Allein mit dem Velo durch Ostafrika
21.11.2025 BuusAnouk Anderegg sammelt mit ihrer Reise Geld für die Suizidprävention
Um mit dem Velo durch Ostafrika zu fahren, braucht es Mut, Flexibilität und Durchhaltewillen. Eigenschaften, die Anouk Anderegg aus Buus besitzt. Wichtig ist der 22-Jährigen die Erfahrung und nicht ...
Anouk Anderegg sammelt mit ihrer Reise Geld für die Suizidprävention
Um mit dem Velo durch Ostafrika zu fahren, braucht es Mut, Flexibilität und Durchhaltewillen. Eigenschaften, die Anouk Anderegg aus Buus besitzt. Wichtig ist der 22-Jährigen die Erfahrung und nicht der Endpunkt ihrer Reise.
Nikolaos Schär
Wenn Anouk Anderegg im Zelt ihrer Mutter in der Savanne von Kenia übernachten wird, schliesst sich ein Kreis: «Als meine Eltern mit dem Velo auf Weltreise waren, schliefen ich und meine Schwester auf dem Gepäckträger», sagt die 22-Jährige kurz vor ihrem Abenteuer. Die Buusnerin will von Portugal nach Marokko und danach von Kenia nach Südafrika radeln – allein und ohne fixe Planung. Dabei will sie Geld für die Suizidprävention der Pro Juventute sammeln. Ob sie Angst vor der Reise hat? «Alles, was mir dort passieren könnte, könnte mir auch hier passieren», sagt sie unbeeindruckt.
Momentan befindet sich die 22-Jährige in einer Zwischenphase. Nachdem sie die FMS abgeschlossen hatte, jobbte sie zwei Jahre in einem Surfcamp und möchte nächsten Sommer Sportmanagement studieren. Bis zum Beginn des Studiums bleibt also Zeit, die Welt zu entdecken. «Ich will in die Kulturen und die Natur eintauchen, mit den Menschen in Kontakt treten.» Über Afrika habe sie viel Gutes gehört, und durch Osteuropa oder Zentralasien zu fahren, würden «alle» machen – warum also nicht weiter in die Ferne blicken?
Ganz unerfahren ist sie nicht: «Das Velo ist in unserer Familie allgegenwärtig. Im Keller meiner Eltern liegen viele Satteltaschen. Ich konnte mich einfach bedienen und musste fast nichts kaufen.» Einige Velotouren hat sie bereits allein unternommen – bisher jedoch nur in Europa. Keine Extremreisen, aber genügend Erfahrung, um zu wissen, wie sich lange Tage im Sattel anfühlen.
Obwohl sich ihre Eltern sorgen, finden sie die Idee toll. Ein wenig aufgeregt sei sie schon, auch wenn sie wohl erst unterwegs merken werde, worauf sie sich eingelassen hat. Afrika habe kein Velowegenetz wie die Schweiz: keine durchgehenden Routen, wenig publizierte Erfahrungsberichte, unklare Distanzen. «Ich gehe jetzt einfach mal», sagt sie. Eine Vorbereitung mittels Blogs sei kaum möglich, eine präzise Streckenplanung ebenso wenig. Karten hat sie heruntergeladen, mögliche Übernachtungsorte markiert. «Es wäre schön, Kapstadt zu erreichen – wenn nicht, ist das auch okay.» Ein Rückflugticket hat sie noch nicht gebucht. Es gehe nicht darum, möglichst schnell nach Südafrika zu gelangen; dafür sei sie ohnehin nicht sportlich genug. Als Tagesziel setzt sie sich 50 bis 80 Kilometer. Gefalle es ihr irgendwo, bleibe sie einige Tage. Ende Mai wolle sie zurück sein.
Unbedacht stürzt sie sich dennoch nicht ins Abenteuer: «Ich werde nicht in der Wildnis schlafen – schon alleine wegen der wilden Tiere.» Für ein ruhigeres Gefühl ihrer Familie und Freunde hat sie einen GPS-Tracker dabei, damit die Daheimgebliebenen jederzeit ihren Standort sehen können. Wer mit dem Velo durch Afrika fährt, sei zwangsläufig auch fernab der Zivilisation und müsse genügend Proviant dabeihaben. «Ich kann gut zwei Wochen von Fertignudeln leben», sagt sie und lacht. Die Kohlenhydrate wird sie brauchen, denn ihr Zweirad dürfte rund 40 Kilo wiegen – zu schwer, um es allein hochzuheben. Dafür könne man um Hilfe bitten.
Muss man sein Gepäck mit eigener Muskelkraft befördern, wird jedes Kleidungsstück auf die Goldwaage gelegt. Zwei Paar Hosen, T-Shirts, Windjacke und viel Handwaschmittel – mehr nimmt sie nicht mit. Die Kleider könne sie ans Velo hängen und im Fahrtwind trocknen lassen; und wenn nicht, «dann stinke ich halt ein wenig», sagt die 22-Jährige und grinst.
Schwieriger wird es für sie, ihre Freunde zurückzulassen. «Ich bin ein sehr sozialer Mensch; mein Umfeld wird mir fehlen.» Allein fühlen werde sie sich dennoch nicht. Alleinreisen bedeute nicht Einsamkeit, sondern Offenheit: Man komme leichter mit anderen ins Gespräch und setze sich stärker mit sich selbst auseinander.
Über Suizid sprechen
Zudem nimmt Anderegg auf ihre Reise ein soziales Anliegen mit: Sie will Geld für die Suizidprävention von Pro Juventute sammeln. Selbst kam sie schon unfreiwillig mit dem Thema Suizid in Berührung und möchte das Thema enttabuisieren, darüber sprechen, Fragen stellen. «Mir ist es fast wichtiger, dass sich Leute fragen, wie es ihrem Umfeld wirklich geht, als dass möglichst viel Geld zusammenkommt.» Ein bekanntes Angebot von Pro Juventute ist das Sorgentelefon 147.
Zeit, um mit ihren Freunden zu reden, wird sie nochmals in Marokko haben, nachdem sie ihre Vorprobe von Lissabon nach Marrakesch geschafft hat. Dann wird es ernst. Ein wenig Selbstkritik kommt dann doch auf: Auf allfällige Pannen sei sie nicht besonders vorbereitet. Sie habe zwar das komplette Werkzeug dabei, aber einen Reifen musste sie noch nicht oft wechseln. Dafür habe sie ihren Vater als «Telefonjoker», der ihr bisher immer aus der Patsche geholfen habe. Na dann: «Africa is calling.»
Spenden ist unter folgendem Link möglich: https://donate.raisenow.io/jsgsf?lng=de

