CARTE BLANCHE
09.02.2024 PolitikVertrauen ist gut, Einsatz ist besser
Beatrix Wullschleger, Gemeindepräsidentin Rümlingen, parteilos
Tritt man zum ersten Mal zu den Gemeinderatswahlen an, stehen vor allem persönliche Fragen im Vordergrund. Beim dritten Mal ...
Vertrauen ist gut, Einsatz ist besser
Beatrix Wullschleger, Gemeindepräsidentin Rümlingen, parteilos
Tritt man zum ersten Mal zu den Gemeinderatswahlen an, stehen vor allem persönliche Fragen im Vordergrund. Beim dritten Mal macht man sich mehr Gedanken über die eigentliche Tätigkeit des Gemeinderats, weil man schon sehr viel erlebt und sich auch schon einmal gefragt hat: Warum mach ich das?
Zumindest war es bei mir so. Und die Momente mit dem Warum hängen vor allem mit einzelnen Begriffen zusammen, die mir bei meinen Aufgaben als Gemeinderätin begegnet sind. Sogenannte Nichtargumente, also Worte, mit denen man verhindert, dass man Argumente für etwas liefern muss. So zum Beispiel die Begriffe Bedürftigkeit oder Billigkeit bei der Kesb. Begründungen für die Einschätzung, warum jemand bedürftig ist und die Rechnung für die Leistungen der Kesb nicht selbst bezahlen kann, oder warum es nicht billig ist, dass jemand die Rechnung selbst bezahlt, obwohl er das Geld hätte, gibt es keine. Bei Bedürftigkeit können die Gemeinden das Geld zurückfordern, wenn sich die Situation ändert. Doch woher soll die Gemeinde wissen, dass der Betroffene nicht mehr bedürftig ist, wenn sie die Einschätzung der Kesb gar nicht kennt?
Oder das Wort Interessensabwägung. Im Rahmen der Revision einer Zonenplanung kann vonseiten Kanton jede Ände rung an einer Zonenplanung mit dem Begriff «fehlende oder ungenügende Interessensabwägung» abgewiesen werden, ohne dass Argumente geliefert werden müssen. Liefern muss nur die Gemeinde.
Und vielleicht am schlimmsten: Auch das Wort «Vertrauen» ist für mich im Zusammenhang mit der Gemeinderatstätigkeit ein Unwort geworden. Ich habe sehr grosses Vertrauen in alle Handwerker, mit denen wir zusammenarbeiten. Handwerksbetriebe aus der Region, die sich dieses Vertrauen mit sehr guter Arbeit und grosser Hilfsbereitschaft verdient haben. Die mit Aussagen wie «Das muss man (noch) nicht machen» auch mal auf Geld verzichtet haben. Ich habe Vertrauen in die Mitarbeiter der Gemeinde, die mit ihrem Wissen und Einsatz den Gemeindealltag mit konstantem Budget selbstständig am Laufen halten. Aber es weckt meinen Argwohn, wenn Personen oder Institutionen keine Informationen liefern oder keine Diskussion, kein kritisches Wort zulassen. Als Gemeinderat hat man die Verantwortung für Steuergelder. Es gilt bei jeder Frage dafür zu sorgen, dass diese möglichst sinnvoll eingesetzt werden. Könnte man die Aufgaben und Probleme, für die der Gemeinderat zuständig ist, mit Vertrauen lösen, würde es diesen gar nicht benötigen. Genauso wenig wie eine Rechnungsund Geschäftsprüfungskommission, welche die Arbeit des Gemeinderats überwachen muss. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das Sprichwort kommt nicht von ungefähr. Auch wenn es das Leben einfacher machen würde, lassen sich die meisten Aufgaben leider nicht nur mit Vertrauen erledigen. Sondern nur mit Zeit, Energie und Einsatz.
Wir haben das grosse Glück, in einer Gemeinde aktiv zu sein, in der uns die Einwohner Dankbarkeit entgegenbringen. Dies macht vieles einfacher. Umso wichtiger ist es, den Einwohnern dieses Vertrauen mit unseren kritischen Fragen zu allen Geschäften, die der Gemeinderat verantwortet, zu danken.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.