«Auch bei den Sozialhilfe bezügern soll es eine Quote geben»
17.10.2023 BucktenGemeinderat Rémy Gröflin (FDP) mit brisantem Vorschlag
Herr Gröflin, Ausgaben für die Sozialhilfe belasten die Rechnung einer kleinen Gemeinde wie Buckten spürbar …
Rémy Gröflin: Das ist so. Für einen Sozialhilfebezüger wenden wir pro Monat rund 2230 Franken ...
Gemeinderat Rémy Gröflin (FDP) mit brisantem Vorschlag
Herr Gröflin, Ausgaben für die Sozialhilfe belasten die Rechnung einer kleinen Gemeinde wie Buckten spürbar …
Rémy Gröflin: Das ist so. Für einen Sozialhilfebezüger wenden wir pro Monat rund 2230 Franken auf. Der Betrag setzt sich aus dem Grundbedarf (1030), der Miete (700), den Nebenkosten (150) und der Krankenkassenprämie (350) zusammen. Hinzu kommt die Mietkaution. Zudem fallen Kosten für die Betreuung an.
Gewisse Personen können aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. Sie brauchen die solidarische Unterstützung der Allgemeinheit.
Häufig geraten Menschen unverschuldet in eine finanzielle Notlage und müssen Sozialhilfe beziehen. Ungeachtet dessen plädiere ich – zum Wohle der Gemeindefinanzen – für eine Systemumkehr.
Wie sähe diese aus?
Wie bei den Geflüchteten, soll es auch bei den Sozialhilfebezügern eine Quote geben. Alle Gemeinden im Baselbiet sollen prozentual zur Einwohnerzahl gleich viele Sozialhilfebezüger aufnehmen müssen. Dann würden die Kosten gerecht verteilt. Der freie Markt führt dazu, dass Sozialhilfebezüger heute dorthin ziehen, wo die günstigsten Wohnungen sind. Das hat eine Überbelastung einzelner Gemeinden zur Folge.
Ihr Vorschlag widerspricht der Niederlassungsfreiheit. Auch Sozialhilfebezüger haben Anspruch auf dieses verfassungsmässige Grundrecht.
Wer vom Geld der Allgemeinheit lebt, muss auch gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen. Die Distanzen in der Schweiz sind klein – ob man jetzt drei oder vier Dörfer weiter weg wohnt, macht keinen wesentlichen Unterschied. Ich bleibe dabei: Das heutige System benachteiligt einzelne Gemeinden. Eine Quote würde der unterschiedlichen Finanzkraft der Gemeinden gerecht – prozentual müssten künftig alle in etwa gleich viel bezahlen.
Dennoch: Durchsetzbar wäre eine Quote wohl nur über einen Fonds, in den Gemeinden einzahlen müssten, welche die Quote nicht erfüllen.
Ja, davon gehe ich aus. Ich bleibe aber bei meiner Meinung, dass man auch bei der Sozialhilfe eine Quote einführen sollte. Auch wenn es aktuell weniger Fälle gibt, muss man wissen: Die Unterstützungsbeiträge können nur in Ausnahmefällen – etwa bei einer Erbschaft – zurückgefordert werden; und die Leistungen der Gemeinden erst fünf Jahre nach Austritt aus der Sozialhilfe. Der Steuerfranken ist meist einfach weg.
Es gibt bereits die sogenannten Solidaritätsbeiträge beim Finanzausgleich. Damit werden Gemeinden mit ausserordentlich hohen Sozialhilfekosten entschädigt. Genügt dieses System nicht?
Das ist sicherlich ein Beitrag. Nur: Was bedeutet «ausserordentlich hoch»? Laut Finanzausgleichsgesetz muss die Sozialhilfequote mehr als 130 Prozent des kantonalen Durchschnitts betragen, damit eine Gemeinde Anspruch auf Solidaritätsbeiträge hat. Das ist ein sehr hoher Wert. Also Nein: Dieses System genügt nicht.
Im Jahr 2018 lehnte das Stimmvolk die «Ausgleichsinitiative» deutlich ab. Ihr Vorschlag geht nun noch weiter – ist er nicht unrealistisch?
Ich weiss nicht, was genau zu diesem Ergebnis geführt hat. Wenn man aber endlich die «nackten» Zahlen der Sozialhilfe- und der nicht gedeckten Asylkosten der Gemeinden publizieren würde, würde es sicher anders aussehen …
Politisch dürfte Ihre Quoten-Idee dennoch umstritten sein.
Die Argumente gewisser politischer Kreise sind widersprüchlich: Gefordert wird eine Professionalisierung der Sozialdienste bei gleichzeitiger Kosteneinsparung. Das ist so nicht möglich. In Buckten haben wir uns bewusst dafür entschieden, die Betreuung von Sozialhilfebezügern nicht auszulagern. Denn ein privater Sozialdienst lebt als Unternehmen davon und ist deshalb nicht daran interessiert, die Kosten zu senken.
Weshalb bringen Sie gerade jetzt Quoten für Sozialhilfebezüger ins Spiel?
Ich bin seit 2020 in der kommunalen Sozialhilfe tätig. Aktuell steigen die Flüchtlingszahlen wieder stark an. Auch die Geflüchteten müssen untergebracht und betreut werden – zusätzlich zu den Sozialhilfebezügern. Dafür kommen zwar mehrheitlich Bund und Kanton auf. Doch bei Asylbewerbern, die ihren Status länger als sieben Jahre haben, und bei anerkannten Flüchtlingen, die ihren Status länger als fünf Jahre haben, müssen die Gemeinden alles bezahlen. Alleine im Bezirk Sissach gibt es 131 solche Fälle, im Kanton sind es 2021. Geht man von den eingangs erwähnten Kosten von 2230 Franken pro Person aus, zahlen die Gemeinden monatlich rund 4,5 Millionen Franken. Die Politik kennt den Missstand, aber niemand unternimmt etwas. Ich plädiere für eine neue Kostenaufteilung: Die Gemeinde, der Kanton und der Bund sollen je einen Drittel übernehmen.
Gibt es in Buckten überdurchschnittlich viele Sozialhilfefälle?
Zahlen kann ich aus Datenschutzgründen keine nennen. Nur so viel: Bei uns im Dorf gibt es eine Liegenschaft, die vor einigen Jahren zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut worden ist. Die Zimmer sind winzig – rund 20 Quadratmeter gross – und die monatliche Miete beläuft sich auf 700 Franken. Damit werden Sozialhilfebezüger angelockt – auch solche, die nichts mit der Region verbindet. Teilweise kommen sie sogar aus der Innerschweiz – sie erfahren auf den Sozialen Medien von den billigen Wohnungen. Zudem verstehen Geflüchtete zuweilen nicht einmal die Mietverträge, die sie unterschreiben. Mit einem solchen Fall sind wir aktuell konfrontiert. Wir sind in Kontakt mit der kantonalen Schlichtungsstelle für Mietangelegenheiten. Die Notlage von Geflüchteten und Sozialhilfebezügern wird meiner Meinung nach ausgenutzt und es wird ein Geschäft auf Kosten der Gemeinde gemacht.
Interview Janis Erne
Zur Person
je. Rémy Gröflin ist seit dem Jahr 2016 Gemeinderat in Buckten und steht seit 2020 dem Ressort Sozialhilfe vor. Zudem ist er Präsident der Sozialhilfebehörde. Der 65-Jährige ist langjähriges Mitglied der FDP.