Amelia Earhart – die ganze halbe Wahrheit
21.08.2025 SissachUnterwegs im Nordpazifik, Teil 10: Majuro-Atoll
Der Sissacher Autor Hanspeter Gsell hat uns in bisher neun Teilen auf eine rasante Reise durch den nordpazifischen Raum mitgenommen. Heute ist letzter Halt – auf dem Majuro-Atoll. Gsell packt dort eine ziemlich unglaubliche alte ...
Unterwegs im Nordpazifik, Teil 10: Majuro-Atoll
Der Sissacher Autor Hanspeter Gsell hat uns in bisher neun Teilen auf eine rasante Reise durch den nordpazifischen Raum mitgenommen. Heute ist letzter Halt – auf dem Majuro-Atoll. Gsell packt dort eine ziemlich unglaubliche alte Pazifik-Geschichte aus.
Hanspeter Gsell
Der Pazifik ist voller grosser Geheimnisse. Eines davon wollen wir heute gemeinsam lösen – das Geheimnis der Amelia Earhart! Amelia, geboren am 24. Juli 1897 in Kansas, USA, war so etwas wie ein weiblicher Charles Lindbergh. Diesem war 1927 der erste Flug über den Atlantik, von New York nach Paris, gelungen. Amelia wollte mehr: Seit dem 2. Juli 1937 ist sie im Pazifik verschollen.
Amelia war aber nicht nur Flugpionierin, sondern vor allem auch eine der ersten amerikanischen Feministinnen. Bereits 1921 hatte sie bei Anita Snook in Los Angeles das Fliegen gelernt. 1928 wurde sie landesweit berühmt, als sie als erste Frau über den Atlantik flog.
Obwohl sie nur Passagierin war, wählte man sie zur «Frau des Jahres» und feierte sie als grosse Heldin. Sie wurde zum Idol einer ganzen Generation junger Amerikanerinnen. Der Pilot hingegen geriet ob der vielen Lobpreisungen über seine Passagierin vollkommen in Vergessenheit. Das finde ich nicht gerecht und nenne deshalb hier seinen Namen: Es war ein gewisser Wilmer Stultz, der das Flugzeug pilotierte. Und weil er es verdient hat, nennen wir ihn hier gleich ein zweites Mal und wiederholen den Satz: «Es war ein gewisser Wilmer Stultz, der das Flugzeug pilotierte.»
Das Abenteuer beginnt
1932 wagte Amelia ihr bisher grösstes Abenteuer. Fünf Jahre nach Charles Lindbergh überquerte sie als erste Frau den Atlantik im Solo-Flug. Sie erreichte zwar nicht wie vorgesehen Paris, sondern musste in Nordirland notlanden. Was ihrer Leistung selbstredend keinen Abbruch tat: Sie erhielt postwendend eine Goldmedaille der ehrenwerten «National Geographic Society».
Amelia war endgültig ein Star geworden. Schon lange, bevor Prinzessin Diana, Paris Hilton und Frau Merkel das Licht der Welt erblickten, wurde sie zur Prinzessin der Herzen und der Lüfte gekrönt.
1937 startete sie zu einem neuen Abenteuer: Als erster Mensch wollte sie die Erde am Äquator umrunden. Sie hatte bereits drei Viertel der Strecke geschafft, die Presse bereitete einen riesigen Empfang vor und textete schon die Schlagzeilen.
Von Neuguinea aus startete Amelia zum letzten Teilstück über den Pazifik. Auf den Howland-Inseln wurde sie noch zu einem letzten Tankstopp erwartet. Doch der insulare Tankwart hatte sich vergebens auf ein gutes Geschäft gefreut, kein Flugzeug war weit und breit zu sehen.
Kurz vor seiner gewerkschaftlich zugesicherten Mittagspause griff er zum Telefon und rief mal eben kurz den Chef an. Was daraufhin begann, sollte eine der grössten Suchaktionen der Geschichte werden. 64 Flugzeuge und 8 amerikanische Kriegsschiffe waren während 2 Wochen an der Suche beteiligt.
Sie werden es dank des dramaturgischen Aufbaus dieser Geschichte schon lange geahnt haben: Amelia blieb verschwunden und wurde kurze Zeit später als verschollen erklärt.
Die Amerikaner wären keine richtigen Amerikaner, wären da nicht schon bald die unglaublichsten Geschichten über Amelia aufgetaucht.
Vergessen Sie deshalb den letzten Abschnitt sofort wieder und denken Sie sich wieder nach Neuguinea zurück, wo Amelia eben zum letzten Teilstück über den Pazifik gestartet war. Kaum war das Flugzeug in der Luft, schaltete sie den Autopiloten ein, fiel ihrem Navigator und heimlichen Geliebten Fred um den Hals und rief überglücklich: «Endlich – wir haben es geschafft!» Hat sie es wirklich geschafft?
Was sie darunter verstand, merkte Fred erst, als Amelia auf einer wunderschönen, kleinen Insel gelandet war. Eiligst vergruben sie das Flugzeug, bauten ein klein’ Häuschen und lebten fortan zufrieden und glücklich.
