Die «Allmet» – Treffpunkt und Erlebnispark «Das ist Sissach» (30. Teil)
31.07.2025 SissachDer frühere Schauplatz von Anlässen vielfältigster Art
Die Sissacher Allmend, auf Mundart «Allmet», war einst der Ort, wo man sich trifft. Die grosse Matte war Austragungsplatz für vielerlei Vereinsaktivitäten und Dorfanlässe: Viehschau, Zirkus, ...
Der frühere Schauplatz von Anlässen vielfältigster Art
Die Sissacher Allmend, auf Mundart «Allmet», war einst der Ort, wo man sich trifft. Die grosse Matte war Austragungsplatz für vielerlei Vereinsaktivitäten und Dorfanlässe: Viehschau, Zirkus, militärische Übungen, Fussball, Faustball, Pferderennen und vieles mehr. Ein Erinnerungsbericht.
Fredi Binggeli
Die Kinder aus dem Weiher- und Lindenweg waren die wirklichen Hüter der «Allmet». Die entlangführende Strasse war eine herrliche Allee. Bachseitig standen prächtige Nussbäume, aufgereiht wie Soldaten. Die grosse Matte war gesäumt von gut kletterbaren Linden. Ein paar «Bänkli» zum Ruhen waren uns Kindern Hilfe, um ins Geäst zu gelangen. «Die Allmend gehört allen, dir und mir, dem Nachbarn, einfach allen Menschen, die hier wohnen», hatte man uns beigebracht. Dies, weil Herr Jakob, Nachbar, Grossvater und «Chüngelibuur» uns das Fussballspielen auf seinem Gras verbieten wollte. Die Matte war frisches Gras und später «Heu-Matte» für seine «Tablar-Kühe».
Der Fussball-Nachwuchs wehrte sich erfolgreich und wir lernten zu verhandeln und uns zu arrangieren, damit alle zufrieden waren. Wir erlebten unzählige, unterschiedlichste Nutzer mit ungeahnten Ansprüchen und Wünschen. So lernten wir auch das Ideen suchen, Ausreden erfinden, Austricksen, Geniessen und das miteinander Teilen der Dorf-Arena.
Ski-Arena
Der Winter auf dem Platz war eher ruhig. Vielleicht wurde ein Schneemann oder ein Iglu gebaut. Jedoch war der ganze Hang hinauf zum Haldenweg und weiter zur Böschmatt hoch, ohne Häuser. Ein paar Obstbäume, das war’s. Das ideale Nah-Skigebiet. Da wurde mit Schlitten und Skis gewirkt. Da wurden Schanzen gebaut und Meisterschaften durchgeführt. Der krönende Abschluss nach einem Skitag auf der Sissacher Fluh war die Abfahrt zurück ins Dorf mit der «Allmet» als Ziel. Ja, wir hatten unsere eigene Ski-Arena.
«Chluuri»-Richtplatz und Kavallerie
Im zu Ende gehenden Winter wurden Fasnachtsvorbereitungen getroffen. Für die Verabschiedung des «Chluuris» mussten der genaue Standort und die Befahrbarkeit der Strasse stets geprüft sein. Der Kopf des «Chluuri» sollte schliesslich nicht in den Bäumen hängen bleiben und der Wagen sollte auch bei tiefem Boden den Feuerplatz erreichen. Mit der Trauerrede für die zu Ende gehende Fasnacht und mit dem Werk von «Old Firehand» ging das «Chluuri» mit viel «Chlöpf und Tätsch» in Flammen auf. Damit war der Saisonbeginn für die Allmend-Festspiele gegeben. Unser Freizeitpark war eröffnet.
Die Kavallerie war öfter zu Gast in Sissach. Die Pferdezelte, meist im unteren Drittel, dem «Böschmattbächli» zu, aufgestellt, waren immer ein Anziehungspunkt. Den Dragonern konnten wir mit unserer Ortskenntnis helfen: zum Beispiel, in welcher Beiz die hübscheste Serviertochter zu finden ist. Unser Lohn waren Militär-Schoggi und Gutzi – gespickt mit Schauermärchen, warum das Militär kein Schleck sei.
Viehschau und Faustball
Ein andermal war Viehschau. Pflöcke mit Seilen verbunden wurden installiert, hernach die Rinder angebunden wie in einem Stall. Wichtige Mannen in blauen Kitteln, oft mit Stumpen und dunklem Hut, begutachteten die Kühe. Wortfetzen: «schönes Euter, gute Striche, prächtiges Horn, tolle Huft, glattes Fell» und weiteres Gemurmel mündeten darin, dass der Wortführer dem Tier mit blauer Kreide eine zweistellige Zahl aufs Hinterteil malte. Je höher der Wert, umso zufriedener war der Besitzer.
Die Tage wurden länger. Am Feierabend wurde weiterhin Fussball oder Völkerball gespielt, die älteren Knaben, «Ü60», haben «gefaustet».
