AUSGEFRAGT | CHRISTOPH KEIGEL, VR-PRÄSIDENT KEIGEL AG
21.02.2025 Auto«Ein Aussenspiegel ist heute ein halber Computer»
Die Neuwagenverkäufe in der Schweiz stagnieren, das Umsteigen aufs Elektroauto verläuft weniger flott als erhofft. Der Frenkendörfer Garagist Christoph Keigel weiss, wo es harzt.
...«Ein Aussenspiegel ist heute ein halber Computer»
Die Neuwagenverkäufe in der Schweiz stagnieren, das Umsteigen aufs Elektroauto verläuft weniger flott als erhofft. Der Frenkendörfer Garagist Christoph Keigel weiss, wo es harzt.
Christian Horisberger
Die Neuwagenverkäufe sind 2024 um 4 Prozent zurückgegangen, der Trend scheint sich fortzusetzen mit minus 3 Prozent im Januar gegenüber dem Vorjahresmonat. Herr Keigel, was sagen diese Zahlen über den Zustand des Autogewerbes aus?
Christoph Keigel: Einerseits, dass sich der Neuwagenmarkt seit Corona auf einem tieferen Niveau eingependelt hat, andererseits, dass die Qualität der Fahrzeuge wirklich gut ist. Das Durchschnittsalter des Schweizer Personenwagenfuhrparks beträgt heute etwa zehn Jahre. Vor zwei Jahrzehnten waren es noch sechs bis sieben Jahre. Für das Autogewerbe muss das nicht negativ sein: Je älter der Fuhrpark, desto höher der Wartungsaufwand und damit das Auftragsvolumen in der Werkstatt.
Womit verdient ein Garagist mehr Geld: Mit dem Verkauf von Neuwagen oder mit Wartungsund Reparaturarbeiten?
Natürlich braucht es beides; es besteht eine Abhängigkeit. Ich mache hier gerne den Vergleich mit der Mobiltelefonie: Verkauft man keine Handys, schliesst auch keiner einen Mobilfunkvertrag ab. Wenn man den Deckungsbeitrag anschaut, so ist der Erlös aus dem Werkstattbetrieb höher als der im Showroom. Dies könnte sich noch stärker akzentuieren, wenn die ohnehin schon tiefen Margen im Neuwagengeschäft für uns Garagisten durch die drohenden C02-Strafsteuern weiter gedrückt werden.
Sie sprechen von sinkenden Margen. Doch sind die Preise für Neuwagen in kurzer Zeit im zweistelligen Prozentbereich gestiegen …
Bei der Preiserhöhung spielen unterschiedliche Faktoren mit: Rohstoffpreise, die allgemeine Teuerung zum Beispiel und deutlich teurere Technologien: Ein Hybridauto beispielsweise verfügt über zwei Antriebssysteme, was sich im Verkaufspreis niederschlägt. Auch die diversen Assistenz- und Fahrsicherheitssysteme, die heute verbaut werden, haben ihren Preis. Sehen Sie sich den Aussenspiegel an: Früher war es einfach ein Spiegel, den man von Hand verstellen konnte. Heute ist es ein halber Computer: elektrisch von innen einstellbar, beheizt, mit integriertem Blinker und Toter-Winkel-Warnung. Entscheidend für die höheren Preise aber ist, dass viele Marken sich vom ruinösen Preiskampf verabschiedet haben. Anstatt auf Teufel komm raus zu produzieren und so Überkapazitäten zu schaffen, werden jetzt marktgerechte Mengen hergestellt.
Die frühere Uvek-Vorsteherin Simonetta Sommaruga hatte in ihrer Roadmap für 2025 einen «Stecker-Fahrzeug»- Marktanteil von 50 Prozent fixiert. Dieser Wert wird nicht annähernd erreicht. Warum nicht?
Die Konsumenten machen nicht mit.
Warum nicht?