Allerdings nicht bis ans Lebensende, das Glück dauerte nicht lange genug. Denn in der Zwischenzeit waren die Japaner ausgezogen, Amerika zu erobern und nahmen jede noch so kleine Insel, die sich zwischen den beiden Ländern befand, in Besitz. Und so landete eines Morgens ein kaiserlichjapanischer Grenadierzug auf Amelias einsamer Insel und verhaftete die Turteltauben. Mit Fred machten sie kurzen Prozess, die Details wollen wir gar nicht wissen. Amelia hingegen verfrachteten sie via Chuuk nach Saipan, wo sie in ein japanisches Militärgefängnis gesteckt wurde. Dort starb sie 1943 aus Liebeskummer.
Vielleicht aber auch nicht. Denn Amelia hatte ihre Liebesbeziehung zu Fred nur vorgetäuscht. Im Auftrag des militärischen Geheimdienstes hatte sie vorsätzlich die Weltgeschichte verlassen, um die japanischen Stützpunkte auszuspionieren. Mit Fred im Schlepptau war ihr dies vorzüglich gelungen. Deshalb ist sie auch nicht aus Liebeskummer gestorben, ganz im Gegenteil: Ihre Liebe zu einem japanischen Gefängnisaufseher verhalf ihr zur Flucht nach Samoa. Wie sie dies geschafft hat, weiss niemand. Ausser vielleicht ein amerikanischer Geschäftsmann, der sie nach dem Krieg genau dort gesehen haben will.
Die Auferstehung
Diese Auferstehungsgeschichte passte einem amerikanischen Verleger ganz und gar nicht in den Kram. Er hatte soeben ein Buch mit dem Titel «Amelia lebt!» veröffentlicht. Und darin stand, dass Amelia längst zurück in der Heimat sei, und dort unter dem Namen Irene Bolam als einfache Hausfrau lebe. Die real existierende Irene fand dies ganz und gar nicht amüsant und verklagte den Verlag auf Schadenersatz in der Höhe von 1,5 Millionen Dollar. Leider wissen wir nicht, ob sie das stattliche Sümmchen je erhalten hat.
Wir werden an dieser Stelle das Geheimnis der Amelia Earhart endgültig lüften. Zu diesem Zweck begeben wir uns ein letztes Mal zurück nach Neuguinea und starten Richtung Howland-Inseln. Und dort – und dies ist die eigentliche Überraschung – ist Amelia durchaus angekommen. Was aber war dann geschehen?
Der Tankwart war im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung kein Mitarbeiter einer amerikanischen Mineralölgesellschaft, sondern ein japanischer Spion. Er hatte den Auftrag, der Lady den Spass tüchtig zu vermiesen und betankte die Maschine kurzerhand mit einer Mischung aus je einem Drittel Kerosin, Super bleifrei und Reiswein.
Nach einem knappen Stündchen stotterte der Motor gewaltig und Amelia musste zur Notlandung auf dem nächsten Atoll ansetzen. Da wir zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung haben, um welches Atoll es sich handelt, verlassen wir diese Geschichte, drehen am Rad der Zeit und befinden uns im Jahr 1999.
Epilog
Auf der mikronesischen Insel Ik hatte Narinta eben ihr Mittagsschläfchen beendet, als sie hörte, wie Grossvater das Haus betrat.
«Wo bist du denn die ganze Zeit gewesen?», fragte sie ihn etwas unwirsch. «Du musst ja mindestens zwei Monde lang unterwegs gewesen sein!»
Grossvater beabsichtigte nicht, sich in ein Streitgespräch mit seiner Enkelin einzulassen und legte wortlos eine Armbanduhr auf den Tisch. Eigentlich handelte es sich nur um deren rostige Überreste, von einem Armband war nichts mehr zu sehen.
Narinta nahm die Uhr in ihre Hand und drehte sie um. Die Inschrift war nur schwer zu erkennen. Erst nach dem Einsatz von Kokosseife gelang es ihr, die Buchstaben zu entziffern: «Für Amelia – von Fred.»
Wir verlassen nun die alten Geschichten (mehr dazu gibt es unter anderem auf Wikipedia). Schon bald steht nämlich die letzte Teilstrecke des «Island Hopper» bevor.
Unser Flug mit United Airlines von Yap und Guam nach Hawaii landet spätabends pünktlich auf dem «Daniel K. Inouye Airport» in Honolulu. Nach Nächten in Hawaii und Houston, Texas, fliegen wir weiter in die Karibik.
Jetzt können die Ferien beginnen! Womit wir am Ende unserer zehnteiligen Serie «Unterwegs im Nordpazifik» angekommen sind.
Unterwegs im Nordpazifik
vs. Hanspeter Gsell (Sissach), Autor und «Volksstimme»- Kolumnist, hat es wieder getan: Zum fünften Mal ist er rund um die Welt geflogen. In loser Reihenfolge veröffentlichen wir seine zehnteilige Reportage «Unterwegs im Nordpazifik». Unser Tipp: Lesen Sie auch zwischen den Zeilen! Eine Sommerserie, nicht nur für Daheimgebliebene.
Die Serie endet mit diesem Beitrag. Bisher erschienen: Teil 1 (19. Juni), Teil 2 (26. Juni), Teil 3 (4. Juli), Teil 4 (8. Juli), Teil 5 (15. Juli), Teil 6 (22. Juli), Teil 7 (31. Juli), Teil 8 (5. August), Teil 9 (14. August)