«Bahnhöfli» unter dem Hammer
16.10.2025 TecknauWenige Interessenten bei Besichtigung der zu versteigernden Liegenschaft
Seit etwa eineinhalb Jahren ist das Gasthaus Bahnhof in Tecknau geschlossen. Nun wird es versteigert. Zumindest am offiziellen Besichtigungstermin hielt sich das Interesse am renovierungsbedürftigen und ...
Wenige Interessenten bei Besichtigung der zu versteigernden Liegenschaft
Seit etwa eineinhalb Jahren ist das Gasthaus Bahnhof in Tecknau geschlossen. Nun wird es versteigert. Zumindest am offiziellen Besichtigungstermin hielt sich das Interesse am renovierungsbedürftigen und geschichtsträchtigen Gebäude in Grenzen.
Sander van Riemsdijk
Seit dem Frühling 2024 wurde im ehemaligen Gasthaus Bahnhof beim Tecknauer Bahnhof kein Bier mehr gezapft. Der Schliessung des Lokals ging ein intensiver Überlebenskampf voraus, wie der Eigentümer und ehemalige Wirt, der in Wenslingen wohnhafte 64-jährige Kurt Kaufmann, auf Nachfrage der «Volksstimme» berichtet: «Wir waren durch die Corona-Zeit stark gebeutelt. Die Gäste blieben weg.» Als sich bei Kaufmann obendrein gesundheitliche Probleme manifestierten, war das Schicksal des Betriebs besiegelt. 2024 – nach 18 Jahren Wirten – hat er definitiv die Türen geschlossen. Nun wird das Haus mit zwei (noch bewohnten) Wohnungen über der Gaststube versteigert.
Am vergangenen Dienstag konnten die Räumlichkeiten unter dem Patronat vom Betreibungs- und Konkursamt Liestal besichtigt werden. Das Mobiliar in der Gaststube befindet sich noch dort, wo es schon immer war. Ob dies auf allfällige Interessenten an einer Weiterführung des Gastrobetriebs Eindruck machen würde, lässt sich schwer sagen. Denn die Teilnahme am Besichtigungstermin hielt sich in überschaubarem Rahmen.
620 000 Franken
Mit ein Grund dafür könnte sein, dass es mit dem Kaufpreis – die betreibungsamtliche Schätzung für das 1917 erbaute dreigeschossige Haus liegt bei 620 000 Franken – allein nicht getan wäre: Im Beschrieb heisst es, dass «die bauliche Substanz grössere Investitionen erfordert, befindet sie sich doch grösstenteils in einem abgenutzten, verwohnten und renovationsbedürftigen Zustand.» Eine nicht übertriebene Formulierung.
«Es wird quasi eine Zwangsversteigerung geben», sagt Kaufmann, «ich wollte das Gasthaus nicht verkaufen, muss dies aber, um meine Schulden begleichen zu können.» Kaufmann steht in der Gaststube und beobachtet teilnahmslos das Treiben der Kaufinteressenten, welche die Räumlichkeiten begutachten. Persönlicher Besitz ist in Schachteln verpackt und in einer Ecke zum Abtransport aufgestapelt. Er zeigt auf den Stammtisch, der noch einigermassen gut erhalten ist. «Wenn der reden könnte …», sagt er mit einem Hauch von Wehmut.
Sissacher als Bauherr
Mit der Schliessung des «Bahnhöflis» ging eine Ära zu Ende, die auf die Zeit des Hauensteintunnelbaus von 1912 bis 1916 zurückgeht. Emil Buess, Weinhändler in Sissach, hatte seinen Schwiegersohn und Architekten Wilhelm Brodtbeck mit dem Bau des Gasthauses beauftragt. Ausser dem «Restaurant für Italiener» mit Schlafzimmern und separater Küche, wurden noch separate Zimmer für die deutschen Ingenieure eingerichtet. Während des Tunnelbaus bildete das Gasthaus den Hauptakzent inmitten eines Barackendorfs.
Die Zeiten haben sich geändert. Von einem Hauptakzent ist heute nicht mehr die Rede, dafür von Denkmalschutz. Ein Kaufinteressent erkundigt sich, ob das Gebäude unter Denkmalschutz stehe. Kaufmann verneint.
Laut den Unterlagen des Betreibungs- und Konkursamts entspricht «die bautechnische Qualität beziehungsweise die Isolationstechnik der Liegenschaft nicht mehr den heutigen Anforderungen», und die Gebäudehülle befinde sich teilweise in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Ob sich unter diesen Voraussetzungen überhaupt ein Käufer oder eine Käuferin für die abgewirtschaftete Liegenschaft findet? Und ob die Käuferschaft dann eine Renaissance des Restaurants einleitet und so die Tradition des Gasthofs am Bahnhof weiterführen wird? «Damit will ich nichts zu tun haben und es muss mich auch nicht interessieren», sagt Kurt Kaufmann. In wenigen Wochen wird er mehr wissen. Die Versteigerung seines Gasthofs ist auf den 4. November, 14.30 Uhr, im Konferenzraum Nr. 004a der Sicherheitsdirektion angesetzt.