Basler Auftakt zur EM 2025
15.10.2024 Fussball, Sport«Weiblich, sportlich – chancengleich!» sollte am Weltmädchenfussballtag am Samstag als Auftakt zur Frauen-EM 2025 dienen. Elf Persönlichkeiten aus Sport, Politik und dem sozialen Bereich zeigten verschiedene Perspektiven zum Frauensport auf.
Wendy ...
«Weiblich, sportlich – chancengleich!» sollte am Weltmädchenfussballtag am Samstag als Auftakt zur Frauen-EM 2025 dienen. Elf Persönlichkeiten aus Sport, Politik und dem sozialen Bereich zeigten verschiedene Perspektiven zum Frauensport auf.
Wendy Maltet
In der Lounge des St.-Jakob-Parks hat SRF-Sportredaktorin Seraina Degen am vergangenen Samstag zum Symposium «Weiblich, sportlich – chancengleich!» begrüsst. Dieses sollte acht Monate vor dem Anpfiff des ersten Spiels der Uefa Women’s Euro 2025 einen offenen Blick auf den Frauen- und Mädchenfussball werfen. Der Anlass fand denn auch passenderweise einen Tag nach dem Weltmädchenfussballtag statt.
Parallel dazu ging auf den Sportanlagen St. Jakob ein U13-Turnier der Regionalauswahlen über die Bühne. Acht Teams aus den EM-Gastgeberstädten Basel, Bern, Genf, Zürich, St. Gallen, Luzern, Sion und Thun nahmen teil. Um die internationale Freude am Fussball spürbar zu machen, tat jeweils ein Mädchen aus jedem Team in einer Fremdsprache seine Freude am Ballsport kund. Die anwesenden U13-Teams stimmten die Teilnehmenden bestens auf die nachfolgenden Referate ein.
Den Auftakt machte Mustafa Atici, Vorsteher des Erziehungsdepartements Basel-Stadt. Er überbrachte eine Grussbotschaft der WHO und betonte die politische Bedeutung der Euro 2025. Besonders hob er hervor, dass auch andere Sportarten im Rahmen der Frauensport-Förderung einbezogen werden sollten. Der polysportive Ansatz soll dabei mit 200 000 Franken gefördert werden.
Die EM als Sommerfest
Sabine Horvath, Gesamtprojektleiterin der EM für Basel, sprach über die Bedeutung des Turniers für die Stadt und die Vision eines Sommerfestes. Basel solle während der Frauen-EM eine attraktive Feriendestination werden. Die Innenstadt werde zur Fan-Zone, und verschiedene Austragungsorte böten zusätzliche Programmpunkte. So gebe es etwa einen Ballparcours auf dem Barfüsserplatz oder einen 20 mal 40 Meter grossen Soccer-Court auf dem Messeplatz. Wichtig sei es, die Gelegenheit zu nutzen, die Stadt auch über den Sport hinaus attraktiv zu präsentieren.
Dr. Marianne Meier, Forscherin am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG) und Autorin des Buchs «Zarte Füsschen am harten Leder», gab einen historischen Überblick über den Frauenfussball. Sie betonte, dass die Terminologie im Fussball noch einen weiten Weg vor sich habe. So werde zum Beispiel weiterhin zwischen «Frauen-Fussball» und «Fussball» unterschieden, während es bei den Männern keine solche Unterscheidung gebe. Die Art und Weise, wie über Frauensport gesprochen wird, verdeutlicht, dass dieser nach wie vor als eine Abweichung vom «normalen» und massgeblichen Männersport betrachtet wird. Im soziokulturellen Kontext würden Mädchen und Frauen immer noch stark mit Attributen wie Sanftheit, Zurückhaltung und Schönheit assoziiert, während Männer und Jungen oft mit Eigenschaften wie Stärke und Durchsetzungsvermögen in Verbindung gebracht würden. Um im Sport erfolgreich zu sein, müssen Mädchen und Frauen den Attributen entsprechen, die traditionell Jungen zugeschrieben werden. Dies führt nach wie vor zu einem gesteigerten Legitimationsbedarf. Frauen können Fussballerinnen sein – und zugleich schön.
Meier beleuchtete vier bedeutende Meilensteine in der Geschichte des Frauenfussballs. Der erste Höhepunkt ereignete sich um 1900 in England und Frankreich, als Töchter wohlhabender Familien in Privatschulen Teams gründeten und Fussball spielten. Der Sport war zu dieser Zeit nur den Reichen vorbehalten. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten jedoch Verbote, da Frauenfussball in der Gesellschaft noch nicht akzeptiert war.
