AUSGEFRAGT | KATHRIN BOSSHARD, PROFESSIONELLE PUPPENSPIELERIN, HERISAU (AR)
15.03.2024 Oltingen, Oltingen, Kultur«Möchte Freude und Botschaften vermitteln»
Morgen tritt die preisgekrönte Puppenspielerin Kathrin Bosshard in Oltingen auf. Auf der Bühne erweckt die Künstlerin selbst kreierte Puppen zum Leben und erzählt damit Geschichten. Sie hofft, ...
«Möchte Freude und Botschaften vermitteln»
Morgen tritt die preisgekrönte Puppenspielerin Kathrin Bosshard in Oltingen auf. Auf der Bühne erweckt die Künstlerin selbst kreierte Puppen zum Leben und erzählt damit Geschichten. Sie hofft, dass diese Kunstform wieder mehr Beachtung findet.
Sander van Riemsdijk
Frau Bosshard, warum haben Sie sich einst für die Ausbildung zur Puppenspielerin entschieden?
Kathrin Bosshard: Ich habe als Abschlussarbeit des damaligen Lehrerseminars mit einem Mitstudenten eine schauspielerische Inszenierung durchgeführt. Als ich merkte, dass ich ein gewisses Talent dafür habe und erfuhr, dass man die Puppenspielkunst studieren kann, habe ich mich für diesen Weg entschieden. Danach habe ich mich für das Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Bosch in Berlin, Abteilung Puppenspielkunst, angemeldet.
Was wollen Sie mit der Puppenspielkunst vermitteln?
Mein Hauptanliegen ist es, dass meine Auftritte humorvoll und gesellschaftlich bedeutend sind. Mein Konzept ist variabel und je nach Geschichte passt es sich dem Theaterstück an. Ich möchte den Zuschauenden Spass und Freude am Puppenspiel vermitteln – ein wichtiges Anliegen, das sich wie ein roter Faden durch all meine Theateraufführungen zieht.
Wodurch zeichnen sich Ihre Aufführungen sonst noch aus?
Sie sind häufig mit einer Botschaft verbunden, selten mit einer moralischen Komponente. Die Geschichte von der Maus Frederick enthält eine eigene Botschaft. Ich projektiere mich selbst in Frederick, es ist fast wie eine Metapher für meine eigene Arbeit. Kunst muss ja der Selbsterkenntnis dienen. Sie zu erfüllen, bemühe ich mit Redlichkeit.
Was fasziniert Sie am Puppenspiel?
Am meisten fasziniert mich, dass mit der Puppe ein totes Objekt zum Leben animiert wird. Wie ein Geist, der quasi in eine lebendige Materie übergeht. Das ist eine Hommage an das Leben. Die Animation beim Puppenspiel macht darauf aufmerksam, dass es faszinierend ist, dass das Leben überhaupt existiert. Es ist die philosophische Komponente, die auf viele Menschen faszinierend wirkt.
Und weiter?
Wenn man eine Puppe spielt, ist es häufig so, dass sie zur Projektionsfläche für die Zuschauer wird. Denn sie wirkt neutraler als eine Schauspielerin auf der Bühne. Es gelingt den Menschen so besser, ihre eigene Fantasie in der Puppe zu erkennen.
An wen richten Sie Ihr Figurenspiel und Ihre Geschichten?
Das ist unterschiedlich. Bei der Geschichte von «Frederick» besteht das Zielpublikum aus Kindern frühestens ab vier Jahren. Es ist zwar eine Kindergeschichte, aber durchaus auch ein Stück für Erwachsene, weil es auch für sie Botschaften hat.
Auf der Bühne hegen Sie beim Puppenspiel eine Vorliebe für Tiere. Warum?
Dieses Faible ist irgendwann einmal entstanden. Ich habe es bemerkt, als ich damals Tierpuppen baute. Mich fasziniert, Tierpuppen sinnbildlich für Menschen einzusetzen. Dadurch kann man Menschen sympathisch darstellen, auch wenn sie zum Teil schreckliche Charaktere sind. Tiere als Puppen können beim Publikum eine gewisse Empathie hervorrufen, wodurch die Identifikation mit der Figur steigt.
Wo liegt die grösste Herausforderung beim Puppenspiel?
Das ist unterschiedlich. Für mich als Einzelkünstlerin liegt die grösste Herausforderung nicht in der Spielkunst an sich, sondern in der ganzen Organisation rundherum. Angefangen mit der Suche nach Geldern für ein neues Theaterstück über die ganze Logistik bei einer Tournee bis zum Abschluss von Verträgen. Das alles nimmt ungefähr die Hälfte meiner Zeit in Anspruch. Beim Theaterstück «Frederick» begleitet mich mein Mann und hilft mir.
Warum üben Sie diese doch eher seltene Kunstform noch immer aus?
Der logistische Aufwand bei Auftritten gehört dazu. Das Puppenspielen selbst fällt mir sehr leicht. Simpel gesagt, ist es das, was ich am allerbesten kann. Und solange ich noch kann, werde ich weiterspielen. Ich bin auch nach vielen Jahren Schauspielern weiterhin sehr motiviert und habe noch viele Ideen.
Welchen Stellenwert hat das Puppenspiel in der Gesellschaft?
Was die Anerkennung oder Wertschätzung betrifft, ist der Stellenwert kleiner geworden. Aber das stört mich nicht. Wenn ich als Künstlerin auftrete, erhält das Puppenspiel einen Stellenwert. Ich sehe zudem, dass es Wirkung beim Publikum hat. Ich bin sicher, dass das Puppenspiel, auch wenn es eine alte Kunstform ist und sich nur noch wenige Leute dafür interessieren, nie untergehen wird. Es ist mein inniger Wunsch, dass diese Spielkunst in der Schweiz an Bekanntheit zulegt und im Klein- oder Grosstheater mehr Akzeptanz und Anerkennung bekommt.
Puppenspielerin Kathrin Bosshard tritt morgen Samstag um 17.15 Uhr mit der Geschichte «Frederick» nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Leon Lionni in der «Obere Mühle» in Oltingen auf. Freier Eintritt, Kollekte.
Zur Person
svr. Kathrin Bosshard ist 1972 geboren und im Kanton Appenzell Ausserrhoden aufgewachsen. Sie studierte von 1996 bis 2000 an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin (Abteilung für Puppenspielkunst). 2000 gründete sie das Theater Fleisch + Pappe. Heute lebt die Künstlerin in Herisau (AR) und wirkt als Regisseurin, Texterin, Schauspielerin und Puppenspielerin für ihr eigenes sowie für andere Theater. Sie hat verschiedene Preise gewonnen, 2020 den Schweizer Theaterpreis.