Alle auf den Velodieb!
11.10.2024 BöcktenNach einem versuchten Velodiebstahl in Böckten wurde ein Mann dank beherztem Eingreifen von Passanten gefasst und der Polizei übergeben. Auf dem Sachschaden, den der Täter anrichtete, bleibt Velohändler Stephan Schaffner wohl sitzen.
Christian ...
Nach einem versuchten Velodiebstahl in Böckten wurde ein Mann dank beherztem Eingreifen von Passanten gefasst und der Polizei übergeben. Auf dem Sachschaden, den der Täter anrichtete, bleibt Velohändler Stephan Schaffner wohl sitzen.
Christian Horisberger
Die Geschichte lässt Stephan Schaffner an unserem Rechtssystem zweifeln. Sie begann mit einem Diebstahlversuch eines Kundenvelos vor seinem Velogeschäft «4Biker» in Böckten, und ihr vorläufiges Ende ist eine Rechnung für eine Veloreparatur über 2700 Franken, die ihm wohl nie jemand bezahlen wird.
Aber der Reihe nach. Am Vormittag des 12. September beobachtete der Geschäftsinhaber durchs Schaufenster zwei Männer, die sich für die Velos draussen zu interessieren schienen. Schaffner schickte eine Mitarbeiterin nach draussen: Sie solle sich erkundigen, ob man helfen könne. Die Männer antworteten auf Französisch und gingen weg. Als Schaffner das nächste Mal aus dem Fenster schaute, waren die Männer wieder bei den Velos. Er ging hinaus, worauf der ältere der beiden sich zu Fuss aus dem Staub machte. Der jüngere sass auf einem mehr als 6000-fränkigen Kundenvelo und wollte damit flüchten. Nach wenigen Metern fuhr er mit dem E-Bike in ein parkiertes Auto und gab ebenfalls Fersengeld. «Dann habe ich nur noch reagiert», sagt der Velomech.
Laut rufend habe er den jüngeren Mann verfolgt, der auf dem Trottoir vor der «Le Patron» in Richtung Sissach rannte. Ein älterer Autofahrer und dessen Beifahrerin schienen mitzubekommen, was da ablief, und der Lenker setzte sein Auto vor den Flüchtenden. Dieser stürzte, rappelte sich auf und rannte über die stark befahrene Hauptstrasse. Auf der anderen Strassenseite lief er dem «Güggelibrater» in die Arme, der in seinem Grillwagen bei der Tankstelle und Autowerkstatt die filmreife Szene beobachtet hatte. Der kräftige Mann vom Take-Away-Stand hielt den Dieb zunächst fest und drückte ihn zu Boden, als er sich loszureissen versuchte. Als Stephan Schaffner dazu kam, forderte er den Garagisten auf, die Polizei zu verständigen. Bis diese vor Ort war, wurde der mit vereinten Kräften gefasste Täter mit Kabelbindern an Hand- und Fussgelenken fixiert. Die Fesseln brachte ein Arbeiter von der Lidl-Baustelle auf der anderen Strassenseite herbei. Schliesslich sei auch noch eine Ärztin hinzugekommen, womit am Ende insgesamt sieben Personen an der Aktion beteiligt waren, so der Velohändler.
Täter muss ins Gefängnis
Als die Polizei eintraf, legten die Beamten dem Mann Handschellen an und nahmen ihn in Gewahrsam. Gleichzeitig wurden weitere Polizisten nach Böckten beordert, die auch den Komplizen des bereits gefassten Täters dingfest machen konnten.
Bei der Tatbestandsaufnahme stellte Velohändler Schaffner einen Strafantrag, womit er über den weiteren Verlauf des Falls auf dem Laufenden gehalten wurde: Bei den beiden Tätern handelte es sich um algerische Staatsangehörige, die in Asylunterkünften in Zunzgen und Läufelfingen untergebracht waren. Der jüngere Mann wurde noch im September für insgesamt sechs Delikte – mehrfachen versuchten oder vollendeten Diebstahls von E-Bikes und das Aufbrechen der Kasse eines Hofladens – zu einer Busse von 400 Franken und 150 Tagen Gefängnis unbedingt verurteilt.
Der Diebstahlversuch und die Verfolgungsjagd hat bei Schaffner keine Narben hinterlassen, wie er sagt. Als einzige Konsequenz daraus habe er den Versicherungsschutz für sein Geschäft um einfachen Diebstahl erweitert. Gegen Einbruchdiebstahl war er bereits versichert. Allerdings würden ihm in einem Fall wie diesem beide Versicherungen nichts nützen, da ja nichts gestohlen, sondern etwas beschädigt wurde: Beim Fluchtversuch verursachte der Täter an einem 6400 Franken teuren Kundenvelo von «4Biker» einen grösseren Schaden. Die Rechnung für die Reparatur beläuft sich auf 2754.20 Franken. Dass der Täter sie begleichen kann, ist mehr als unwahrscheinlich.
Die bisherigen Versuche Schaffners, jemanden zu finden, der die Rechnung stattdessen bezahlt, sind gescheitert. Die Gemeinde Zunzgen, wo der Täter untergebracht war, und deren Flüchtlingsbetreuungsfirma Convalere AG, liessen ihn abblitzen. Aus Zunzgen hiess es, dass vorsätzliche Straftaten von einer Versicherungsdeckung ausgeschlossen seien, und Convalere-Geschäftsführerin Franziska Knol teilte dem Velohändler mit, dass ihr Unternehmen nicht für das Verhalten ihrer Kunden verantwortlich gemacht werden könne. Knols Position wird von Fabian Dinkel, dem Leiter des kantonalen Sozialamts, gestützt: «Das Verhalten der von ihnen unterstützten Personen, sei es in der Sozialhilfe oder im Asylbereich, ist nicht Sache der Gemeinden.»
System nicht gerecht
Stephan Schaffner fühlt sich ohnmächtig und von den Behörden allein gelassen. Nun hat er sich an den Kanton gewandt: In einem an die Landeskanzlei adressierten Brief schildert er den Fall und erkundigt sich nach den Verantwortlichkeiten und ob Bewohner von Asylzentren versichert sind. Am Dienstag hat er die E-Mail nach Liestal gesandt. «Ich denke nicht, dass die Antwort nun lautet, ich solle dem Kanton meine Rechnung schicken», sagt der Geschäftsinhaber. Ihm sei aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass er als Privatperson, Unternehmer und Steuerzahler für etwaige Schäden, die er verursache, geradestehen müsse, während in diesem Fall der Täter nicht konsequent zur Rechenschaft gezogen werde.
Bleibt die Rechnung an ihm hängen, will Schaffner den offenen Betrag in seiner Steuererklärung abziehen und dies auch klar deklarieren – «um zu provozieren und um ein Zeichen zu setzen».