Zunächst wegen der unbefriedigenden Ladeinfrastruktur: Mieterinnen und Mieter ohne Lademöglichkeit bei ihrem Wohnhaus und erst recht solche in einer Stadt ohne fixen eigenen Parkplatz überlegen es sich zweimal, ob sie sich ein reines Elektroauto zulegen sollen. Auch das Portemonnaie ist ein wesentlicher Faktor: Für jemanden, der aufs Geld schauen muss, können 5000 bis 10 000 Franken Mehrpreis für ein Elektroauto gegenüber einem gleichwertigen Benziner den Ausschlag gegen das E-Fahrzeug geben. Und oft wird vergessen, dass es sich bei einem Drittel der Fahrzeuge auf unseren Strassen um Firmenwagen handelt. Für Unternehmen ist der Fuhrpark ein wichtiger Budgetposten und die Anschaffung von Autos erfolgt in der Regel eher nach betriebswirtschaftlichen als ökologischen oder ideologischen Grundsätzen.
Was braucht es, um den E-Fahrzeug-Anteil rasch deutlich zu steigern?
Eindeutig verschiedene Anreize. Wenn die Politik ehrgeizige Ziele setzt, muss sie den Weg dorthin mit Begleitmassnahmen unterstützen. Das können Prämien beim Kauf sein, der Abzug der Mehrwertsteuer oder auch vergünstigte Fahrzeugsteuern. Ohne einen finanziellen Anreiz wird es ganz schwierig. Das zeigte sich in Deutschland: Als die Regierung die Prämien für Elektroauto-Käufe gestrichen hat, brachen die Verkäufe ein. Die Menschen folgen eher ihrem Portemonnaie als dem politischen Willen.
Und wer sorgt für eine bessere Ladeinfrastruktur?
Die öffentliche Hand muss Ladestationen im öffentlichen Raum bereitstellen und die Hauseigentümer beziehungsweise die Vermieter müssen in die Pflicht genommen werden, ihre Liegenschaften mit Ladestellen auszustatten. Der Staat muss hier eine Steuerungsfunktion wahrnehmen, aber sensitiv agieren, um die Hauseigentümer ins Boot zu holen. Denn wenn er sie gegen sich aufbringt, kann dies zu Widerstand führen, womit kostbare Zeit verloren ginge.
In China werden seit Mitte vergangenen Jahres mehr Autos mit alternativen Antrieben als Verbrenner gekauft. Was macht China besser als wir?
Soweit ich weiss, unterstützt der Staat Hersteller finanziell bei der Entwicklung neuer Technologien. Und anders als die europäischen Hersteller setzten die chinesischen von Anfang an auch im niedrigen Preissegment auf die E-Mobilität.
Wie gut sind chinesische Elektroautos?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nur sagen, dass ich bei einem China-Aufenthalt im vergangenen Oktober immer ans Ziel gekommen bin, als ich in ein E-Taxi gestiegen bin. Ich habe dort übrigens festgestellt, dass in grossen Städten der Anteil reiner Elektroautos bei mehr als 50 Prozent liegt.
Ob von chinesischen, amerikanischen oder europäischen Herstellern – die Zukunft gehört dem E-Auto, das wartungsfreundlicher ist als ein Benziner. Was bedeutet dies für die Garagisten? Werden sie Personal entlassen müssen?
Tatsächlich geht man bei einem reinen Elektroauto von 30 Prozent weniger Unterhaltsaufwand aus. Aber: Laut Studien der Branche hält die Kundenbindung an die Markengarage bei technologisch komplexen Produkten wie Elektroautos über die Garantiefrist hinaus an. Dagegen wenden sich Besitzer von Autos mit Verbrennermotor nach Ablauf der Werksgarantie häufiger auch an markenunabhängige Garagen. Sollte die Elektromobilität zu einem geringeren Arbeitsaufkommen führen, würde es laut dieser Studie eher die markenunabhängigen Garagen als Markenvertretungen treffen.