Luana Pricoli schiesst Sissach an die Tabellenspitze

Die Zweitligistinnen des SV Sissach führen die Tabelle gleich in doppelter Hinsicht an: einerseits in der Meisterschaft und andererseits mit Luana Pricoli auf der Skorerliste der Liga. Doch wer ist die Frau, die für Sissach Tor um Tor schiesst? Ein Porträt.

Luana Güntert

Wenn Luana Pricoli für ihren SV Sissach die Fussballschuhe schnürt, hat der Verein eine «Tor-Garantie». Es vergeht praktisch kein Spiel, in dem die 23-Jährige nicht trifft. Wobei sie auch selten «nur» ein Tor erzielt und schon nur im vergangenen Halbjahr einige Hattricks verbuchen konnte. So erstaunt auch der Fakt nicht, dass Pricoli in der noch jungen Saison die Torschützinnenliste in der 2. Liga anführt.

Bei einem Besuch auf dem Tannenbrunn merkt man schnell, dass Pricoli nicht nur gut Fussball spielen kann, sondern auch, dass ihr der SV Sissach am Herzen liegt. «Mit sechs Jahren begann ich hier mit dem ‹Schutte›», sagt die heute 23-Jährige. Sei es unten auf dem Hauptplatz oder oben beim Klubhaus, Pricoli kennt und begrüsst alle.

Jugend beim FCB
Der Tannenbrunn war jedoch nicht immer das sportliche Zuhause der Sissacherin, die heute in Zunzgen lebt. Nachdem sie als Kind und Jugendliche die Juniorenstufen des SVS durchlaufen hatte, wechselte die talentierte Stürmerin zum FC Basel in die U17. «Nach zwei, drei Jahren bekamen wir beim FCB einen neuen Trainer», sagt sie und betont die Relevanz der verantwortlichen Personen. «Bei solchen Vereinen kommt es neben dem Können auch darauf an, ob der Trainer einen mag.» Da der neue Coach Pricoli nicht zu seinen Lieblingen zählte, war die Zeit der jungen Sissacherin in Basel bald abgelaufen.

Pricolis Weggang beim FCB öffnete ihr neue Türen. Der FC Therwil führte zu dieser Zeit ein Frauenteam in der Nationalliga B und fragte sie an. Da der Verein im Leimental mit einer hohen Fluktuation zu kämpfen hatte, spielte Pricoli in einem neu zusammengestellten Team, das sich erst finden musste und somit nicht mit dem Niveau der Konkurrenz mithalten konnte. «Nach einem Jahr bei Therwil entschied ich mich dann, nach Sissach zurückzukehren.»

Aufwand und Ertrag
Auch wenn sich die Kauffrau beim SV Sissach sehr wohlfühlt, ist sie Angeboten aus anderen Vereinen grundsätzlich nicht abgeneigt. Vor Kurzem wurde sie angefragt, ob sie sich den Nati-B-Frauen des FC Solothurn anschliessen möchte. «Ich habe aber den nötigen Aufwand mit dem möglichen Ertrag verglichen und abgesagt», sagt Pricoli. Da im Frauenfussball ausser in der obersten Liga in der Regel kein Gehalt bezahlt wird, hätte sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit bei einer Versicherung in Reinach und dem Hinund Herfahren einen riesigen Aufwand leisten müssen, was sich in ihren Augen nicht gelohnt hätte.

«In Sissach haben wir ein tolles Team und mein Partner ist hier», sagt Pricoli. Mit Patrick Ivanovic haben die Sissacher Frauen nicht nur einen motivierten Trainer gefunden, sondern Pricoli auch einen Lebenspartner. Gekannt haben sie sich aber schon vor ihrer gemeinsamen sportlichen Laufbahn. «Wir haben uns in der Lehre bei der Allianz kennengelernt», erzählt sie. Damals war Ivanovic Co-Trainer beim Möhliner Klub NK Pajde. Als dann der Trainer der Sissacher Frauen sein Amt niederlegte, fragte sie spontan ihren Freund an, ob er nicht Lust hätte, einmal ein Frauenteam zu coachen. «Und so wurde er mein Trainer», sagt sie und lacht.

Sportskanone
«Ich setze mich gerne durch», sagt Pricoli weiter. Sie sehe ihre Stärke neben dem Toreschiessen darin, ihren Körper im Kampf um den Ball gekonnt einsetzen zu können. Sie betont aber, dass es für Tore nicht nur den letzten Schuss braucht, sondern auch die guten Pässe ihrer Mitspielerinnen. «Verteidigen kann ich hingegen nicht so gut», sagt die 23-Jährige, die bis auf ein paar Einsätze auf dem Flügel immer im Sturm gespielt hat. «Ich warte lieber vorne auf die Bälle und verarbeite sie dort, als sie hinten zu holen.»

Neben den Trainings auf dem Fussballplatz mit dem Team oder Einzeltrainings mit ihrem Partner verbringt Pricoli viel Zeit im Fitnessstudio. Drei- bis viermal pro Woche trainiert sie in der Fitness Factory in Liestal. «Ich bin schon sehr sportlich», sagt sie und lacht. Zu viel wird es ihr neben dem 100-Prozent-Job nicht. «Sport mache ich abends und so komme ich zu genug ‹Me-Time›.» Zudem finde ihre Regeneration im Schlaf statt, sagt sie. Als ihr sportliches Vorbild sieht sie Lionel Messi: «Er ist eine Legende. Ich bin froh, dass ich ihn als Fussballer noch erleben durfte.»

Sissacher Frauen im Hoch
Während das «Äis» der Sissacher Männer nach dem Abstieg in der 3. Liga hartes Brot zu beissen hat, läuft es den Sissacherinnen optimal. Nicht nur hat der Verein in der Region wohl die grösste Abteilung im Mädchen-, Aktiv- und Seniorinnenfussball, auch das Fanionteam zeigt Woche für Woche sein Können und grüsste vor dem Spiel gestern nach Redaktionsschluss mit sieben Siegen aus acht Spielen vom Tabellenthron. Pro Spiel haben die Zweitligistinnen durchschnittlich fünf Tore erzielt.

«Wir haben einen super Teamzusammenhalt», sagt Pricoli. Das Team teile auch viele Emotionen unter sich, was bei den Männern eher schwierig sei. «Zwischen den Spielerinnen gibt es einen grossen Altersunterschied und trotzdem verstehen wir uns super.» Auch mit Spielerinnen aus anderen Teams tausche sich das «Äis» der Frauen regelmässig aus und man treffe sich auf dem Tannenbrunn. Zudem wird unter den Frauenteams auch im Meisterschaftsbetrieb ausgeholfen, sollte ein Team einmal nicht genügend Spielerinnen zur Verfügung haben. Nach einem Heimspiel bestellen die Frauen meistens Pizza und verbringen den Abend im Klubhaus. «Manchmal gehen wir auch zusammen in den Ausgang. So etwas tut uns als Team gut», sagt Pricoli.

Für die Sissacherinnen ist der Aufstieg in die 1. Liga das grosse Ziel. «Momentan sind wir aber noch nicht so weit und müssten, um in der 1. Liga mithalten zu können, sicher noch einige neue Spielerinnen bekommen», sagt Pricoli. Bis dahin dürfen die Sissacherinnen aber vom Aufstieg träumen und ihren Platz an der Tabellenspitze geniessen – auch dank der Tore ihrer Topskorerin.

«Verteidigen kann ich nicht so gut»

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