Bäume auf die Strasse – fürs Klima
30.11.2023 SissachDer Bezirkshauptort testet die «Schwammstadt»
Bäume mitten auf der Strasse, Pflanzenkohle unter der Fahrbahn: Mit diesen Massnahmen will Sissach das Klima im Ortszentrum verbessern. Ein Test östlich der Begegnungszone soll Erkenntnisse für das ...
Der Bezirkshauptort testet die «Schwammstadt»
Bäume mitten auf der Strasse, Pflanzenkohle unter der Fahrbahn: Mit diesen Massnahmen will Sissach das Klima im Ortszentrum verbessern. Ein Test östlich der Begegnungszone soll Erkenntnisse für das «Schwammstadt»-Prinzip liefern.
Christian Horisberger
In nicht allzu ferner Zukunft will die Gemeinde Sissach den ramponierten Strassenbelag in der Begegnungszone, den «Strichcode», erneuern. Bei dieser Gelegenheit soll mehr Grün ins Ortszentrum gebracht werden, um das sommerliche Aufheizen abzumildern. Für die Begrünung angedacht ist unter anderem das Pflanzen von Bäumen in den Strassenraum nach dem sogenannten «Schwammstadt»-Prinzip: Anfallendes Regenwasser wird dabei nicht direkt in die Kanalisation abgeleitet, sondern möglichst im Boden zurückgehalten. Damit kann bei grossflächiger Umsetzung das Risiko von Überflutungen bei Starkregen reduziert, der Wuchs der Bäume gefördert und das Klima im Dorf verbessert werden. So viel zur Theorie.
Im Osten der Begegnungszone macht die Gemeinde Sissach nun den «Schwammstadt»-Praxistest. Für die Pflanzung zweier Strassenbäume im kürzlich sanierten Abschnitt der Bahnhofstrasse auf Höhe «Volksstimme» wurde die mehr als einen Meter dicke Schotterschicht jeweils auf einer Fläche von 40 bis 50 Quadratmetern mit Pflanzenkohle durchsetzt. Diese erfüllt mehrere Aufgaben, wie der zuständige Planer vom Ingenieurbüro Sutter, Nenad Ivanovic, ausführt: Im Unterbau der Fahrbahn schafft sie Zwischenräume für die Baumwurzeln, sie speichert wie ein Schwamm das zugeleitete Strassenabwasser (daher «Schwammstadt») und sie gibt Dünger ab, mit dem sie zuvor getränkt worden ist.
10 000 Franken teurer
Zum Vergleich: Üblicherweise muss ein Strassen- oder Stadtbaum mit einer Fläche von nur 4 bis 6 Quadratmetern auskommen, so Ivanovic. Dies habe häufig zur Folge, dass sich die Wurzeln nach oben orientieren und den Asphalt wölben und aufbrechen. Es sei davon auszugehen, dass dies bei «Schwammstadt»-Bäumen nicht passiert, was sich aber noch zeigen müsse. Denn das Verfahren sei relativ neu, sein Büro habe es in Sissach zum ersten Mal umgesetzt. Realisiert wurde es vom Bauunternehmen Rofra.
Laut Gemeinderat Stephan Marti, zuständig für Strassen und Verkehr, kostet ein Baum in einer «Schwammstadt»-Rabatte rund 35 000 Franken. Damit ist er um rund 10 000 Franken teurer als ein konventionell gepflanzter Strassenbaum. Für die Mehrkosten seien im Wesentlichen die grossen Mengen der eher teuren Pflanzenkohle verantwortlich.
Das Sissacher Pilotprojekt beschränkt sich nicht auf die beiden Bäume in der oberen Bahnhofstrasse – es handelt sich um «Gefüllte Vogelkirschen». Für den Hauptstrassenabschnitt östlich der Begegnungszone, die zurzeit saniert wird, sind sieben weitere Baumrabatten vorgesehen. Drei davon werden ebenfalls nach dem «Schwammstadt»-Prinzip angelegt und vier konventionell. Am Wuchs der mit und ohne «Schwamm» gepflanzten Bäume lasse sich der Effekt des Systems auf die Bäume ablesen. Schätzungsweise vier Jahre dürfte es dauern, bis ein Ergebnis sichtbar sein wird, sagt Ivanovic. Darüber hinaus erhoffe man sich vom Test Erkenntnisse über die Auswirkungen der Strassenbäume auf Klima und Verdunstung sowie auf den Rückhalt von Abwasser, ergänzt Gemeinderat Marti.
Kollisionen mit Baumumrandung
Der Start zum «Schwammstadt»- Versuch stand nicht unter dem besten Stern. Zum Schutz der im Strassenbereich gepflanzten Bäume wurde um den Stamm ein Metallrahmen gebaut. Kaum waren die Bäume im Boden, wurde an einem regnerischen Abend einer dieser schwarzen Rahmen von einem Auto angefahren und leicht verbogen. Den zweiten erwischte es diese Woche – so heftig, dass er entfernt werden musste. «Offensichtlich wird dieses Hindernis bei Dunkelheit, Nässe und Gegenverkehr übersehen», sagt dazu der Strassenchef.
Fürs Erste hat die Gemeinde rotweisse, reflektierende Warnsignale bei den beiden Bäumen platziert. Laut Stephan Marti werden nun Verbesserungsmassnahmen zur Erhöhung der Wahrnehmung und Erkennbarkeit geprüft. Auf der Hauptstrasse Ost werde man dieses Problem nicht haben, da die Bäume dort nicht in die Fahrbahn, sondern ins Trottoir integriert würden. Also werde man dort die schwarzen Rahmen verwenden, die sich andernorts durchaus schon bewährt hätten.
Um auch schon Aussagen zur künftigen Bepflanzung oder Begrünung der Begegnungszone machen zu können, sei es noch zu früh, sagt Marti. «Wir werden jetzt zuerst einmal den Einbahnverkehr starten und beobachten, wie sich dieser entwickelt.» Daraus würden mögliche Bereiche in der Begegnungszone abgeleitet, wo eine zusätzliche Begrünung möglich ist. Die Voraussetzungen für das «Schwammstadt»-System seien bei der Entwässerung in der Begegnungszone nicht identisch: «Das wirft andere Probleme auf, die zuerst evaluiert werden müssen.»