Vor den Sommerferien wurde es wiederum lebhaft. «Herr Horex», der Velo-und Töffhändler und Mechaniker (Ernst Ruf) installierte eine Ausstellung. Neben all den Zweirädern mit und ohne Antrieb präsentierte der Geschäftsmann Campingausrüstungen: Zelte inklusive Tisch, Bank, Grill, Schlafsack und vieles mehr.
Wir «Goofen» hatten grossen Spass daran. Viele der Ausstellungsstücke waren uns unbekannt, trotzdem durften wir mithelfen, den staunenden Besuchern die Ware zu erklären. Der Höhepunkt bestand darin, seine Eltern zu überreden, in einem der ausgestellten Zelte übernachten zu dürfen. Um zehn Uhr war Lichterlöschen. Wehe, die Regeln wurden gebrochen, dann war der Spass vorbei. Dann lieferte Ruf die Sünder bei ihren Eltern ab – auch wenn es mitten in der Nacht war.
Mit dem Sommer und den milderen Temperaturen kamen auch die Vereine auf die Allmend. Der Jodlerklub Flühli lud ein zum Heimatabend mit Jodeln, Gesang und Tänzen der Trachtengruppe. Der Musikverein gab sein Mattenfest mit Konzert und Tanzabend. Es wurde gelacht und getrunken. Die Jüngeren waren «auf dem Riss»: Junge Frauen und Männer suchten Tanzpartner, um herauszufinden, ob sie oder er für eine längerdauernde Gemeinschaft tauglich wäre.
Kämpfen und missionieren
Manchmal wurde die «Allmet» auch zur Werkstatt. Mit alten Pneuschläuchen und kleinen Fässern und viel Holz wurden Flösse gezimmert. Der Zusammenfluss Ergolz und Diegterbach war die ideale «Gumpi» für unsere Seegefechte. Die Ryfhalbinsel war stets der beste Ausgangspunkt. Dabei war es normal, dass Gewinner oder Verlierer baden gingen – bekleidet. Das war kein Unglück, solange die Geschwister für trockenen Ersatz sorgten. Höchste Alarmstufe herrschte, wenn die Mutter mit der Ersatzwäsche anrückte. Dann galt es, die Segel zu streichen und die Ansprache des Matriarchats zu erdulden. Unsere Rechtfertigung, dass auch die Königin von England Piraten in ihren Diensten gehabt habe, war nicht hilfreich.
Nach den Sommerferien wurden im westlichen Teil der Allmend, vor der Eiche, Stangen und Zeltblachen ausgelegt, anständig gross und doch kein Festzelt. Diese Menschen hatten wir noch nie gesehen und wir zogen sofort Erkundigungen ein: «Grüezi, was machen Sie hier?» Sie seien eine Religionsgemeinschaft und möchten den Menschen hier ihre Lebensweise und deren Vorteile näherbringen, gaben die ruhigen, eher zurückhaltenden Menschen zur Antwort. Natürlich verbunden mit der Hoffnung, viele Anhänger zu finden.
Unsere Begeisterung hielt sich in Grenzen. In Erinnerung blieb uns das famose Zelt der Besucher. Dessen Seitenwände waren nicht allzu hoch, das Hochklettern bis zum First war möglich. Die Aussicht war überragend und die anschliessende Rutschpartie vom Feinsten.
Der Chef der frommen Gruppe war stocksauer. Ob wir noch alle Tassen im Schrank hätten! «Mit den Schuhen macht ihr das Zelt kaputt, geschweige von der Unfallgefahr. Ich verbiete euch, auf das Zelt zu klettern!» In diesem Moment plumpste der Letze unserer Gruppe vom Zeltdach in die Runde und lachte aus vollem Hals. Die anschliessende Konferenz wurde mit einem Kompromiss geschlossen: Rutschpartien nur noch in Socken und keine Besucher aus anderen Quartieren. Für uns Kinder ein guter Entscheid. Ich wurde jedoch den Eindruck nie los, dass der Chef von da an immer ein süss-saures Lächeln auf den Lippen hatte.
Keine zwei Wochen später herrschte auf der «Allmet» wieder emsiges Treiben und Lärm. Da soll man «Uffzgi» machen? Ab die Post! «Ooooh, der Zirkus Nock.» Grosse Augen, grosses Staunen – jetzt läuft etwas. Gegen die Eiche und den Hang hin entsteht eine Wagenburg. Zum Bach stehen die Wohnund Direktionswagen, gegen den Hang sind die Ställe mit den Tieren aufgereiht. Bald werden sehr lange Stangen in Metallfüssen verankert und mit noch längeren Seilen aufgerichtet. Bald ist die Form des Zirkuszeltes erkennbar: «Hau Ruck! Aus dem Weg oder hilf mit!» Die eingespielte Truppe richtete das Zelt in kürzester Zeit auf – fantastisch. Der «Nock» zog uns in seinen Bann: Nach der Schule ging es sofort zum Zirkus: Tiere füttern – Löwen, Pferde und Pony, viele Hunde auch – und beim Training zuschauen. Die Zeit flog nur so dahin.
