Bei Tinguely klemmt’s
31.05.2025 PolizeiAm 22. Mai, dem 100. Geburtstag von Jean Tinguely, widmeten alle drei aktuellen Zeitungen im Baselbiet dem Künstler einen besonderen Beitrag. Die Redaktionen entschieden – natürlich unabhängig voneinander – am Vortag sogar einhellig, beim Hauptbild auf ihrer Titelseite ...
Am 22. Mai, dem 100. Geburtstag von Jean Tinguely, widmeten alle drei aktuellen Zeitungen im Baselbiet dem Künstler einen besonderen Beitrag. Die Redaktionen entschieden – natürlich unabhängig voneinander – am Vortag sogar einhellig, beim Hauptbild auf ihrer Titelseite den eigenwilligen Künstler abzubilden. Es könnte ja sein, dass der eine oder die andere der Orgie mit den FCB-, Trump- und ESC-Bildern allmählich überdrüssig ist.
Der beste Griff ins Archiv gelang dabei der «bz». Ihr Bild zeigt Jeannot, wie er an seiner riesigen Maschine für die Landesausstellung von 1964 herumwerkelt. Entscheiden Sie, welches der drei Blätter den besten Titel gewählt hat! Zur Auswahl stehen «Jean Tinguely setzte Kunst in Bewegung» («Basler Zeitung»), «Basel feiert Jean Tinguelys runden Geburtstag» («bz») und «Aus Schrott wurden Maschinen» («Volksstimme»).
Alle drei Beiträge gehen den runden Tinguely-Geburtstag aus einem anderen Blickwinkel an. Die «Volksstimme» wurde auch ihrer nicht immer leichten Aufgabe, das Basler Thema mit dem Oberbaselbiet zu verknüpfen, vollauf gerecht. So lesen wir gerne dreimal über das gleiche Thema.
Alles bestens, denkt sich da der Sprachpolizist, bis er zuletzt doch noch über eine Bildunterschrift stolpert, die ihn zusammenzucken lässt. Der Name der Zeitung tut nichts zur Sache. In der Legende zu einem abgebildeten Kunstwerk ist von einer Kreation zu lesen, «die an Tinguelys Werk angelehnt ist und er auf den Namen Hommage an Jeannot getauft hat».
Da klemmt doch irgendetwas. Aber was? Richtig. Wenn wir das Relativpronomen «die» (wie es damals der Deutschlehrer nannte) auch im zweiten Nebensatz einfügen, ergibt alles plötzlich Sinn: «die Kreation, die an sein Werk angelehnt ist und die er auf den Namen Hommage taufte.» Und weshalb ist das so? Schliesslich verstehen wir einen gleich konstruierten Satz wie «die Tochter, die arbeitete und entlöhnt wurde» auch auf Anhieb. Beim ersten Mal steht «die» im Nominativ, beim zweiten Mal im Akkusativ. Das geht nicht.
Das lässt sich mit einem einfacheren Beispiel aufzeigen: Der «Kuh, die wenig Milch gab und verkauft wurde» gegenüber steht die «Kuh, die wenig Milch gab und die der Bauer verkaufte». Auch einem Sprachpolizisten bereitet detektivisches Arbeiten spürbar mehr Spass als das Verteilen von Strafzetteln.
Jürg Gohl