Der zweite Höhepunkt kam 1970 mit der ersten inoffiziellen Frauen-Weltmeisterschaft in Italien. Diese wurde von der Federation of Independent European Female Football (FIEFF) organisiert und setzte sich für die Anerkennung des Frauenfussballs ein. Schliesslich folgte die offizielle Anerkennung durch die Uefa und die Fifa.
Den dritten Höhepunkt beschreibt Meier mit den Austragungen der Fifa-Weltmeisterschaften 1991 in China, 1995 in Schweden und 1999 in den USA. Besonders das Finale von 2003, in dem erneut die Teams aus China und den USA aufeinandertrafen, erregte grosses mediales Aufsehen. 1996 erhielt der Frauenfussball zudem Zugang zu den Olympischen Spielen.
Der vierte Höhepunkt ereignete sich in den vergangenen Jahren, geprägt durch die Uefa-Europameisterschaft in England (2021/22) und die Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland. Diese Zeit war von einer stark zunehmenden medialen Präsenz des Frauenfussballs geprägt. Trotz weiterhin bestehender Herausforderungen sind die Spielerinnen heute deutlich sichtbarer.
Sichtbarkeit hat zugenommen
Coumba Sow, Schweizer Nationalspielerin und Spielerin des FC Basel, griff das Thema der Sichtbarkeit auf. Im Interview mit Seraina Degen berichtete sie, wie sich der Frauenfussball verändert habe. Der Trainerstab sei stark gewachsen, und nun gebe es spezialisierte Trainer und Trainerinnen, etwa für Torhüterinnen und im Bereich Athletik. Dies sei nicht immer so gewesen. Ausserdem werde sie häufiger erkannt. Besonders die Interaktion mit Kindern und jungen Nachwuchsspielerinnen würden ihr grosse Freude bereiten. «Es ist schön zu sehen, wie die Begeisterung wächst und man als Vorbild für Kinder dienen kann», so Sow.
Die Direktorin des Frauenfussballs im Schweizerischen Fussballverband (SFV) gab anschliessend Einblicke in die aktuellen Zuschauer-, Spielerinnen- und Gewinnzahlen. Für die Turniere im Jahr 2024 rechne man mit einem Gewinn von 1,2 Milliarden US-Dollar (+300 Prozent gegenüber 2021), wie Marion Daube sagte. Ihre Botschaft: Man dürfe sich jetzt nicht auf den Erfolgen ausruhen, sondern müsse das aktuelle Momentum nutzen.
Pia Sundhage gab ebenfalls einen kurzen und humorvollen Einblick in ihren Alltag und ihre Erwartungen als Nationaltrainerin der Schweizer Frauen. Ihr Ziel sei es, an der kommenden Europameisterschaft zu überraschen. Zudem möchte sie das Team aus der Komfortzone locken, respektive ihm beibringen, sich «im Unbequemen wohlzufühlen»: «I want to make them comfortable to be uncomfortable», hielt Sundhage fest.
Vor der ersten Pause berichteten Tanya Rütti, Co-CEO der Scort Foundation, und Jochen Stark, Co-Executive Director von Plan International Switzerland, von Erfolgserlebnissen im sozialen Bereich. Sie zeigten anhand individueller Beispiele auf, wie über den Fussball Veränderungen angestossen werden können. Nach einer kurzen Pause vertiefte Ständeratspräsidentin Dr. Eva Herzog, Autorin des Buchs «Frisch, frank, fröhlich, Frau», noch einmal die soziokulturelle Bedeutung des Frauensports. Sie appellierte daran, weiterhin die Sichtbarkeit der Frauen im Sport zu erhöhen.
Schon sehr viele Tickets verkauft
Doris Keller, die Direktorin der EM 2025, gab anschliessend ein kurzes Update zum Turnier. Sie zeigte sich erfreut über die Verkaufszahlen der Tickets – in den ersten 10 Tagen wurden 168 821 verkauft – und ging auf die Preise und die Zugänglichkeit der Spiele ein. Anders als bei Männerspielen solle das Turnier insbesondere auf öffentlich-rechtlichen Kanälen ausgestrahlt werden. Die Ticketpreise liegen zwischen 25 und 90 Schweizer Franken. Es sei wichtig, dass eine vierköpfige Familie sich für 100 Franken ein Spiel ansehen könne.
Die Vorfreude auf das erste Europameisterschaftsspiel war bei allen Beteiligten im St.-Jakob-Park bereits gross. Dieses wird am 2. Juli kommenden Jahres genau an diesem Ort angepfiffen.