Wir versuchten, Eintritts-Billetts zu schnorren. Madame Kassier war aber ein harter Knochen. Keine Chance. Wir waren nicht auf Rosen gebettet, brauchten jeden Franken zum Leben. Hie und da, wenn die Vorstellung bereits lief, keine Leute mehr herumstanden, liess sie sich von unseren Hundeblicken erweichen und winkte uns ins Zelt.
Soldaten und Tataren
Eine weitere Attraktion war eine militärische Inspektion. Die Soldaten in Reih und Glied in Uniform, hohen Schuhen, die Ausrüstung vor die Füsse gelegt. Da sahen wir Berufsleute aus dem Dorf, die in ihren eigenen Kleidern alle gut zu unterscheiden waren, plötzlich uniformiert. Das ist doch der Duweisstschon und der Lehrer ist auch dabei. Der sieht aber lustig aus. Für uns war es ein Spass. Ich glaube, für die Männer eher weniger.
An eine Szene mag ich mich erinnern, als ein Offizier zu einem Soldaten sagte: «Das Gewehr ist immer noch nicht sauber, aber lassen wir es für heute gut sein.» Und er fügte noch an: «Machen Sie den obersten Hemdknopf zu!» Worauf das bereits gerötete Gesicht des Soldaten alarmrot wurde.
Unvergesslich ist der Reitertrupp, der auf der «Allmet» zu Gast war. Unsicher, ob es Tataren, Mongolen oder sonstige Abkömmlinge des Dschingis Khan waren, begegneten wir den Fremden mit ungewöhnlicher Scheu. Sie kamen nicht regelmässig auf die Allmend, waren wenig zugänglich. Nicht unfreundlich zwar, aber stets distanziert. Es waren rund zehn Männer und doppelt so viele Pferde. Eine Pracht. Kleine, zierliche und quirlige Rosse, die von ihren Besitzern gehegt und gepflegt wurden. So unnahbar wir sie erlebt haben, so offen und liebevoll gingen sie mit ihren Reittieren um. Von «Emmis» Hof bis zur Eiche wurde eine Bahn gelegt und die seitlichen Ränder markiert. Auch wurden Bänke für die Zuschauer aufgestellt.
Ich sah mich schon beim Haus Graf versteckt die Vorstellung geniessen. Aber diese Barbaren zogen tatsächlich einen zwei Meter hohen Zaun aus Sackleinen um die ganze Anlage. Von wegen Gratisvorstellung! Das Geld für die Schau würde ich von Mutter nie bekommen. Also kam Plan B zum Zug: ab auf die Bäume! So unbequem die Hockerei war, das Gesehene war es mehr als wert. Die Reiter jagten ihre Pferde die Bahn hinauf und hinunter, zeigten ein Kunststück nach dem anderen. Sie ritten verkehrt herum, sprangen auf einer Seite an den Boden und federten zurück. Sie wechselten im Galopp Pferd, absolvierten den Parcours stehend und bauten sogar eine Pyramide – immer mit «Vollgas». Es war eine herrlich wilde Truppe, und man meinte, auch die Tiere schienen den grossen Applaus zu geniessen.
Viele unserer damaligen Jungmannschaft könnten sicher noch zahlreiche weitere Geschichten beifügen. Die «Allmet» war unser Treffpunkt und Erlebnispark. Für viele Dorfbewohnerinnen und -bewohner war sie ein Allzweckplatz für viele Vorhaben. Mit der Bevölkerungszunahme wurden Sportplätze und Mehrzweckhallen gebaut. Weitere Gemeindeeinrichtungen wurden zum Gebrauch für Vereine erstellt und werden heute auch rege genutzt. So hat sich die Nutzung der Allmend als Begegnungsort verändert. Nur noch einmal im Jahr, an der «Chluuri-Verbrennig», erhält sie als Festplatz ihren alten Glanz zurück.
PS: Persönlich wünschte ich mir weiterhin die grosse, unverbaute Allmend mit Bäumen und Grasland, ein paar Ruhebänke und keinen Parkplatz. Den heutigen Kinderspielplatz, richtig und wichtig, würde ich auf dem «Griederland» anlegen.
Fredi Binggeli, Sissach, ist beim Allmendplatz aufgewachsen und erzählt aus seinen Erinnerungen.
Die nächsten Jubiläumsanlässe
Laufend: Vergangenheit und Gegenwart im Dialog. Alte Gemälde und Zeichnungen hängen im Gemeindehaus aktuellen Fotografien des Theaterfotografen Ernst Rudin (70) gegenüber. Die Ausstellung kann zu den Schalteröffnungszeiten im Gemeindehaus besichtigt werden.
1. August: Bundesfeier. Ab 15 Uhr musikalische Unterhaltung mit der Farnsburger Blasmusik, dem Männerchor Liederkranz und der Alphorngruppe Magden. 19 Uhr Festansprache von Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Ab 19.30 Uhr Abendunterhaltung mit «The Pelicans» feat. Ira May. Vor dem «Cheesmeyer».