Hausärzte finden eine kreative Lösung
19.10.2023 SissachDie «praxismolteni» übernimmt per Januar 2024 die Praxis von Dr. Martin Schwab
Die Nachfolgeregelung ist für Hausärzte nach der Pensionierung wegen des herrschenden Fachkräftemangels äusserst schwierig. Die Praxen Molteni und Schwab haben eine ...
Die «praxismolteni» übernimmt per Januar 2024 die Praxis von Dr. Martin Schwab
Die Nachfolgeregelung ist für Hausärzte nach der Pensionierung wegen des herrschenden Fachkräftemangels äusserst schwierig. Die Praxen Molteni und Schwab haben eine unkonventionelle Lösung gefunden und gewährleisten damit die Fortsetzung der ärztlichen Dienstleistungen.
Andreas Bitterlin
In der Schweiz praktizieren rund 8500 Hausärztinnen und -ärzte. Rund 15 Prozent davon sind älter als 65 Jahre, und ihre Pensionierung und eine schwierige Nachfolgeregelung stehen damit unmittelbar bevor. Die Organisation «mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz» hat 2020 aufgrund der damaligen Situation berechnet, dass in den nächsten zehn Jahren zusätzlich rund 1000 Hausärzte nötig werden, um diese Pensionierungen aufzufangen. Es besteht also Handlungsbedarf.
In der «praxismolteni» an der Sissacher Rheinfelderstrasse ging der Wechsel reibungslos über die Bühne. Dr. Angelo Molteni (73) führte seine Praxis seit dem Jahr 1978, nun hat er deren Leitung seinem Sohn Pascal (35) übergeben. Er selber, der Vater, wird noch einen Tag pro Woche in der Praxis als Hausarzt tätig sein.
Zusätzlich hat die «praxismolteni» den Arzt Ö. Dogan angestellt. Damit aber nicht genug der Neuerungen: Die «praxismolteni» übernimmt per 1. Januar 2024 die Praxis von Dr. Martin Schwab an der Hauptstrasse. Geplant ist, per Sommer 2024 alles auch örtlich unter einem Dach zusammenzulegen. Zu diesem Zweck wird in der Liegenschaft Rheinfelderstrasse 40 die «praxismolteni» baulich erweitert. Sie wird dannzumal aus insgesamt fünf Sprechzimmern und einem Diagnosezimmer bestehen.
Erhoffte Synergien
Der 65-jährige Martin Schwab fand keine Nachfolgerin und keinen Nachfolger für die Übernahme seiner Praxis nach seiner Pensionierung. Er befürchtete, sie schliessen und so seine Patientinnen und Patienten zum Hausarztwechsel zwingen zu müssen (siehe Interview unten). Die Lösung des Problems war die Übernahme der Praxis von Martin Schwab durch die Gruppenpraxis von Pascal und Angelo Molteni: Sie stellen Schwab als Mitarbeiter ein und ermöglichen es ihm so, seine Kundschaft weiterhin zu betreuen.
Die Patientendaten der Praxis Schwab werden dann in einem hochmodernen, von Pascal Molteni in 1000 Arbeitsstunden aufgebauten und bewirtschafteten digitalen System verarbeitet. Schwab kann die Administration Pascal Molteni überlassen und sich den ärztlichen Tätigkeiten widmen. Unter diesen Bedingungen hat Martin Schwab seine Pensionierung hinausgeschoben.
Ökonomisch effizient
Hausarztpraxen können gemäss dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium «Obsan» mehr als 90 Prozent aller Gesundheitsprobleme abschliessend lösen und verursachen dabei weniger als 10 Prozent der Gesundheitskosten. Gemäss «Obsan» fehlen aber jährlich Hunderte von Hausärztinnen und Hausärzten. Es liegt also hinsichtlich der Kosten des Gesundheitswesens im Interesse der Bevölkerung, dass sich mehr Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums für die Hausarztmedizin entscheiden.
Wie kann den jungen Ärztinnen und Ärzten die Hausarztmedizin schmackhaft gemacht werden, damit sich mehr für diese Fachrichtung entscheiden? Angelo Molteni: «Mit dem Argument des intensiven Kontakts mit den Patienten und mit der Vielfältigkeit der Arbeit, die nicht monoton ist. Wir sind Generalisten.» Pascal Molteni ergänzt: «Der Kniespezialist weiss, dass er in der Regel Knie behandelt. Bei uns ist es einmal eine Grippe, einmal sind es Schmerzen im Knie oder im Rücken. Diese Vielfältigkeit ist interessant.» Hausärztinnen und -ärzte haben nicht überall ein spezialisiertes tiefes Wissen, aber sie können viele Grundprobleme abdecken. Sie erhalten dadurch auch Wertschätzung und Dankbarkeit von den Patientinnen und Patienten für ihre Arbeit. Angelo und Pascal Molteni unisono: «Das alles macht die Hausarztmedizin attraktiv.»
Nicht nur personell ist die «praxismolteni» neu aufgestellt; die Praxis ist komplett renoviert und digitalisiert worden. Decken, Böden und Wände sind neu. Die Digitalisierung ist auf dem neuesten Stand. Angelo und Pascal Molteni: «Wir haben für jede Patientin und jeden Patienten, mit denen wir regelmässig Kontakt haben, eine aktuell geführte elektronische Krankenakte mit Diagnoseund Medikamentenlisten und wir haben das Röntgen digitalisiert.»
Das heisst, in der «praxismolteni» kommen nicht mehr Filmfolien zum Einsatz, sondern die Röntgenbilder werden direkt auf dem Computer gespeichert. Die Spezialisten oder Spitäler, mit denen sie im Kontakt sind, können nun sicher sein, dass immer alle Dokumentationen à jour sind. Zusätzlich haben Pascal Molteni und der neu angestellte Arzt Ö. Dogan den Ultraschall-Fähigkeitsausweis, sodass die «praxismolteni» neu auch Ultraschall-Untersuchungen anbieten kann.
An die Olympischen Spiele?
Pascal Molteni ist noch sportärztlich aktiv als Verbandsarzt bei Swiss Ski Langlauf, wo er für die U23-Nationalmannschaft verantwortlich ist. Ein Einsatz an den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand ist sein Traum – ein realistischer? Pascal Molteni: «Wenn ich Glück habe und es der Wunsch von Swiss Olympic ist, besteht die Chance. Es wäre ein schönes Privileg, in einem Olympiateam mit den Athleten zusammenarbeiten zu dürfen.»
Angelo und Pascal Molteni sind der Ansicht, dass die medizinische Grundversorgung in Sissach zurzeit gewährleistet ist. Allerdings wächst der Oberbaselbieter Bezirkshauptort, und wenn ältere Hausärzte pensioniert werden, sei es schwierig abzuschätzen, ob es dann in Sissach noch genügend Hausärztinnen und Hausärzte gebe.
Vater und Sohn
abi. Angelo Molteni (73) ist in Sissach aufgewachsen, hat an der Universität Basel Medizin studiert und 1978 seine Hausarztpraxis in Sissach eröffnet. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder und bald zwei Enkelkinder. 2023 übergab er die ärztliche Leitung der Praxis seinem Sohn Pascal Molteni (35), der ebenfalls in Sissach aufgewachsen ist und an der Universität Basel studiert hat. Pascal Molteni ist verheiratet und hat eine Tochter, das zweite Kind kommt im Dezember zur Welt.