Auslanderfahrung trifft auf Profi-Erfahrung
23.08.2024 Eishockey, Sport, EishockeyAm 29. August testet der EHC Biel in Sissach gegen den französischen Meister Rouen. Bei den Seeländern wollen sich zwei Oberbaselbieter aufdrängen: Elvis Schläpfer und Nicolas Müller sind auf sehr unterschiedliche Weise an diesen Punkt gelangt.
Sebastian ...
Am 29. August testet der EHC Biel in Sissach gegen den französischen Meister Rouen. Bei den Seeländern wollen sich zwei Oberbaselbieter aufdrängen: Elvis Schläpfer und Nicolas Müller sind auf sehr unterschiedliche Weise an diesen Punkt gelangt.
Sebastian Wirz
Nach neun Jahren im Ausland sind sie erstmals längere Zeit zurück in der Schweiz. Was geniessen Sie besonders, Herr Müller?
Nicolas Müller: Vor allem die Nähe zur Familie. Ich kann am Wochenende mal schnell nach Hause gehen. Das ist schön. Aber nach dem Finalturnier in Amerika folgte gleich die Spitzensport-RS in Magglingen. Die Vorzüge von Biel habe ich also noch nicht wirklich genossen.
Sie treffen im Seeland ausgerechnet auf den einzigen anderen aktiven Oberbaselbieter Eishockeyprofi: Elvis Schläpfer. Können Sie sich noch an gemeinsame Juniorenzeiten in erinnern?
Müller: Also Matches haben wir wohl nie zusammen gespielt. Mit zwei Jahren Abstand befindet man sich stets auf unterschiedlichen Stufen. Aber wir waren gemeinsam in den Talent-Trainings des EHC Basel. Von dort kennen wir uns.
Hatten Sie seither stets Kontakt, Herr Schläpfer?
Elvis Schläpfer: Nein, wir waren keine engen Freunde. Ich habe erst mit Nico geschrieben, als durchsickerte, dass er nach Biel kommen dürfte.
Müller: Die Situation war schwierig für mich. Es war klar, dass ich in Biel unterschreiben würde, aber der Transfer musste geheim bleiben. Sonst hätte ich am College in Michigan nicht mehr spielen dürfen.
Wenn man Ihre Werdegänge betrachtet, fällt auf, wie unterschiedlich zwei Spieler an den selben Ort kommen können. Sie waren in Schweden und in den USA, Elvis Schläpfer in Basel, Biel und Langenthal. Gibt es etwas am «heimischen» Weg, wofür Sie Ihren Mitspieler beneiden?
Müller: Es ist immer schwierig, über die Wege der anderen zu reden. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Einige gehen den Schritt ins Ausland früh, andere spät oder gar nicht. Ich kann nur meine eigene Vergangenheit beurteilen: Es war ein cooler Weg, und ich habe viel gelernt. Ich wollte immer ins Ausland und habe das deshalb so gewählt.
Dann umgekehrt: Worum beneiden Sie Nicolas Müller, Herr Schläpfer?
Schläpfer: Es gibt nicht den perfekten Weg für alle. Das sieht man auch an den aktuellen NHL-Schweizern, die sehr unterschiedliche Werdegänge haben. Cool ist, wie gut Nico Schwedisch und Englisch redet. Unser neuer Headcoach Martin Filander stammt aus Schweden und spricht Nico immer in seiner Muttersprache an.
Müller: Ja (lacht), obwohl er mir beim ersten Treffen gesagt hat, in der Kabine werde dann nur Englisch gesprochen, damit sich niemand ausgeschlossen fühle.
Sie hatten in jungen Jahren Kontakt zu Teams in den USA. Warum sind Sie in der Schweiz geblieben, Herr Schläpfer?
Schläpfer: Es kommt auch auf die Situation im Klub an. Gibt es ein gutes Eishockey-Angebot im Ausland oder in der Schweiz? Wie sieht es mit der Ausbildung aus? Ich habe in Biel ein langfristiges Angebot mit Sport-KV erhalten. Das hat für mich gepasst, und ich habe das KV abgeschlossen. Dazu hatte ich sicher mehr Zeit für die Familie als Nico. Ich bin jedenfalls voll zufrieden mit meinem Weg.
Müller: Ich finde es wichtig, dass man als junger Spieler und Mensch etwas Stabiles hat. Ich habe in Schweden einen Vertrag für vier Jahre erhalten, und in Michigan war auch klar, dass ich langfristig bleiben kann. In Juniorenligen in Kanada und den USA gibt es oft Einjahresverträge. Da ist sofort der Druck vorhanden, abliefern zu müssen. Und nach einem Jahr sind die meisten wieder weg. Ich hatte Glück und bekam Zeit, besser zu werden.
Nun sind Sie mit 25 Jahren Profi. Neben Ihnen sitzt mit Elvis Schläpfer ein zwei Jahre jüngerer Spieler, der bereits 171 Matches in der National League und 77 in der Swiss League absolviert hat. Wie ist das für Sie?
Müller: Es ist mega witzig. 25 und noch kein Profi-Spiel. Fast die Hälfte meiner Mitspieler ist jünger als ich. Aber am Ende ist es für alle dasselbe: Man muss sich auf dem Eis beweisen. Ich versuche, die Situation mit einem Lächeln zu nehmen.
Sie sind schon seit 2016 in Biel, Herr Schläpfer. In was für einen Klub kommt Ihr neuer Mitspieler?
