Alte Liebe, rostfrei
18.12.2025 Sport«Ich bin noch in der Trauerphase», sage ich und mache ein betrübtes Gesicht. «Noch bin ich nicht bereit für ein Neues.» Und es taucht vor meinem inneren Auge auf: mein geliebtes Stadtvelo. Mit dem auberginefarbenen Rahmen. Für die Farbe bezahlte ich einen ...
«Ich bin noch in der Trauerphase», sage ich und mache ein betrübtes Gesicht. «Noch bin ich nicht bereit für ein Neues.» Und es taucht vor meinem inneren Auge auf: mein geliebtes Stadtvelo. Mit dem auberginefarbenen Rahmen. Für die Farbe bezahlte ich einen Aufpreis, schwarz und grau waren mir zu düster und zu langweilig. Eine Nabenschaltung hatte mein wunderbares Velo und acht Gänge, was mehr als ausreichend war, um in Basel herumzukurven. Nun ist es weg. Gestohlen. Von einem Tag auf den anderen – von der eigenen Haustüre weg. Natürlich war es abgeschlossen! Aber mir soll es nicht anders ergehen als vielen anderen in Basel, einer Hochburg, was Velodiebstähle betrifft. Schweizweit wurden im vergangenen Jahr 54 908 Velos geklaut, jedes neunte davon im Stadtkanton. Zum Vergleich: Im Tessin ist das Risiko, Opfer eines Velodiebstahls zu werden, dreizehnmal kleiner als in Basel-Stadt.
Wann es denn passiert sei, fragt der Velomech. «Im April», sage ich. Eines Morgens ging ich aus dem Haus, mit bereits aufgesetztem Helm und bereit, loszufahren … aber da stand kein Velo mehr neben den Briefkästen. Verwirrt und verzweifelt lief ich die Strasse rauf und runter … leider erfolglos. Auch eine Meldung bei der Polizei brachte nichts. So war ich nun ein halbes Jahr notgedrungen zu Fuss und mit öV unterwegs, manchmal lieh ich mir das Velo meines Nachbarn. Aber jetzt habe ich von alldem genug. Ich brauche wieder ein Zweirad.
«Mein uraltes Rennvelo!» Plötzlich kommt mir die glorreiche Idee. Rot, weiss, schwarz der Rahmen, gekauft vor fast 20 Jahren bei Stephan Schaffners «4biker», damals noch in Sissach. Dieses Rennvelo war damals mein ganzer Stolz. Viele Kilometer fuhr es mit mir über die Baselbieter Hügel. Zum Glück wurde es nie gestohlen. Was freilich auch fast unmöglich gewesen wäre für «normale» Velodiebe, stand es doch die letzten paar Jahre ganzjährig in meiner Wohnung auf einer Rolle. Im Sommer als Deko, im Winter ab und zu in Gebrauch, wenn ich das Gefühl hatte, ein bisschen Bewegung könnte mir guttun.
Nun lasse ich es vom Velomech in Basel zum Stadtvelo umbauen. Mit ein bisschen breiteren Pneus und Schutzblechen. Quasi als Überbrückung, bis ich irgendwann bereit bin für ein neues Modell, am liebsten wieder auberginefarben und mit Nabenschaltung. Aber vielleicht lasse ich das ja dann bleiben. Wenn ich es mir recht überlege, fuhr ich damals nämlich sehr gern herum mit dem alten Rennvelo. Es wird mir bestimmt auch in der Stadt Freude machen. Weil alte Liebe bekanntlich nicht rostet.
Seraina Degen
Seraina Degen (38) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.

