CARTE BLANCHE
22.03.2024 PolitikMütter unter Druck
Anna-Tina Groelly, Landrätin Grüne, Gelterkinden
Am 8. März war der internationale Tag der Frau. Seit 1911 wird an diesem Tag weltweit auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam ...
Mütter unter Druck
Anna-Tina Groelly, Landrätin Grüne, Gelterkinden
Am 8. März war der internationale Tag der Frau. Seit 1911 wird an diesem Tag weltweit auf Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam gemacht. Der Tag soll die bisherigen Errungenschaften der Frauenrechtsbewegung feiern und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf immer noch bestehende Diskriminierungen und Ungleichheiten richten. Und er will dazu ermutigen, sich für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen.
Bereits auf der ersten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1907 wurde das allgemeine Frauenwahlrecht gefordert. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war es in Deutschland so weit, 1918 erhielten die Frauen das aktive und passive Wahlrecht – im selben Jahr ebenso in Österreich, Polen und Russland. Als erste Frauen in Europa errangen die Finninnen dieses bereits 1906, zeitgleich mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer.
In der Schweiz mussten die Frauen bis 1971 warten, bis sie ihr Stimm- und Wahlrecht auf Bundesebene beanspruchen konnten. Die Einführung hing von einer männlichen Volksabstimmung ab, ebenso wie in Liechtenstein als europäischem Schlusslicht, wo Frauen erst seit 1984 wählen und abstimmen dürfen.
Ein Tag vor dem diesjährigen Weltfrauentag hat sich auch der Landrat mit einem Thema auseinandergesetzt, das die Amtsinhaberinnen betrifft. Auf Bundesebene wurde vor Kurzem entschieden, dass Frauen nach der Geburt eines Kindes weiterhin an Parlamentssitzungen teilnehmen dürfen, ohne ihre Mutterschaftsentschädigung zu verlieren.
Eine ehemalige Landrätin, die während ihrer Amtszeit Mutter wurde, forderte eine kantonale Stellvertretungslösung für Mutter- oder Vaterschaftsurlaub, Stillzeit, Unfall oder Krankheit. Aus den Diskussionen einer Arbeitsgruppe und der Kommission wurden zwei mögliche Varianten zur Umsetzung vorgelegt. Entweder kann eine Person für mindestens drei und höchsten sechs Monate in den Landrat «nachrücken», oder ein Landratsmitglied erhält doppeltes Stimmrecht.
Einige Ratsmitglieder sind der Meinung, dass die schweizweite Regelung ausreiche und wir keine weiteren Lösungen brauchen. Ich persönlich befürworte grundsätzlich, dass eine Teilnahme an den Sitzungen nach der Geburt möglich wird, befürchte aber, dass dies einen grossen Druck auf Mütter ausüben kann. Nicht jede Mutter möchte oder kann so kurz nach der Geburt wieder am Parlamentsbetrieb teilnehmen. Sei es, weil sie physisch oder psychisch nicht dazu in der Lage ist, weil die Situation mit dem Kind es nicht zulässt oder sie sich bewusst dafür entscheidet, die ersten Wochen bei ihrem Kind zu bleiben. Es ist so individuell, wie sich eine Mutter nach der Geburt fühlt und auch der Aufwand rund ums Stillen ist nicht zu unterschätzen. Das weiss ich aus eigener Erfahrung. Das Abpumpen in den Sitzungspausen ist nicht immer so entspannt. Und ich habe ab und zu gehofft, dass meine Muttermilch im Gastro-Kühlschrank des Messecenters Basel, in dem die Landratssitzungen während der Pandemie stattfanden, nicht für andere Zwecke entwendet wird.
Ich bin sehr froh, dass die Mehrheit im Landrat sich dafür ausgesprochen hat, dass wir eine kantonale Lösung anstreben. Und ich bin dankbar, dass wir Frauen mittlerweile bei diesem und vielen weiteren Themen mitreden und mitentscheiden dürfen.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.