Schläpfer: Der EHCB ist ein guter Verein für junge Spieler. Die Mannschaft befindet sich im Umbruch, das wird auch kommende Saison noch so sein. Ich denke, dass es ein guter Schritt ist für Nico, um sich zu etablieren. Es ist nicht gerade Zürich, wo in der ersten Linie Ausländer und dahinter Nati-Stars mit NHL-Erfahrung die Plätze belegen. Dennoch haben wir Erfolg. Aber die Liga ist sehr ausgeglichen. Das haben wir erfahren: Ein Jahr nach der Finalqualifikation 2022/23 haben wir es noch gerade so in die Play-offs geschafft.
Müller: Für mich musste beim Transfer die Gesamtlösung stimmen. Diese habe ich mit meinem Agenten besprochen. Bei der Wahl des Klubs hatte Priorität, dass ich eine Chance erhalte, mich in ein Team zu kämpfen.
Sie sind beide Stürmer, können als Center oder auch als Flügel eingesetzt werden und stehen somit in einem direkten Konkurrenzkampf. Wie sehen Sie Ihre Rolle?
Schläpfer: Ich will ins Team finden und einen Stammplatz erobern. Diesen hatte ich unter Antti Törmänen zwei Jahre lang. Aber die vergangene Saison war für mich eine schwierige. Wir hatten einen neuen Trainer, und ich erwischte keinen guten Saisonstart. Dies war entscheidend, denn der Trainer findet mit der Zeit «seine» Spieler und vertraut auf diese. Zu ihnen habe ich nicht gehört, ich war meist der 13. Stürmer und hatte kaum Einsatzzeit. Der Klub hat das Gespräch mit mir gesucht und wir haben entschieden, dass ich für anderthalb Monate zum Partnerverein Martigny in die Swiss League gehe. Natürlich war es nicht ideal, dass ich in die zweite Liga musste, aber der Schritt war wohl richtig. Ich hatte anderthalb Jahre lang kein Powerplay mehr gespielt. In Martigny stand ich in Überzahl auf dem Eis, in Unterzahl, in der Verlängerung – und ich sammelte in 19 Spielen doch 10 Skorerpunkte. Für mich ist Einsatzzeit in der anstehenden Saison auch wichtig, weil mein Vertrag kommenden Sommer ausläuft.
Müller: Ich finde s chwierig, ine Rolle zu nennen. Die Eis-Vorbereitung hat ja noch kaum begonnen. Ich muss realistisch sein: Hier sind viele gute Spieler. Mein Ziel ist es, nicht ängstlich zu sein. Ich will attackieren und mir eine gute Rolle erkämpfen.
Die Testspiele vor der Saison sind eine Möglichkeit, sich dem Trainer zu zeigen. Am Donnerstag spielt der EHC Biel in Sissach gegen den französischen Meister Rouen. Sorgt der Austragungsort bei den beiden Bieler Oberbaselbietern für Extra-Motivation?
Schläpfer: Ich werde zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren in Sissach spielen. Das ist schon etwas Besonderes für mich. Es wird sicher cool. Kollegen und Familie – alle werden da sein. Es ist nicht einfach nur irgendein Testspiel.
Müller: Ich habe zwar nie für ZS gespielt, aber Sissach ist nicht weit weg von Arisdorf. Ich freue mich riesig. Meine Schweizer Freunde hatten es in den vergangenen Jahren ja nicht einfach, ein Spiel von mir live zu schauen. Die werden alle kommen.
Das Spiel EHC Biel–Dragons de Rouen findet am Donnerstag, 29. August, um 19 Uhr, im Rahmen der «Pepita-Hockey-Days» des EHC Zunzgen-Sissach auf der Sissacher Kunsteisbahn statt. Tickets sind unter www.pepita-hockey-days.ch erhältlich.
Zwei verschiedene Karriere-Wege
wis. Nicolas Müller ist in Arisdorf aufgewachsen und hat beim EHC Basel angefangen, Eishockey zu spielen. Um auch in der U17 noch auf dem landesweit höchsten Niveau zu spielen, wechselte der Sportklässler noch während der Sekundarschule in Pratteln zu den ZSC Lions. Bei einem Turnier mit der U16-Nationalmannschaft wurden Scouts des schwedischen Vereins Modo Örnsköldsvik auf Müller aufmerksam. Er unterschrieb für vier Jahre und wurde sowohl in der U18 als auch in der U20 – dann als Captain – schwedischer Junioren-Meister. Bis vergangenen Frühling spielte der Stürmer, der meist als Center und seltener als Flügel eingesetzt wurde, schliesslich für die Michigan State University, an der er zudem den Bachelor in Bewegungswissenschaften (Kinesiology) abschloss. Der 25-Jährige hat in Biel seinen ersten Profi-Vertrag unterschrieben, der bis zum Jahr 2027 gültig ist. Er wohnt mit seiner Freundin, die er in Schweden kennenlernte und die ihn auch schon nach Amerika begleitete, in Biel.
Elvis Schläpfer stammt aus Sissach und hat bei ZS seine ersten Eishockey-Schritte gemacht. Über den EHC Basel gelangte er in der U17 zum EHC Biel, als sein Vater Kevin Schläpfer dort noch Headcoach der Profis war. Im Seeland reifte der junge Stürmer zum National-League-Spieler und absolvierte nebenbei insgesamt 77 Spiele in der zweithöchsten Liga für Langenthal und Martigny. Mit dem EHC Biel erreichte Schläpfer 2022/23 den Play-off-Final, den die Seeländer gegen Genf verloren. Mit 171 National-League-Spielen, davon 30 in den Play-offs, hat der 23-Jährige, der meist als Center und seltener als Flügel aufläuft, für sein Alter ein stattliches Palmarès vorzuweisen. Er wohnt in einer Wohnung in Biel. Sein Vertrag läuft Ende Saison 2024/25 aus.