CARTE BLANCHE
31.01.2025 PolitikJa zum Mindestlohn und zur Wahlrechtsreform
Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf
Wo über den Mindestlohn diskutiert wird, ist die Angstmacherei nicht weit. So lässt es sich derzeit auch in unserem Kanton beobachten, wo wir am 9. Februar ...
Ja zum Mindestlohn und zur Wahlrechtsreform
Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf
Wo über den Mindestlohn diskutiert wird, ist die Angstmacherei nicht weit. So lässt es sich derzeit auch in unserem Kanton beobachten, wo wir am 9. Februar über die Einführung eines kantonalen Mindestlohns von 22 Franken abstimmen können. Arbeitgebervertreter warnen vor höheren Arbeitslosenquoten. Eine Basler Arbeitsökonomin publiziert kurz vor der Abstimmung im Auftrag dieser Arbeitgeberverbände Umfrageergebnisse, wonach die befragten Unternehmen negative Auswirkungen erwarten, wenn der Mindestlohn eingeführt würde. In einem Interview in der Basler Zeitung vom 22. Januar muss diese Ökonomin jedoch zugeben, dass die Umfrage nicht repräsentativ sei und zudem ausgesagt, dass alle Mindestlohnstudien nur wenig Aussagekraft hätten. Ich lasse das einfach mal im Raum stehen.
Für mich entscheidend in dieser Frage ist, dass in all den Kantonen in der Schweiz, in denen der Mindestlohn bereits eingeführt wurde (z.B. Neuenburg, Genf, Jura, Basel-Stadt), kein negativer Einfluss auf die Erwerbslosenzahl festgestellt werden konnte. Unter dem Strich zeigen die Erfahrungen in diesen Kantonen, dass der Mindestlohn als sozialpolitische Massnahme wirkungsvoll ist, ohne dass dadurch Arbeitsstellen verloren gehen. Ich stimme der Vorlage deshalb mit Überzeugung zu.
Umstritten ist bekanntlich auch die zweite kantonale Abstimmungsvorlage, jene über die Wahlrechtsreform. Ich habe in dieser Zeitung bereits vergangenen Sommer noch vor der Landratsdebatte klar befürwortend dazu Stellung bezogen. Denn es ist längst ausgewiesen, dass unser geltendes Wahlsystem gravierende Mängel aufweist. Bei einem kantonsweiten Ranking befindet sich das Baselbiet auf einem der letzten Plätze. Das Ziel, eine bessere proportionale Abbildung der Parteienstärke im Landrat zu ermöglichen, ohne dabei den lokalen und regionalen Bezug der Parlamentsmitglieder aufzugeben, wird mit dem Doppelproporz auf das Beste erreicht.
Die bürgerliche Gegnerschaft aus SVP und FDP spricht pauschal von einer fragwürdigen Gesamtwirkung dieser Reform, ohne diese ablehnende Haltung argumentativ auch nur ansatzweise zu begründen. Geht es diesen beiden Parteien nicht einfach um den Erhalt ihrer Machtansprüche? Der Landrat hat vor fünf Jahren einen Verbesserungsprozess angestossen. Und jetzt, wo alle Vorarbeiten erbracht und die Ziele bestens erreicht sind, soll die Umsetzung kurz vor der Ziellinie verhindert werden. Das kann, das darf es nicht sein.
Die Sitzverschiebungen werden zudem – das haben alle Simulationsrechnungen gezeigt – nicht so gravierend sein. Und ja, aufgrund der Übervertretung dürfte der Bezirk Waldenburg (mein Wahlkreis) einen Sitz verlieren. Aus diesem Grund auf eine gute Reform zu verzichten halte ich demokratiepolitisch jedoch für falsch, ja bedenklich. Einzelinteressen dürfen bei einer für die Demokratie derart bedeutenden Fragestellung nicht im Vordergrund stehen. Bedeutsam ist zudem, dass der Doppelproporz bereits in zahlreichen anderen Kantonen erfolgreich eingeführt wurde und sich dort auch bewährt hat.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.