehrsträger Strasse, Schiene, Wasser und Luft wies auch Martin Dätwyler, Direktor der Handelskammer beider Basel, hin und forderte die Politik auf, die Kapazitätsengpässe zu beheben: «Neue Trassen für die S-Bahn helfen auch dem Güterverkehr.»
Digitalisierung als Chance
Thomas Eugster (FDP), Präsident der landrätlichen Bau- und Planungskommission, umriss in einem Pausengespräch die Möglichkeiten der Digitalisierung, die sich aber vor allem auf der Strasse auswirken würden. «Die Staus entstehen heute tagsüber zu den Spitzenzeiten. Wenn Fahrzeuge für den Gütertransport autonom in der Nacht fahren können und durch neue digitale Fahrgastmodelle die Belegung pro Auto von heute meist einer Person auf zwei Personen gesteigert werden kann, würde dies auf einen Schlag eine deutliche Entlastung der Infrastruktur bedeuten.»
Eugster beobachtet, dass im Personenverkehr mehr ÖV-Angebote nicht zwingend zu einer Verlagerung führen: «Obschon wir immer mehr Geld in den öffentlichen Verkehr stecken, ändert sich der Modalsplit im Baselbiet übers Ganze gesehen bisher kaum. Das bedeutet, die Ausbauten werden zwar teilweise mehr genutzt, aber von Menschen, die jetzt schon im öffentlicehn Verkehr unterwegs sind. Hingegen werden wenig neue Fahrgäste generiert.»
Für die Zukunft richtet der Liestaler den Blick nach Norden: «Wir sind nicht der Grossraum Zürich mit einem kreisrunden Einzugsgebiet. Ein grosser Teil unserer Pendlergebiete liegt in Deutschland und Frankreich. Bei uns dauern Prozesse schon lange, aber in diesen Ländern noch viel länger. Das erschwert es für uns, in die gewünschte Richtung zu kommen.»
SBB-Chef Vincent Ducrot freute sich, auch einmal über Güterverkehr sprechen zu können: «Die ersten, die mich anrufen, wenn es Probleme gibt, sind – neben den Nationalräten – die CEO der grossen Unternehmen.» Vincent Ducrot stellte fest, dass sich die Bedürfnisse der Kunden ändern: «Es werden weniger schwere Mengen transportiert, dafür mehr leichtere Güter.» Die Bahn müsse darauf reagieren, was nicht einfach sei: «Das System ist kompliziert und nicht sehr modern, aber es wird sich entwickeln müssen.» Ducrot sprach die Digitalisierung an, die in den nächsten Jahren bei der Produktion umgesetzt werde: «Davon merken die Kunden nichts, aber im Hintergrund läuft viel», so der SBB-Chef.
«Basel ist benachteiligt»
Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter («Mitte») sprach an einem Podiumsgespräch zur Lage der Region. «Basel ist benachteiligt», so ihr Fazit. Die Region sei daran nicht ganz unschuldig. «Wir sind uns früher häufig selbst im Weg gestanden. Unabhängig davon ist die Tatsache, dass der S-Bahn-Verkehrsknoten in Basel erst 2080 gebaut werden soll, schlecht.» Sie hob die Projekte hervor, welche die Region betreffen, wie den Rheintunnel oder das Containerterminal Gateway Basel Nord. «Wo stehen wir da? Nirgends.»
Nationalrat Christian Imark (SVP, SO) hielt das Herzstück für tot: «In Bern sagt man, dieses Projekt werde nie kommen.» Sein Ratskollege Jon Pult (SP, GR) warb für die Lockerung der Schuldenbremse, um mehr Geld für Projekte zur Verfügung zu haben. Dem widersprach Ständerat Beat Rieder («Mitte», VS): «Schauen wir nach Deutschland: Mehr Geld bedeutet nicht mehr Effizienz.»
Mit Spannung wird erwartet, was für Empfehlungen Professor Ulrich Weidmann von der ETH Zürich im Herbst dieses Jahres präsentieren wird. Er erhielt von Bundesrat Rösti den Auftrag, die Ausbauprojekte im Verkehrsbereich zu untersuchen und eine Liste zu erstellen, welche prioritär behandelt werden sollen. Die Karten werden dann vielleicht neu verteilt.