CARTE BLANCHE
11.03.2025 PolitikDie fünfte Jahreszeit
Thomas Grüter, Gemeindepräsident Tenniken, parteilos
Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich für drei Tage in meine fünfte Jahreszeit abgetaucht. Seit über 55 Jahren bin ich aktiver Pfeifer in ...
Die fünfte Jahreszeit
Thomas Grüter, Gemeindepräsident Tenniken, parteilos
Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich für drei Tage in meine fünfte Jahreszeit abgetaucht. Seit über 55 Jahren bin ich aktiver Pfeifer in einer grossen Basler Fasnachtsclique. Gestern Morgen um 4 Uhr ertönte in der ganzen Stadt aus allen Strassen und Gassen der Ruf: «Morgestraich, vorwärts marsch!» Dann wird für genau 72 Stunden, also drei Tage lang, die Basler Fasnacht gefeiert. An einem der drei darauffolgenden Sonntage wird sich jede Fasnachtseinheit noch einmal treffen und bei einem Bummel die Fasnacht erneut hochleben lassen. In der Basler Innenstadt wird dann bis spät in den Abend musiziert, jedoch dieses Mal ohne Larven und Kostüme.
Viele Nichtfasnächtler sind der Meinung, dass sich die Aktiven ein paar Wochen vor der Fasnacht treffen, die Instrumente entstauben und dann drei Tage durch die Gassen ziehen und Fasnacht machen. Zum Glück ist dem nicht so! Eine Fasnachtsclique ist ein Verein und organisiert wie ein Fussball- oder Sportverein. Natürlich ist die Fasnacht der Höhepunkt eines Vereinsjahrs, aber das neue Jahr be ginnt bereits nach Ostern. Einmal pro Woche trifft man sich im Vereinslokal oder in einem angemieteten Schulzimmer, um auf seinem Instrument zu üben. Das Vereinsleben wird, wie in jedem anderen Verein, ebenfalls gepflegt. Das ganze Jahr über finden verschiedene Aktivitäten statt und es entstehen Freundschaften fürs Leben.
Heute ist die Basler Fasnacht ein Unesco-Weltkulturerbe. Daher haben alle Fasnächtler (und auch die Stadt Basel) die Verpflichtung, das Feuer und den Enthusiasmus für diese drei Tage an die nächsten Generationen weiterzugeben. Dabei spielt die Nachwuchsförderung eine wichtige Rolle. Gerade in der heutigen Zeit, in der praktisch jedes Kind von Turnen über Flötenstunden bis hin zu Judotraining und Malkursen alles besucht, ist es für Vereine sehr schwierig, die Jugendlichen an sich zu binden. Es bedarf aktiver Mitglieder und der Bereitschaft, sich für die Jugendförderung einzusetzen.
In Basel wird viel unternommen, um die Jugendlichen von der Trommel- und Pfeiferkunst zu überzeugen. Jedes Jahr am ersten Wochenende nach der Fasnacht findet auf dem Barfüsserplatz ein Schnuppertag statt, an dem die Kinder die Möglichkeit haben, sich in der Pfeifer- oder Trommelkunst auszuprobieren. Am vorvergangenen Donnerstag fand zudem in der Basler Innenstadt die Schulfasnacht mit rund 13 000 Kindern statt.
Doch zurück zum aktiven Basler Fasnächtler: Bis zum Alter von 18 Jahren sind die Kinder Mitglieder der Jungen Garde oder der Binggis. Danach wechseln sie zu den Erwachsenen in den Stammverein. Dieser Teil einer Fasnachtsclique ist – neben den Jungen – der Dreh- und Angelpunkt des Vereins. Sobald die Mitglieder etwas kürzertreten möchten, haben sie die Möglichkeit, in die Alte Garde überzutreten.
Die Mitgliedschaft in meiner Fasnachtsclique ist für mich ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Das wöchentliche Treffen mit meinen Freunden bedeutet mir viel. Es ist eine Art Tankstelle für meine «Work-Life-Balance». In diesem Sinne hoffe ich, dass auch Sie in irgendeiner Form eine Tankstelle haben.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.