Das Firmen-Biotop auf dem Areal des ehemaligen Reifenherstellers
19.10.2023 Gelterkinden, OrmalingenVor 30 Jahren kam das abrupte Ende der Maloya AG (Teil III) – Spurensuche bei einem Rundgang
Auf dem ehemaligen Firmengelände des Reifenherstellers Maloya in Gelterkinden und Ormalingen haben sich sehr viele kleinste und etwas grössere Unternehmen niedergelassen. Zwar ...
Vor 30 Jahren kam das abrupte Ende der Maloya AG (Teil III) – Spurensuche bei einem Rundgang
Auf dem ehemaligen Firmengelände des Reifenherstellers Maloya in Gelterkinden und Ormalingen haben sich sehr viele kleinste und etwas grössere Unternehmen niedergelassen. Zwar sind es (noch) nicht 400 Arbeitsplätze wie zu den Blütezeiten von Maloya, aber etwa die Hälfte dürfte es mittlerweile sein. Eine Spurensuche auf dem Areal.
Robert Bösiger (Text) Christian Roth (Bilder)
Das, was da in der Ecke des verglasten Entrees des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Maloya AG in Gelterkinden zu sehen ist, ist ein Gummibaum. Oder das, was nach 30 Jahren ohne einen Tropfen Wasser davon noch übrig bleiben kann.
Das Verwaltungsgebäude war schon immer der markanteste Teil des Maloya-Areals. Auch damals schon, als im Februar anno 1993 Maloya-Verwaltungsratspräsident Rolf Maurer und der als «Troubleshooter» angeheuerte Unternehmensberater Peter Böhler die Aufgabe der Reifenproduktion in Gelterkinden bekannt gaben und damit das Ende des traditionsreichen Industriebetriebs einläuteten (siehe «Volksstimme» vom 7. September 2023).
Heute, Mitte Oktober 2023, machen wir uns auf Spurensuche auf diesem Areal. Was ist geblieben von den prosperierenden Zeiten des einstigen Schweizer Flaggschiffs in Sachen Reifenherstellung? Was ist geworden aus den Dutzenden von Fertigungshallen und Gebäuden – und was tut sich heute dort?
Seit 30 Jahren leer
Zunächst möchten wir einen Blick ins verwaiste Verwaltungsgebäude werfen. Doch die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB), der das Gebäude gehört, hat kein Musikgehör: Weder kann sie Angaben dazu machen, was sie mit dem seit drei Jahrzehnten leer stehenden und ungenutzten Gebäude im Sinn hat, noch ist es offenbar möglich, uns für unsere Spurensuche (oder ein paar Fotos aus der Vergangenheit) Zutritt zu verschaffen.
Wären wir die hinter dem Gebäude angebrachte Wendeltreppe emporgeklettert, hätten wir von oben womöglich einen prächtigen Blick auf das gesamte Areal gehabt, aber in die einzelnen Büros hätten wir nicht blicken können.
So machen wir uns auf, das restliche Areal zu Fuss zu erkunden. Als kompetenten «Tourguide» haben wir den ehemaligen Gelterkinder Gemeinderat und Schlosser Remo Bossert gewinnen können. Von ihm erfahren wir, dass neben dem Verwaltungsgebäude nur noch wenige Gebäude auf Gelterkinder Boden liegen. Zum Beispiel die Convertible Cars GmbH, die da logiert, wo früher die Maloya-Testfahrer ihr Domizil hatten (siehe «Volksstimme» vom 21. September). Nebenan ist der Hobby-Shop seit 2004 ansässig, seit 2016 im Neubau. Geschäftsführer Alain Bruggisser schätzt die verkehrstechnisch gut erschlossene Lage und die Tatsache, dass man trotzdem «weg ist vom grossen Rummel». Gesamthaft sind es sieben Arbeitsplätze, die mit dem Hobby-Shop verbunden sind.
Viele kleine Firmen
Alle anderen Gebäude auf dem ehemaligen Maloya-Areal liegen auf Ormalinger Gemeindegebiet; die Gemeindegrenze verläuft unmittelbar hinter dem Verwaltungsgebäude.
In einem «Leitfaden Zwischennutzung» (dieser wurde ursprünglich durch das Bundesamt für Umwelt erstellt) findet das Maloya-Areal Erwähnung. Dazu heisst es wörtlich: «Anstelle der in ruralen Gebieten meist fehlenden Kreativwirtschaft wird temporär traditionelles Gewerbe angesiedelt, unspektakulär konsolidiert und schliesslich verstetigt.» Als Arealfläche werden rund 4,3 Hektaren angegeben; von den rund 28 500 Quadratmetern Nutzfläche seien knapp 17 000 Quadratmeter verkauft. Die BLKB, die ursprünglich seit 1994 das ganze Areal übernommen hatte, hat sich mehrheitlich zurückgezogen. Heute gehört das Areal einem guten Dutzend Eigentümern, hören wir hinter vorgehaltener Hand.
Auf unserem Rundgang fällt uns auf, dass das Gelände nicht nur ruhig und leblos daliegt. Autos, Lieferwagen und vereinzelt Lastwagen kommen und gehen. Das deutet darauf hin, dass sich auf diesem Gelände etwas tut. Und tatsächlich kommen wir an diversen Hallentoren vorbei, hinter denen gewerkt, produziert, geschraubt und montiert wird. Ein paar Beispiele:
– Die Firma Hemotec erbringt seit 2003 von hier aus Dienstleistungen im Laborbereich und repariert, prüft und kalibriert wissenschaftliche Messgeräte. Nach Angaben von Betriebsinhaber Florian Born beschäftigt Hemotec je nach Arbeitsaufkommen bis zu acht Mitarbeitende. Er schätzt an diesem Standort den grosszügigen Platz, die Ruhe und die grüne Umgebung. Eher Mühe hat er mit den «Schwartenhändlern, die grosse Teile des Areals mit Schrottautos zuparken und den oft schlecht integrierten und frechen Mitarbeitenden aus dem Osten».
