«Auch ein naturnaher Garten kann schön sein»
16.10.2025 SissachEbenrain zeigt neu Naturstrukturen für Privatgärten und öffentliche Areale
Wer nach Ideen sucht, um Gärten naturnaher zu gestalten und damit die Biodiversität zu fördern, findet im neuen Strukturengarten am Ebenrain-Zentrum eine Fülle von ...
Ebenrain zeigt neu Naturstrukturen für Privatgärten und öffentliche Areale
Wer nach Ideen sucht, um Gärten naturnaher zu gestalten und damit die Biodiversität zu fördern, findet im neuen Strukturengarten am Ebenrain-Zentrum eine Fülle von Anschauungsbeispielen. Kurse für Private und Fachleute ergänzen das Angebot.
Marianne Ingold
Im hinteren Teil des rund um die Uhr frei zugänglichen Kursgartens am Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach befinden sich seit einigen Wochen Totholz, Steinhaufen, Holzstapel, Trockenmauern, eine Sandböschung, eine Wildhecke, eine Blumenwiese und ein Teich. Es sind Beispiele für Naturstrukturen, die Insekten und Kleintieren Unterschlupf, Brutplätze und Nahrung bieten. Auch eine Reptilienburg, eine Käferwiege, ein Wildbienenhaus, Benjeshecken aus Baum- und Heckenschnitt sowie ein Weidenpavillon können besichtigt werden.
«So sieht es in der Realität natürlich nicht aus: alles aufs Mal an einem Ort», erklärt Natascha Stauffer, Verantwortliche für das Ressort «Natur im Siedlungsraum» am Ebenrain-Zentrum. «Es ist ein Mustergarten, in dem man sieht, welche Strukturen sich für ein bestimmtes Setting eignen. In einem Privatgarten gibt es vielleicht nur Platz für ein Element.» Koni Gschwind, Co-Leiter Kursgarten und Initiant des Projekts, ergänzt: «Es ist auch wichtig abzuklären, was in einen Garten passt und Sinn ergibt.»
Im Strukturengarten können Interessierte sehen, was alles möglich ist und welche Struktur sich für welche Insekten und Kleintiere eignet. Am diesjährigen Ebenraintag, an dem das Projekt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde, sei das Interesse gross gewesen: «Viele Besucherinnen und Besucher sind durch den Strukturengarten gegangen, haben sich inspirieren lassen und fotografiert», sagt Natascha Stauffer.
Ein wichtiger Punkt bei der Gestaltung sei die Ästhetik gewesen, betonen die beiden Projektverantwortlichen. Es heisse ja häufig: «Ich will keine unordentlichen Haufen und verwilderte Ecken – ich will einen schönen Garten!», sagt Stauffer. «Wir wollen zeigen, dass man auch einen naturnahen Garten schön gestalten kann.»
Realisierung mit Bundesgeldern
Gschwind ergänzt: «Zur Philosophie von Naturgärten gehört nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Ästhetik. Sonst werden sie nicht akzeptiert.» Einen Naturgarten anzulegen, um danach nichts mehr tun zu müssen, sei auch ein Irrglaube, betonen die beiden Fachleute. Auch hier muss regelmässig gejätet, ausgelichtet oder aufgefüllt werden. Die Idee zum Strukturengarten hatte Koni Gschwind Anfang 2024, als eine frühere Versuchsfläche auf dem Kursgarten-Areal nicht mehr genutzt wurde. Er ging mit seiner Vision auf Natascha Stauffer zu, deren Zielpublikum von Privatpersonen über Gemeinden bis hin zu kantonalen Ämtern reicht: «Sie alle sensibilisiere ich dafür, was man für die Biodiversität tun kann», sagt sie. Ihr Fokus liegt vor allem auf dem öffentlichen Raum: «Es gibt so viele Flächen, zum Beispiel Schulhausplätze, die im Sommer sehr heiss werden. Wenn man diese teilweise entsiegelt und einen Baum oder ein Weidenhaus darauf baut, lassen sich wertvolle Verbesserungen erzielen und die Aufenthaltsqualität steigt.» Von der ersten Idee bis zur Fertigstellung im September dieses Jahres dauerte das Projekt «Strukturengarten», das vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) finanziell unterstützt wurde, etwa 1,5 Jahre. Im Herbst 2024 begannen die Grobarbeiten, die ein Gartenbauunternehmen unter Anleitung von Koni Gschwind ausführte, der für Planung und Bauführung zuständig war: «Ich habe darauf geschaut, dass sauberes Material hereinkommt», sagt er. «Es darf nicht mit Unkraut versetzt sein, damit man anschliessend nicht zu viel jäten muss. Wichtig ist auch das richtige Material für jede Struktur.» Die einzelnen Strukturen aufgebaut und bepflanzt haben Gschwind und Stauffer gemeinsam. Auf der Basis von Gschwinds Pflanzliste haben sie 1300 Pflanzen gesetzt.
Kurse für Private und Profis
Im Rahmen des Projekts bietet Koni Gschwind bereits Kurse zur Gestaltung von Naturgärten, zum Einsatz von Weiden und zu Aufbau und Pflege von Blumenwiesen an. Ein Weiterbildungsangebot für Gartenbaufirmen ist gemeinsam mit dem Verband «Jardin-Suisse beider Basel» in Arbeit. Auch Werkhofmitarbeitende sollen künftig dazu inspiriert werden, mehr Natur in die Flächen zu bringen, die sie bewirtschaften. Dabei sind Umsetzungen direkt vor Ort geplant, zum Beispiel auf einem Schulhausplatz. Dazu Natascha Stauffer: «Ich kenne verschiedene Gemeinden, die gerne etwas Konkretes umgesetzt haben möchten. Das ist für alle Beteiligten motivierender, als wenn in einem Kurs etwas aufgebaut und danach wieder abgeräumt wird.»
Wer gerne in kleinerem Rahmen selber Naturstrukturen anlegen möchte, findet zusätzlich zu den Anschauungsobjekten im Sissacher Kursgarten einen Übersichtsplan und eine Dokumentation auf der Ebenrain-Website. Aktuell gibt es zu jeder Struktur ein Faktenblatt mit den wichtigsten Informationen. Detaillierte Anleitungen für den Bau der einzelnen Naturstrukturen folgen.
Fachleute für Natur im Siedlungsraum
min. Natascha Stauffer ist seit 2021 am Ebenrain-Zentrum tätig. Die gelernte Grafikerin arbeitete zuvor in der Kommunikation für die Grüne Branche und absolvierte den Weiterbildungsstudiengang «Natur im Siedlungsraum» an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Koni Gschwind ist gelernter Gärtner mit einer Zusatzausbildung an der ZHAW als Fachmann für Naturnahen Garten- und Landschaftsbau (NGL). Er arbeitet seit 2022 in einem Teilzeitpensum am Ebenrain-Zentrum und führt daneben eine eigene, auf insektenfreundliche Gärten spezialisierte Firma.
Fachreferat in Liestal
min. Am Montag, dem 10. November, lädt die Stadt Liestal in Zusammenarbeit mit dem Ebenrain-Zentrum zu einem Fachreferat von Koni Gschwind zum Thema «Natur im Siedlungsraum» mit anschliessender Frage- und Austauschrunde ein. Die Veranstaltung findet im Rathaussaal an der Rathausstrasse 36 in Liestal statt (Eingang Salzgasse) und dauert von 19.30 bis ca. 21.30 Uhr mit anschliessendem Apéro. Die Teilnahme ist kostenlos.