CARTE BLANCHE
31.10.2024 PolitikEierleset mit staatlicher Unterstützung?
Matthias Ritter, Landrat SVP, Diegten
Es gibt Themen, bei denen sich die Journalisten praktisch aller Medien einig zu sein scheinen. Wehe dem, der Bedenken äussert! Prominente Beispiele sind die staatlich ...
Eierleset mit staatlicher Unterstützung?
Matthias Ritter, Landrat SVP, Diegten
Es gibt Themen, bei denen sich die Journalisten praktisch aller Medien einig zu sein scheinen. Wehe dem, der Bedenken äussert! Prominente Beispiele sind die staatlich verordneten Massnahmen in Sachen Pandemie und Klimawandel. Wir müssen uns aber nicht zwingend aufs globale Parkett begeben, um einseitige Berichterstattungen zu erleben: Wenn im oberen Baselbiet das Stichwort «Naturpark» fällt, liest und hört man praktisch nur lobende Worte.
Das gilt auch für die Zeitung, die sie soeben in den Händen halten – oder auf dem Bildschirm durchblättern. Auf einen doppelseitigen «Werbeprospekt» für den benachbarten Naturpark Thal folgte ein weiterer Bericht, der sich dem Naturpark Entlebuch widmete. Aus der Innerschweiz ist zu hören, dass die Bauern hier mit Milch- und Fleischproduktion satte 5 Millionen Franken umsetzen. Die Frage, was denn diese Bauern vor dem Park-Label getrieben haben, wird allerdings nicht gestellt (ich könnte mir vorstellen: ebenfalls Milch- und Fleischproduktion mit ungefähr demselben Umsatz …). In den Beiträgen kommen meistens Menschen zu Wort, die in die Parkstruktur eingebunden sind – sprich: daran auch verdienen. Und wer sägt schon an dem Ast, auf dem er sitzt?
Um den Naturpark unter die Lupe zu nehmen, führte das Komitee Pro Baselbiet Ende August ein Podium durch, an dem auch kritische Stimmen – ja, die gibt es tatsächlich! – zu vernehmen waren. So kam etwa Edgar Kupper, Gemeindepräsident von Laupersdorf (Naturpark Thal), auf die Idee zu sprechen, dass durch den Park stillgelegte Gastronomie und Hotellerie zu neuem Leben erweckt werden. Klingt gut, aber in der Realität erlebt er vielmehr, dass die Besucher mehrheitlich ihre Verpflegung selber mitbringen. Die Restaurants und «Dorflädeli» werden weniger berücksichtigt, höchstens die örtlichen Mistkübel.
Es klingt reizvoll, Gelder vom Bund zu erhalten, um diese in der Region zu investieren. Vergessen geht aber, dass diese einerseits letztlich auch aus unserem Portemonnaie stammen. Andererseits werden auch der Kanton und die Gemeinden zur Kasse gebeten und die Vorschriften schränken den Kanton (Richtplan) und die Gemeinden (Zonenplan) in ihrer Autonomie ein.
Die Park-Promotoren reden gerne von den lediglich 5 Franken pro Einwohner, die der Park kostet. In der Gemeinde Andeer (Naturpark Beverin) wird mittlerweile bereits das Dreifache bezahlt. Auch der Parc Adula wurde von 20 Gemeinden wuchtig abgelehnt. In der Südschweiz empfand man es als undemokratisch, von oben herab ein Parkkonstrukt über die Region gestülpt zu erhalten.
Für Kopfschütteln sorgen bei mir auch die verschiedenen Begehrlichkeiten: Mit der vermeintlichen Finanzspritze aus Bern sollen nicht nur Spielplätze, Restaurants und Dorflädeli gerettet werden, sondern auch traditionelle Veranstaltungen wie der Eierleset. Nach meinem Verständnis sind es bei uns die Vereine und weitere gute Geister, die mit ihrem unschätzbar wertvollen Einsatz dafür sorgen, dass das Dorfleben intakt bleibt.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.