CARTE BLANCHE
05.09.2024 PolitikObjektive Argumente für neue Kernkraftwerke fehlen
Manuel Ballmer, Landrat GLP, Lupsingen
Bis vor Kurzem plante ich, hier für die Biodiversitätsinitiative oder die Teilrevision des BL-Gesundheitsgesetzes zu werben, aber der Bundesrat hat mit ...
Objektive Argumente für neue Kernkraftwerke fehlen
Manuel Ballmer, Landrat GLP, Lupsingen
Bis vor Kurzem plante ich, hier für die Biodiversitätsinitiative oder die Teilrevision des BL-Gesundheitsgesetzes zu werben, aber der Bundesrat hat mit seiner Ankündigung, das Neubauverbot von Kernkraftwerken aufheben zu wollen, meine Themenwahl gesetzt.
Zwei Fragen beschäftigen mich besonders: Weshalb jetzt dieser Schritt? Und findet der Bundesrat tatsächlich, wir benötigen ein neues Kernkraftwerk?
Der Bundesrat muss über die Initiative «Blackout stoppen» befinden. Im besagten Initiativtext findet sich kein Wort zur Kernenergie. Die Regierung lehnt die Initiative ab, schlägt aber einen indirekten Gegenvorschlag vor, der die Aufhebung des Neubauverbots von Kernkraftwerken von 2018 beinhalten soll. Der Bundesrat argumentiert mit einer veränderten Ausgangslage aufgrund der «Netto-Null»-Ziele ab 2050, nennt aber auch geopolitische Unsicherheiten. Bemerkenswert für mich ist der Zeitpunkt: keine drei Monate, nachdem das neue Stromgesetz klar angenommen wurde. Ein Gesetz, das zahlreiche Hebel in Be wegung setzen sollte, um die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in der Schweiz auszubauen und die Versorgungssicherheit zu stärken. Es entsteht der Eindruck, die Energiestrategie 2050 soll erneut nicht die Chance einer Umsetzung erhalten, die Erfolge werden verschwiegen und für den Fall des Scheiterns wird nun eine vorausschauende Vorsichtsmassnahme getroffen.
Meint die Landesregierung tatsächlich, wir benötigen ein neues KKW? Für diese Forderung fehlen offensichtlich die objektiven Argumente, daher spricht sie nur von einer Aufhebung des Verbots. Ein Umsetzungsplan, eine Finanzierung oder ein möglicher Betreiber sind nicht in Sicht. Der Bundesrat ist der Meinung, er halte sich damit die Möglichkeit offen, «das heute verfügbare Mass an ganzjährig und rund um die Uhr verfügbarem inländischem Strom» zu sichern. Aber bereits dafür wird es eng, denn bis ein Neubau am Netz wäre, müssten sämtliche bestehenden Kraftwerke noch Dutzende von Jahren im Langzeitbetrieb bleiben.
Aktuell soll gemäss Bundesrat Rösti nicht über die Finanzierung gesprochen werden, auch nicht, ob das Geschäftsmodell in 25 Jahren noch passt. Zurzeit sind weltweit die erneuerbaren Energien und Batteriespeicher auf dem Vormarsch mit sinkenden Kosten und steigender Effizienz. Das ist nicht folgenlos für bestehende KKW. Sowohl Frankreich als auch Finnland mussten dieses Jahr bereits feststellen, dass es sie günstiger zu stehen kommt, für die Abnahme des Nuklearstroms zu bezahlen anstatt für das Herunterschrauben bzw. Abschalten. Die Tage, an denen ein neues AKW überhaupt gewinnbringend produzieren kann, werden immer seltener.
Mit der Aufhebung des Neubauverbots löst der Bundesrat das kurzfristige Problem von fehlendem Winterstrom bei fehlendem Stromabkommen nicht. Vielleicht aber erhöht es den Druck auf Natur- und Landschaftsschutzverbände, für Zugeständnisse für Windkraft und Alpinsolar oder es erhöht die Zustimmung in der Bevölkerung für eine Solarpflicht auf bestehenden Bauten und auf die Bilateralen III mit einem Stromabkommen.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.