– Protractor, seit 2016 hier ansässig, repariert und verkauft Traktoren und Landmaschinen; beschäftigt sind drei Personen. Früher hat Maloya hier die Mischerei für den Gummi betrieben und Gummi gelagert.
– Gleich nebenan dreht und fräst Edi Di Lello in seiner Werkstatt im Kundenauftrag, während seine Frau Marianne Di Lello zuständig ist für den Imkereibedarf Di Lello AG.
– Ein paar Meter weiter kommen wir an Patricks Garage, an Elektro Herzog, Crossfit und weiteren kleineren Betrieben vorbei. Dort, wo früher die Maloya ihr Rohmaterial gelagert hatte, finden wir das Malerteam F&C Lourenço. 2005 gegründet, finden insgesamt fünf Personen hier ein Auskommen. Die Geschwister Filipe und Corina sind mit dem Standort Maloya-Areal auch deshalb verbunden, weil beide Elternteile damals noch in der Maloya gearbeitet haben.
– Vorbei an Nigro Mechanik (bei Maloya wurden hier noch Velo- und Autoschläuche hergestellt und die Vulkanisierung betrieben) und der Thommen Spenglerei erreichen wir die Biogasanlage von «BioPower» Nordwestschweiz. Die Anlage verarbeitet jährlich gegen 9000 Tonnen Bioabfälle aus der Region sowie Rindergülle und produziert daraus Biogas sowie rund 6000 Tonnen Flüssignährstoff und etwa 1000 Tonnen Frischkompost. Die Biogas-Anlage wurde im Jahr 2008 in Betrieb genommen als Gemeinschaftswerk von Elektra Baselland (EBL), der Industriellen Werke Basel (IWB) und der Primeo Energie (ehemals EBM).
– Gleich dahinter, bald am Ende des Areals, hat die EBL die neue Heizzentrale in Betrieb genommen.
Doch noch Reifen da
– Südlich davon hat sich das deutschstämmige Grosshandelsunternehmen Bohnenkamp AG im ehemaligen, 8000 Quadratmeter grossen Lagergebäude von Maloya niedergelassen. Hier betreibt Bohnenkamp ein modernes Hochregallager und liefert Reifen und Räder jeglicher Grösse und Marken in jeden Winkel unseres Landes. Neben dem Hauptsitz in Osnabrück gibt es Standorte in Mittel- und Osteuropa sowie Asien. Insgesamt bietet Bohnenkamp seinen Schweizer Kunden mehr als 3000 verschiedene Produkte, die im modernen Lager lagern und innerhalb von 24 Stunden ausgeliefert werden können.
– Von hier aus folgen wir dem «Maloyaring» hintenrum wieder in Richtung Gelterkinden. Zunächst kommen wir bei der Spiromed AG vorbei. Die im Bereich Entsorgung medizinischer Sonderabfälle tätige Firma wurde 1989 gegründet. Nach Angaben von Geschäftsführerin Silvia Aerni ist Spiromed seit der Jahrtausendwende hier auf dem ehemaligen Maloya-Areal domiziliert und glücklich, dass es hier «wie ein kleines, buntes Dorf funktioniert und alle freundlich miteinander umgehen». Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 24 Mitarbeitende.
– Gut halb so viele Mitarbeitende wie Spiromed beschäftigt die Häfelfinger Werbetechnik AG von Marc Häfelfinger. Die Firma ist seit 2013 in einem Gebäude, in dem Maloya früher imprägniert hat.
– Die Firma Studer Clean hat sich in den Bereichen Feuer- und Wasserschadensanierung, Spezialreinigung, Dekontamination, Lüftungs- und Industrieapparatereinigung einen Namen geschaffen. Gemäss Inhaber Gregory Hemmig arbeitet Studer Clean etwa für die Pharmaindustrie, für Endress & Hauser und Weitere. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 32 Mitarbeitende.
Am Hang oberhalb von Hemmigs Reich trohnt der Ribi-Hof; es ist ihm anzusehen, dass er schon lange nicht mehr bewohnt ist.
Zum Schluss unserer Spurensuche statten wir Nicolas Albrecht am Maloyaring 1 einen Besuch ab. Weil er vor Jahrzehnten, als er seinen Fotoladen aufbaute, hier im Maloya-Areal noch als Securitas-Mitarbeiter Dienst tat, kaufte er vor 12 Jahren kurz entschlossen zwei Hallen und gründete Albrecht Immobilien. In der einen Halle sind Elektro Herzog, Patrick Ammann und Crossfit eingemietet, in der zweiten Halle hat er
– wie er sagt – sogenannte «Schrauberboxen» eingerichtet.
In den einzelnen Boxen, jeweils mit grossen Türen auf Rollen zu öffnen, haben sich die unterschiedlichsten Bastler, «Schräubler» und Modellbauer eingerichtet. Nikki Albrecht selber lagert in einer Box seine Bob-Fahrzeuge, in einer anderen steht sein Rennauto, mit dem er hie und da auch Rennen bestreitet. Schliesslich, sagt er, sei dieser Bolide kein Stehzeug, sondern ein Fahrzeug.
Wir bitten um Verständnis, dass nicht restlos alle Firmen erwähnt werden, die heute auf dem Maloya-Areal zu Hause sind.
Schluss der Serie. Bisher erschienen: «Dank rostigem Nagel zum Reifenhersteller» («Volksstimme» vom 7. September); «Man muss das Fahren im Füüdle spüren …» («Volksstimme» vom 21. September 2023).