30 Jahre alt und immer noch ein Vorzeigebau

  02.05.2025 Oberdorf

1995 bezog Heinrich Holinger sein viel beachtetes Solarhaus

Das Haus am Oberdörfer Rebberg polarisiert mit seiner Architektur, energetisch ist es eine Meisterleistung. Solarpionier Heinrich Holinger erhielt als erster Baselbieter Hauseigentümer den Schweizer Solarpreis. Er ist 30 Jahre später hochzufrieden mit seinem Werk.

Andreas Hirsbrunner

«Ich bin immer noch stolz auf diesen Bau.» Das sagt der Baselbieter Solarpionier Heinrich Holinger (66) zu jenem Vierfamilienhaus, das er Anfang der 1990er-Jahre zu planen begonnen hatte, Mitte April 1995 bezog und noch heute – neben drei Mietparteien – bewohnt. Dass das Haus am Oberdörfer Rebberg etwas Spezielles ist, erkennen auch Laien auf Anhieb, denn schon allein der ovale Grundriss sticht ins Auge.

Holinger sagt dazu: «Optimaler Baukörper wäre eine Kugel, weil dabei die Oberfläche und somit der Wärmeverlust am kleinsten wäre in Bezug auf das Volumen. Das Oval kommt diesem Ideal aber sehr nahe.» Und im Wissen, dass von der Norm abweichende Bauweisen polarisieren, ergänzt er: «Natürlich kann man immer über Architektur und Ästhetik streiten. Mir gefällt unser Haus aber nach wie vor.»

Auch die Fachwelt war begeistert: Das Schweizer Solarpreisgericht verlieh Holinger 1995 und damit zum ersten Mal einem Hauseigentümer im Baselbiet den Schweizer Solarpreis. Es begründete das mit den Worten: «Heinrich Holinger erbaute in Oberdorf BL ein Vierfamilienhaus, das sowohl thermisch wie elektrisch fast ausschliesslich mit Sonnenenergie versorgt wird (ca. 80 Prozent). Dies erfolgt durch Dach- und Fenster-Warmluftkollektoren von 105 m2 und 12-m2- Vakuum-Warmwasserkollektoren sowie einer 7,2-kW-Monokristallin-Photovoltaikanlage. Dank hervorragender Baukonstruktion ist der Wärmebedarf sehr gering.» Anzufügen ist, dass Holinger nachträglich seine 7,2 kW-Anlage auf 15 kW ausbaute.

Den Römern abgeguckt
Heute sind zwar Solarzellen und Sonnenkollektoren auf Hausdächern zu etwas Alltäglichem geworden, doch noch immer setzen die wenigsten Bauherren so konsequent auf Sonnenenergie wie der Elektromeister Holinger schon vor 30 Jahren, als die Solartechnik noch in den – teuren – Kinderschuhen steckte. So bekleiden die Sonnenenergie-Anlagen beim Holinger-Haus praktisch alle nach Süden ausgerichteten Flächen. Dazu gehören letztlich auch die grossen Fensterflächen. Dazu Holinger: «Diese passive Sonnennutzung trägt an schönen Wintertagen viel zur Wärmegewinnung bei. Die nach Süden ausgerichteten Fenster sind an solchen Tagen das A und O.»

Bis heute eine Rarität geblieben sind die in der Solarpreis-Begründung erwähnten Dach- und Fenster-Warmluftkollektoren. Dieses sogenannte Hypokaust-System zur Erwärmung der Wohnräume hat Holinger den Römern abgeguckt. Bei ihm funktioniert es so: Die in einem geschlossenen System zirkulierende Luft wird von der Sonne auf dem Dach erwärmt und mithilfe eines Industrieventilators durch spezielle Rohre in den Boden geblasen. Dabei nimmt der Beton die Wärme auf, speichert sie und gibt sie während mehrerer Tage an die Wohnung ab. Die Luft ihrerseits steigt zwischen den Doppelfenstern auf der Südseite wieder aufs Dach empor. Holinger: «Diese Bodenheizung mit Luft statt Wasser ist genial, aber wenig verbreitet, weil sie komplex ist beim Einbau.

Dank der Langlebigkeit des Industrieventilators ist sie auch absolut wartungsfrei.»

Allein auf weiter Flur
Überhaupt sieht Holinger auch nach drei Jahrzehnten nur Stärken bei seinem Pionierbau. Die beiden wichtigsten: Das System sei wartungsfrei und die prognostizierten Energiewerte hätten sich weitgehend bewahrheitet. Das heisst, 70 Prozent der Wärmeenergie stammen von der Sonne, 30 Prozent steuern die in den Wohnungen installierten Holzöfen bei. Dabei werden 1,5 Ster Holz pro Wohnung und Jahr verfeuert. Aber auch das Komfort-Lüftungssystem habe sich bewährt, bei dem die Aussenluft über ein 20 Meter langes, 2 Meter tief im Erdreich verlegtes Rohr angesaugt wird. Dabei werde die Luft im Winter vorgewärmt, im Sommer vorgekühlt, so Holinger.

Er verweist im Weitern auf die etlichen zusätzlichen ökologischen Details bei seinem Bau, so etwa die Regenwassernutzung, die auch finanziell «hochrentabel» sei. Eine kleine Extravaganz dabei: Holinger hat bei den Wasserzuleitungen zu den WC-Spülkästen kleine Hähnen montiert, damit er hier Regenwasser fürs Giessen der Zimmerpflanzen abzwacken kann. Ein anderes Detail: Im Sommer wird das überschüssige, von der Sonne aufgewärmte Warmwasser der Waschund der Geschirrwaschmaschine zugeführt. Allein mit dem dadurch eingesparten Strom können die drei Elektrofahrzeuge der Hausbewohner im Sommerhalbjahr aufgeladen werden.

Natürlich habe sich die Technik weiterentwickelt und die Fenster oder die Dachdämmung seien nicht mehr auf dem neusten Stand. Aber sein Haus erfülle auch nach 30 Jahren den damals noch nicht zertifizierten Minergie-Standard. Holinger hat 1995 1,8 Millionen Franken in sein Vierfamilienhaus mit 500 Quadratmetern Wohnfläche investiert. Ein Einfamilienhaus kam für ihn aus ökologischen Gründen nie infrage, denn er wollte nach dem Auszug der beiden Kinder nicht auf einer überdimensionierten Fläche leben. Das 1000 Quadratmeter grosse Grundstück konnte er im Übrigen von seinen Eltern übernehmen.

Am Oberdörfer Rebberg herrsche zusammen mit Buus und Maisprach die höchste Sonneneinstrahlung in der Nordwestschweiz, was den Bau eines Solarhauses selbstredend begünstigt habe. Holinger betont, dass ein derartiges Haus an jedem Standort Sinn mache, die Energieeffizienz sei je nach Lage einfach ein paar Prozentpunkte tiefer. Er hoffte – auch als Inhaber einer Solarbaufirma – auf Nachahmer, dies aber vergeblich: «Es ist ein Jammer, dass sich niemand inspirieren liess und Ölheizungen noch immer Usus sind.»


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote