Alterswohnungen müssen weichen
02.10.2025 SissachGemeinde lässt Baurechtsvertrag mit Genossenschaft auslaufen
Das Alters- und Pflegeheim Mülimatt in Sissach braucht Platz, um sich für die künftigen Bedürfnisse der Altersversorgung zu wappnen. Den bekommt sie dort, wo sich heute Alterswohnungen befinden. Die ...
Gemeinde lässt Baurechtsvertrag mit Genossenschaft auslaufen
Das Alters- und Pflegeheim Mülimatt in Sissach braucht Platz, um sich für die künftigen Bedürfnisse der Altersversorgung zu wappnen. Den bekommt sie dort, wo sich heute Alterswohnungen befinden. Die Genossenschaft Alterssiedlung hat bis 2031 Zeit, Ersatz zu schaffen.
Christian Horisberger
Die Genossenschaft Alterssiedlung Sissach (GASS) muss für ihre Mieterinnen und Mieter im Mehrfamilienhaus beim Alters- und Pflegeheim Mülimatt eine neue Lösung finden: Die Gemeinde Sissach wird den bis 2031 geltenden Baurechtsvertrag mit der Genossenschaft nicht verlängern, wie sie gestern mitteilte. Das 1967/68 erbaute Gebäude mit 18 Wohnungen dürfte aller Voraussicht nach abgerissen werden, um Platz für eine Erweiterung des «Mülimatt» zu schaffen. Dieses will sich mit einem Neubau auf die künftigen Anforderungen an die Altersversorgung – insbesondere auch mit betreutem Wohnen – einstellen. Gestern Abend hat der Gemeinderat die Verantwortlichen der GASS und des Altersheims über seinen Entscheid informiert.
Die Tragweite des Beschlusses des Gemeinderats ist für die Genossenschaft gross, doch eine riesige Überraschung dürfte er für sie nicht sein. Vor einem Jahr hat die Sissacher Gemeindeversammlung den ablaufenden Baurechtsvertrag mit der Genossenschaft um nur sechs Jahre, bis 2031, verlängert – die Genossenschaft hatte 50 Jahre gewünscht. Die kurze Dauer wurde damit begründet, dass die Planung einer Erweiterung des Altersheims in den kommenden Jahren nicht durch das Baurecht eingeschränkt werden solle (die «Volksstimme» berichtete).
Gewicht auf betreutes Wohnen
In der Medienmitteilung von gestern umreisst die Gemeinde die Ausbaupläne des von sieben Stiftergemeinden getragenen «Mülimatt». Es soll ein «Gesundheitszentrum für das Alter» entstehen, das verschiedene Angebote unter einem Dach vereint: Alters- und Pflegeheim, Spitex, betreutes Wohnen sowie weitere Gesundheits-Dienstleistungen und Angebote für Menschen im Alter. Während die heute 140 Pflegebetten beibehalten werden dürften, seien im Bereich «betreutes Wohnen», das in Zukunft sehr wichtig werde, neu 40 bis 50 Plätze vorgesehen, führt die Sissacher Gemeinderätin Carol Zumbrunnen auf Anfrage näher aus. Die Spitex Sissach und Umgebung, die aus Platzgründen vor wenigen Jahren das «Mülimatt» in Richtung Itingen verlassen musste, würde aus Effizienzgründen gerne nach Sissach zurückkehren.
Die Frage, weshalb der Gemeinderat sich gegen die Alterswohnungen entschieden hat, ist rasch beantwortet: Fürs Bereitstellen von günstigem Wohnraum für ältere Menschen bestehe für die Gemeinde keine Verpflichtung, sagt Carol Zumbrunnen. Hingegen nehme Sissach mit dem Entscheid zugunsten des Altersheims einen gesetzlichen Auftrag wahr. Die Gemeinde schaffe die Grundlage, um den künftigen Bedürfnissen der Altersversorgung gerecht zu werden. Die Versorgungsregion müsse sich auf die demografische Entwicklung mit einer älter werdenden Bevölkerung vorbereiten, und das «Mülimatt» als eines von vier Altersheimen in der Versorgungsregion sei bereit, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Der Gemeinderat hätte es gerne gesehen, wenn beides möglich gewesen wäre, sagt Zumbrunnen: Das Altersheim und die Genossenschaft waren längere Zeit im Gespräch über eine gemeinsame Lösung, allenfalls auch mit einem Neubau von Genossenschaftswohnungen anderswo auf dem APH-Areal. «Wir fanden keinen gemeinsamen Nenner», sagt Martina Chrétien, Präsidentin der GASS, auf Anfrage der «Volksstimme». Zwar habe das APH Alterswohnungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, doch hätten diese unter das Dach einer zu gründenden gemeinnützigen AG kommen sollen. Das wiederum lehnte die Genossenschaft Alterssiedlung ab: «Wir hätten dort nur eine kleine Rolle gespielt und nichts mehr zu sagen gehabt», so Chrétien. Stattdessen habe sich die GASS für eine andere, eigene Baurechtsparzelle auf dem Areal stark gemacht.
Warteliste mit 100 Namen
Chrétien ist der Überzeugung, dass das Anliegen ihrer Organisation eine starke Stimme braucht, denn es entspreche einem Bedürfnis: Alle 30 Wohnungen der Genossenschaft Alterssiedlung an zwei Standorten im Ortszentrum seien vermietet, die Warteliste umfasse derzeit 100 Namen. Eigentlich hatte die Genossenschaft vor, auf einem Grundstück am Bützenenweg im Eigentum der Gemeinde ihr Angebot mit einem Neubau um 22 Wohnungen zu erweitern. Ein Vorprojekt lag vor. Aufgrund des massiven Preisanstiegs im Baugewerbe als Folge der Corona-Pandemie wurden die Pläne aber auf Eis gelegt.
Durch den Entscheid des Gemeinderats steht für die Genossenschaft nun nicht mehr ein Ausbau ihres Angebots im Vordergrund, sondern der Ersatz der 18 Wohnungen beim «Mülimatt». Sechs Jahre hat sie dafür Zeit. Der Standort Bützenen steht laut Gemeinderätin Zumbrunnen nach wie vor zur Disposition: «Die Gemeinde ist offen, wenn die Genossenschaft mit konkreten Vorschlägen kommt.»
Noch zu diskutieren geben dürfte die Entschädigung für die Liegenschaft der GASS, die der Erweiterung des Altersheims im Weg steht. Laut dem Baurechtsvertrag schuldet der Grundeigentümer dem Baurechtnehmer eine Entschädigung – die Heimfallsentschädigung – für dessen Gebäude. Dies auch im vorgesehenen Fall eines Abrisses. Es dürfte um einen Millionenbetrag gehen. Da es sich bei der Baurechtsgeberin um die Gemeinde Sissach handelt, wäre sie alleine entschädigungspflichtig. Carol Zumbrunnen aber stellt klar: «Kommt es zum Heimfall, müssen diese Kosten in das Bauprojekt des Alters- und Pflegeheims fliessen.»