Unkonventionelle Kunstausstellung
12.09.2023 Reigoldswil15 lokale Kunstschaffende präsentieren ihre Werke beim Dorfplatz
Bis kommenden Sonntag noch ist der Reigoldswiler Dorfplatz eine Entdeckungsreise durch das heimische Kunstschaffen. In den Ladenschaufenstern hängen oder stehen Bilder, Skulpturen, Intarsien oder textile Werke und in ...
15 lokale Kunstschaffende präsentieren ihre Werke beim Dorfplatz
Bis kommenden Sonntag noch ist der Reigoldswiler Dorfplatz eine Entdeckungsreise durch das heimische Kunstschaffen. In den Ladenschaufenstern hängen oder stehen Bilder, Skulpturen, Intarsien oder textile Werke und in der Mitte des Platzes etwa ein «Hungertuch» und eine «Weltscheibe». Initiant der Ausstellung ist der Verschönerungsverein.
Andreas Hirsbrunner
Es ist ja nicht so, dass Reigoldswil künstlerisches Brachland wäre. Erwähnt seien nur ein paar Aushängeschilder wie der Bildhauer Jakob Probst oder der Musiker und Komponist Klaus Huber – und aktueller der Sänger und Songwriter Florian Schneider oder der Slam-Poet und Kabarettist Dominik Muheim.
Dass es aber unter dieser weit über das Dorf hinaus leuchtenden Spitze auch noch eine breite, kreative Basis gibt, wissen die wenigsten. Diese Basis ans öffentliche Licht zu holen, machte sich der Verschönerungsverein Reigoldswil zur Aufgabe.
Dabei wagte ein siebenköpfiges Organisationskomitee unter Leitung von Ursula Zindel zumindest regional etwas ganz Neues: eine Ausstellung mit den Werken von 15 Künstlerinnen und Künstlern aus den unterschiedlichsten Bereichen rund um den Dorfplatz. Einzige Bedingung war, dass die Ausstellenden aus Reigoldswil sind respektive ihr Atelier hier haben.
Das Experiment stiess bei der Eröffnung vergangenen Samstag auf grosses Interesse. Zindel konnte zur Vernissage vor dem Restaurant Bistrosi um die 80 Personen begrüssen: «Ich bin ganz überrascht und freue mich sehr, dass so viele Leute hier sind.» Ähnlich tönte es auch aus dem Mund von Gemeinderätin Corinne Castioni, die den Künstlerinnen und Künstlern dankte, dass sie sich so fürs Dorf einsetzten. Und deren Vertreterin Michèle Meyer meinte, im eigenen Dorf auszustellen sei etwas anderes als vor Fremden.
Da sei einem schon wichtig, was die Leute denken. Wobei Meyer bereits eine gewisse Erfahrung damit hat, sich zu exponieren. Ihr grossflächiges «Hungertuch», das sie jetzt auf dem Reigoldswiler Dorfplatz ausstellt, begann sie vor fünf Jahren vor dem Regierungsgebäude in Liestal.
Auch Provokationen haben Platz
Während mehrerer Monate legte Meyer vor den Landratssitzungen den Stoffteppich, dessen Grundlage verschiedene alte Bettüberzüge sind, jeweils vor dem Eingang aus und nähte daran live weiter, sodass die Landrätinnen und Landräte zur Sitzung darüber gehen mussten – die einen widerwillig, die andern schmunzelnd, wie sie erzählt. Sie habe damit gegen den damaligen Sparkurs mit Abbau im Sozialbereich protestieren wollen.
Provozieren will auch Bruno Jutzi mit der ausgestellten grossen, gelöcherten Eisenscheibe, die einst dem Filtern von Sand diente. Er hat darauf die verschiedenen Kontinente skizziert und darüber die berühmten drei Affen gesetzt, die sich Ohren, Augen und Mund zuhalten, und das Ganze mit «Weltkugel oder doch Scheibe?» betitelt. Es soll für die Ignoranz stehen, an der die Welt kaputtgehe, erläuterte Jutzi. Er hat rund um den Dorfplatz noch weitere Werke vor allem aus Abfallmaterialien ausgestellt.
Der Rundgang nach der Begrüssung, bei dem die meisten Künstler präsent waren, offenbarte noch viele weitere Geschichten hinter den Kunstwerken. Ein paar seien willkürlich herausgegriffen: Kurt Gschwind (77) hat fast ein halbes Jahrhundert lang Kurse an der Kunstgewerbeschule besucht und sich so sukzessive in die Malerei vertieft, die ihm als Ausgleich zum anspruchsvollen Berufsleben – er leitete die Lehrlingsausbildung in einem Grossbetrieb – diente. Entstanden ist eine grosse Vielfalt an Aquarellen und Acrylbildern.
Vom Pistolenmacher bis zum Pfarrer
Oder Urs Wagner. Der gelernte Feinmechaniker widmet sich seit der Pensionierung vor allem Arbeiten mit Holz. So projiziert er in einem aufwendigen Verfahren bekannte Bilder wie etwa «Die Gotthardpost» auf Furnierplatten, schnitzt eine breite Palette vom Sackmesser bis zum Pferdeschlitten im Spielzeugformat und hat eine französische Steinschlosspistole Modell 1805 von A bis Z nachgebaut: «Mein Traumberuf war Büchsenmacher. Das ist jetzt mein Meisterstück.»
Oder Andreas Olbrich, der spezielle Bilder ausstellt: Er hat Kirchen in der Schweiz und in Deutschland indirekt via Schaufenster mit Werbesprüchen fotografiert, und zwar so, dass auf jedem Kirchenbild ein Wort steht. Das ergibt bei der ausgestellten Fotoserie die Botschaft «Bei uns / Liebe / Zeit / luck / sol / Licht / Weg / Frieden». Was doch ganz gut zu einem Pfarrer passt.
Die Idee, Kunstwerke von Einheimischen in den Schaufenstern der Geschäfte rund um den Dorfplatz sowie in dessen Mitte auszustellen, ist schon älter. Doch war es der früheren Präsidentin des Verschönerungsvereins, Sabine Schaffner, nicht mehr vergönnt, sie umzusetzen; sie starb vor bald zwei Jahren. Vergangenen Herbst griff deshalb ihre Nachfolgerin Ursula Zindel die Idee nochmals auf und suchte per Inserat im «Reigetschwyler Bott» Kunstschaffende. Als Folge des grossen Interesses habe man dann ein OK zur Vorbereitung gebildet, blickt Zindel zurück. Die Ausstellung dauert bis kommenden Sonntag. Etliche Werke können käuflich erworben werden.