… aber die Geilsten
14.08.2025 SportWas haben die «Guggä Rugger» aus Buus und das Schweizer Nationalteam der Frauen gemeinsam? Sie sind «nid die Beschtä, aber die Geilschte». Das Motto der Guggenmusik passt nach diesem denkwürdigen Sommer perfekt für unsere Fussballerinnen und deren Auftritt ...
Was haben die «Guggä Rugger» aus Buus und das Schweizer Nationalteam der Frauen gemeinsam? Sie sind «nid die Beschtä, aber die Geilschte». Das Motto der Guggenmusik passt nach diesem denkwürdigen Sommer perfekt für unsere Fussballerinnen und deren Auftritt an der EM – und es diente mir am 1. August als Bonmot. Erstmals überhaupt hielt ich am Nationalfeiertag eine Rede. Eine komplett neue, aber wertvolle Erfahrung. Mein Thema in Buus: Was kann die Schweiz von der Frauen-EM lernen?
Natürlich ist da der sportliche Aspekt: Die Schweizer Fussballerinnen agierten mit Leidenschaft, sie haben gekämpft und sind als Team aufgetreten. Zudem steht die Equipe für Offenheit und Vielfalt, Kapitänin Lia Wälti trägt selbstverständlich die Regenbogenbinde als Zeichen für Toleranz und Diversität.
Das Turnier strahlt jedoch weit über den Spielfeldrand hinaus. Diese EM ist die Geschichte einer Befreiung – von Vorurteilen, Verboten und Verhinderung. Denn vor 1970 war der Frauenfussball in der Schweiz verboten, nun ist er plötzlich kein Nischenprodukt mehr, sondern in aller Munde. Die Women’s Euro hat die Sichtbarkeit genutzt und eindrücklich bewiesen: Fussball geht auch anders. Fanmärsche ohne geborstene Schaufenster, Gesänge frei von Rassismus und Homophobie. Und auf einmal wird der Ruf laut, der Männerfussball solle sich ein Vorbild nehmen an den Frauen und dieser EM: keine Pyros, keine Ausschreitungen, keine Gewalt. Stattdessen friedliche Stimmung, ein Mit- statt ein Gegeneinander. Und Menschen mit Tränen in den Augen – vor Rührung, nicht wegen Reizgas.
Natürlich gab es auch mal Pfiffe, hie und da Karten wegen eines Fouls. Insgesamt aber war es ein friedliches Fest, konnten Familien mit Kindern sich im Stadion wohlfühlen. Und sicher! Denn Leidenschaft braucht keine Aggression, Identifikation funktioniert auch ohne Hass, Emotionen können berühren, ohne zu verletzen. Fussball kann tatsächlich verbinden, statt zu spalten. Diese EM ist ein Signal, dass wir als Gemeinschaft zusammenarbeiten sollten und nicht gegeneinander. Dass Respekt vor sogenannten Gegnerinnen nicht nur im Sport angebracht ist. Dass es egal ist, welche sexuelle Ausrichtung jemand hat, welche Religion oder Herkunft, und dass es auch keine Rolle spielt, wer im Stadion lieber ein Vegi-Menü bestellt und wer einen «Chlöpfer» mit Senf.
Die Frage ist einfach: Sind wir als Gesellschaft bereit, von den Frauen und dieser EM zu lernen?
Seraina Degen
Seraina Degen (38) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.