Gekommen, um zu bleiben
28.06.2024 Fussball, SportVera Gmür und Daniela Rai spielen bei den Sissacher Senioren
Ein spontaner Aushilfe-Einsatz bei den Sissacher Senioren 50+ sorgte dafür, dass sich Daniela Rai und Vera Gmür ins Männer-Team integrierten und heute ein fester Bestandteil davon sind. Ein körperliches ...
Vera Gmür und Daniela Rai spielen bei den Sissacher Senioren
Ein spontaner Aushilfe-Einsatz bei den Sissacher Senioren 50+ sorgte dafür, dass sich Daniela Rai und Vera Gmür ins Männer-Team integrierten und heute ein fester Bestandteil davon sind. Ein körperliches Defizit spüren die beiden schon, doch mit ihrer Technik können sie dieses wettmachen.
Luana Güntert
Es ist das letzte Spiel diese Saison für die Senioren 50+ des SV Sissach. Die Stimmung ist gut und es herrscht bestes Fussballwetter an jenem Mittwochabend Anfang Juni. Die sieben Sissacher Spieler auf dem Feld kämpfen motiviert gegen die Gegner aus Arlesheim und zeigen schöne Spielzüge. Aber Moment. Rennen da zwei Frauen im Sissacher Trikot mit? Als Frau in einer Männer-Mannschaft spielen – geht das? Ja! Der Fussballverband Nordwestschweiz erlaubt in seinen drei Senioren-Kategorien 30+, 40+ und 50+ Frauen, die das 28. Altersjahr erreicht haben.
Zwei der ganz wenigen Frauen in der Region, die bei den Senioren mittun, sind Daniela Rai und Vera Gmür vom SV Sissach. Die beiden spielen eigentlich bei den Sissacher Seniorinnen, die jedoch nur an Turnieren teilnehmen und somit keinen Meisterschaftsbetrieb haben.
Vom Aushelfen zum Teammitglied
Ins 50+-Team kamen Rai und Gmür wegen einer spontanen Aushilfsaktion. «Doris, unsere Trainerin von den Seniorinnen, erhielt eine Anfrage vom Senioren-Trainer.» Das Team konnte für eine Partie nicht genügend Spieler aufbieten und kam so vor einem Jahr auf die Seniorinnen zu. «Ich habe nicht lange gezögert und direkt zugesagt», so Rai, die bereits Erfahrung in gemischten Teams hatte. Als sie dann ihren ersten Einsatz bei den Männern absolviert hatte, meinte das Team, dass sie gekommen sei, um zu bleiben, und nicht, um direkt wieder zu gehen. Das sah Rai auch so und so ist sie seit diesem ersten Spiel bei jedem Match dabei und ein fester Bestandteil des Teams.
Vera Gmür stiess etwas später dazu. «Mir wurde in einem blöden Spruch gesagt, dass ich auch einmal an ein Spiel kommen soll», erzählt Gmür. Da sie wusste, dass ihre Kollegin Daniela bereits im Team ist, sagte sie zu. Und auch sie blieb. «Ich kann aber aus Termingründen nicht an jedes Spiel kommen. Aber wenn ich Zeit habe, bin ich immer dabei.»
Je jünger, desto schwieriger
Zum Fussball kamen die beiden Frauen längst vor ihrer Zeit bei den Sissacher Seniorinnen. Die 40-jährige Rai lief lange für Therwil – in der 3. Liga bis in die Nationalliga B – und Dornach in der 2. Liga auf. Die ein Jahr jüngere Vera Gmür verbrachte den grössten Teil ihrer Fussball-Karriere bei den Sissacher Erst- und Zweitligistinnen, mit einem Abstecher in die Nationalliga B beim FC Baden.
Auch wenn ihre Gegner zehn oder mehr Jahre älter sind, spüren die beiden Frauen den körperlichen Unterschied, auch wenn sie technisch und konditionell gut mithalten können. «In den Zweikämpfen habe ich manchmal Mühe», sagt Rai. Das sieht auch Trainer Giuseppe Manzi so, aber er lobt: «Vera und Daniela sind flink und haben eine gute Ausdauer.» Beim 40+-Team hat die Mittelfeldspielerin Rai auch schon einmal ausgeholfen. Da jene Männer aber nicht nur jünger sind, sondern das Spielfeld auch grösser, sei es schwierig, als Frau auf Augenhöhe mitspielen zu können. «Das Tempo dort ist sehr hoch für eine Frau», so Rai.
Auf die Frage, ob sich die männlichen Gegner im Zweikampf zurückhalten würden, antwortet Gmür: «Nein, aber das wollen wir auch nicht.» Die beiden wollen gleichgestellt sein und «gönd au dri». Vom Trainer werden die beiden auch nicht netter behandelt und weniger zurechtgewiesen als die Männer. «Das mache ich aber generell nicht, ich bin ein lieber Trainer», sagt Manzi und lacht. Jeder im Team würde auf seine Art seine Leistung bringen – so auch die zwei Frauen. «Daniela ist sehr schnell und Vera kann ein Spiel gut führen.» Manzi gehe es bei den Sissacher Senioren hauptsächlich darum, es lustig zu haben und den Spass am Fussball ausleben zu können.
Blöd angemacht wurden Rai und Gmür noch nie – weder vom Gegner noch von Teamkollegen. «Es ist eher so, dass man von Gegnern Komplimente bekommt und sie einem sagen, dass es lässig ist, dass man mitmacht», so Rai. Auch Gmür fühlt sich im Team wertgeschätzt und integriert. Manzi fände es schön, wenn auch weitere Frauen den Mut hätten, den Senioren beizutreten. «Die Seniorinnen spielen leider nur Turniere und bei uns erhalten die Frauen ein Meisterschaftsgefühl mit Spielen unter der Woche, das ist toll. Die Frauen müssen sich nicht verstecken und können mithalten.»
Einen Vorteil als Frau sieht Gmür darin, dass Gegner sie unterschätzen könnten. «Doch nach ein paar Minuten ist dieser Vorteil weg», bemerkt sie mit einem Lachen.
Herzensprojekt
So gern Gmür bei den Senioren spielt, sind die Sissacher Seniorinnen nach wie vor ihr Herzensprojekt: «Wir haben das 2019 von Anfang an mit aufgebaut.» Das Team würde Frauen ab 28 Jahren die Möglichkeit bieten, mit dem Fussballspielen anzufangen oder nach einer Pause wieder einzusteigen. «Vor Kurzem kam eine 57-Jährige neu in unser Team, weil sie Fussball spielen wollte», erzählt Rai. Sie unterstützt es, dass man auch in diesem Alter noch ein neues Hobby ausüben möchte und die Sissacher Seniorinnen so einen Weg zum Fussball bieten können. Gmür würde es auch begrüssen, wenn andere Vereine einen Weg finden würden, dass ältere Frauen in ein Seniorinnen-Team oder zu den Senioren gehen können.
Um die Freude am Fussball geht es den beiden auch bei den Senioren. «Meine beste Zeit ist natürlich vorbei», so Rai. Das Hauptziel sei, vor, während und nach dem Spiel mit dem Team Spass zu haben.