QUERPASS
23.04.2025 SportNicht das Gelbe vom Ei
«Wo denkst du hin?», ruft Cathy Moser mir quer über den Platz zu, «ich kann doch nicht mehr jonglieren!» Sie lacht. «Seit über 30 Jahren war ich nicht am Ball. Da geht das Ballgefühl verloren …» So ...
Nicht das Gelbe vom Ei
«Wo denkst du hin?», ruft Cathy Moser mir quer über den Platz zu, «ich kann doch nicht mehr jonglieren!» Sie lacht. «Seit über 30 Jahren war ich nicht am Ball. Da geht das Ballgefühl verloren …» So leicht lasse ich mich jedoch nicht abschütteln. Vielmehr passe ich der 74-Jährigen den Ball zu – und siehe da: Innenristpass mit rechts, Innenristpass mit links. Funktioniert doch wunderbar! Mit dem Ball am Fuss sind auch Spielfreude und Mut sogleich wieder da … Und Cathy Moser jongliert, als hätte sie die vergangenen 30 Jahre nichts anderes getan. Sie strahlt, ich staune. Ein spezieller und zugleich berührender Moment, denn Moser ist eine der Pionierinnen im Schweizer Frauenfussball. Die gebürtige Waadtländerin war die erste Torschützin des Frauennationalteams. So talentiert war sie, dass sie bereits in den 1970er-Jahren in Italien spielte.
Auch beim ersten inoffiziellen Länderspiel der Frauen stand Cathy Moser auf dem Platz: Am 8. November 1970 gewannen die Schweizerinnen vor 2000 Zuschauenden im Schaffhauser Stadion Breite gegen Österreich mit 9:0. Da die Gegnerinnen auch Spielerinnen mit jugoslawischem Pass eingesetzt hatten, wurde die Partie nicht offiziell anerkannt – was dem historischen Charakter aber keinen Abbruch tut. Und Geschichten von besagtem Match gibt es genügend zu erzählen. Deshalb traf ich Cathy Moser vorige Woche in ebendieser «Breite» für Filmaufnahmen, fast 55 Jahre nach jenem legendären Spiel. «Der Platz ist noch genauso holprig wie damals. Auch die Garderoben wurden seither nie renoviert», sagt Moser und muss lachen.
Weniger lustig war damals die Trikotfarbe: Statt klassisch in Rot-Weiss aufzulaufen, mussten die Schweizerinnen in senfgelben Trikots spielen. Moser versteht es bis heute nicht: «Die Farbe war sehr speziell. Ein bisschen haben wir uns schon geschämt.» Die Frauen hatten – heute kaum vorstellbar! – ausrangierte Leibchen von B-Junioren erhalten, die überdies viel zu gross waren und auf die das Schweizerkreuz erst noch aufgenäht werden musste. «Wir waren doch zarte Damen mit Grösse S oder M, mussten aber in einem L spielen und alles in die Hose wursteln.»
Trotzdem überwiegt für Cathy Moser rückblickend die Freude. Und vor allem auch Stolz: «Wir waren die erste Generation Schweizer Fussballerinnen. Das war das erste Puzzleteil, pflege ich zu sagen – und nun stehen wir vor der Heim-EM! Das ist doch unglaublich», sagt sie. Und fügt mit einem Schmunzeln an, sie sei schon froh, müssten die heutigen Spielerinnen nicht mehr gelbe Leibchen tragen.
Seraina Degen
Seraina Degen (37) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.