«Bonne chance»
25.09.2025 Sport«Wie fühlen Sie sich?» klingt auf Französisch genauso abgenutzt wie im Deutschen: «Comment vous sentez-vous?» Nein, mit dieser Frage sollte man wirklich kein Interview beginnen. Egal in welcher Sprache, es ist die 08/15-Frage im Sportjournalismus schlechthin. Dicht ...
«Wie fühlen Sie sich?» klingt auf Französisch genauso abgenutzt wie im Deutschen: «Comment vous sentez-vous?» Nein, mit dieser Frage sollte man wirklich kein Interview beginnen. Egal in welcher Sprache, es ist die 08/15-Frage im Sportjournalismus schlechthin. Dicht gefolgt von «Was macht das mit Ihnen?». Es gibt bessere und kreativere Formulierungen für den kurzen Austausch am Spielfeldrand und längere Gespräche. «Wie gehen Sie mit dem Rückschlag um?», «Was hätten Sie gern anders gemacht?», «Worauf sind Sie am meisten stolz?» Etwas in der Art.
Nun ist es aber so: Auf Deutsch und Englisch kann ich unbefangen drauflos fragen. Mag mein Englisch grammatikalisch auch nicht korrekt sein – Interviewpartnerinnen wie die Schweizer Fussball-Nationaltrainerin Pia Sundhage verstehen mich. Aber auf Französisch harzt es bisweilen gewaltig. Vor allem war ich stets gehemmt, habe mir die Sprache nie wirklich zugetraut. Mit den Nationalspielerinnen Iman Beney und Naomi Luyet etwa führte ich Interviews, indem ich die Fragen entweder vorher mittels KI übersetzte und brav vom Blatt las. Oder ich fragte auf Deutsch, und die Spielerinnen aus dem Wallis antworteten in ihrer Muttersprache Französisch. Was recht gut funktionierte. Aber es genügte mir nicht. Mein Anspruch ist höher. Zumal ich die französische Sprache im Grunde sehr mag. Auch wenn ich mit ein wenig Grauen an die Schulstunden an der Sek Oberdorf zurückdenke – mit «Conditionnel passé», «Subjonctif» und dem Lehrbuch «Bonne chance».
Viel Glück, «bonne chance»! Das wünschte ich mir Anfang Monat, als ich in Basel in den Zug Richtung Montpellier stieg. Vier Wochen Sprachaufenthalt standen mir bevor. Vier Wochen intensives Lernen. Vier Wochen Französisch. Auf dass ich an künftigen Länderspielen mit Beney und Luyet endlich richtig Französisch sprechen könne! Vielleicht nicht mit stets perfektem «Subjonctif», aber immerhin so, dass sie mich verstehen.
Nun ist es freilich so, dass beide Spielerinnen im Sommer Bern und die YB-Frauen verlassen und sich Manchester City beziehungsweise dem deutschen Bundesligisten Hoffenheim angeschlossen haben. Sie werden fortan vor allem Englisch und Deutsch gebrauchen. So, wie es aussieht, reden die beiden grossen Talente Beney und Luyet bald so gut Deutsch und Englisch, dass wir die Interviews nicht mehr auf Französisch führen müssen. Tant pis! Ich geniesse den Sprachaufenthalt in Montpellier trotzdem. On apprend pour la vie, n’est-ce pas? Wir lernen bekanntlich fürs Leben.
Seraina Degen
Seraina Degen (38) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.