Königliche Fussabdrücke

  19.09.2023 Nachtcafé, Gelterkinden, Nachtcafé

Schwingerkönig Christian Stucki im «Nachtcafé» vor Rekordkulisse

Gut 200 Gäste wurden beim ersten «Nachtcafé» im Gelterkinder «Marabu» seit fast 20 Jahren gezählt. Schwingerkönig Christian Stucki sorgte für eine Rekordkulisse und bewies, dass er seine einzigartige Popularität nicht alleine seinem Palmarès verdankt.

Jürg Gohl

Denkwürdiges in der nunmehr 25-jährigen Geschichte des «Nachtcafés» hat sich am 3. Februar 2004 ereignet: Der junge «Musicstar» Baschi war als Gesprächsgast angekündigt. Weil sich so viele Zuhörer und vor allem Zuhörerinnen den Auftritt des Barden mit der lockeren Zunge nicht entgehen lassen wollten, musste der Schauplatz Hals über Kopf von Sissach ins «Marabu» nach Gelterkinden verlegt werden, also in die Wohngemeinde des Sängers.

Wohl gastierte die Reihe am 30. September – fünf Tage nach der legendären Wiedervereinigungs-Abstimmung – an der Gewerbeausstellung in Thürnen, doch das «Marabu» musste fast 20 Jahre darauf warten, wieder als Schauplatz eines «Nachtcafés» dienen zu können. Der komplett sanierte Kinosaal erwies sich am vergangenen Donnerstag als geradezu idealer Ort für den königlichen Besuch.

Flirt mit dem Publikum
Wie die Veranstalter hinterher schätzten, erschienen «gut 200 Gäste» zum Gespräch mit dem wohl populärsten Schwingerkönig, und das «Marabu» empfahl sich für weitere Durchführungen mit ähnlich grossem Publikum, auch wenn diese Marke kaum mehr zu übertreffen sein wird.

Im einstündigen Gespräch legte Christian Stucki mehrfach Zeugnis dafür ab, weshalb er eine selbst für Schwinger aussergewöhnliche Popularität geniesst. Der Sieger des «Eidgenössischen» in Zug vor vier Jahren ist schlagfertig und darüber mit einer so grossen Portion Selbstironie ausgestattet, wie sie in der manchmal etwas selbstverliebten Schwingerszene selten anzutreffen ist. Auf das Flirten mit dem Publikum versteht er sich.

Noch vor seinem ersten Satz hatte er das Publikum ganz auf seiner Seite: Statt im «Mutz» trat er in kurzer Hose und im T-Shirt auf, und Moderatorin Anita Crain erklärte, dass ihr der Gast eben das Duzis angeboten habe mit der Erklärung: «Weisch», bei den Schwingern gebe es kein Sie. Er setzte sich auf die Holzbank, nicht auf den schmaleren Stuhl: «Ich nehme an, dass der Stuhl eher für dich gedacht ist.» Der erste Lacher, viele weitere sollten folgen.

Die Moderatorin schickte gleich voraus, selber Laiin zu sein und bisher nie ein Schwingfest besucht zu haben. Dem Gespräch geriet dies allerdings nur zum Vorteil: Statt sich einen Schlagabtausch mit den hinlänglich bekannten Fachausdrücken zu liefern, wurde ein munteres, unterhaltendes Gespräch geführt. Stucki riet ihr übrigens, es einmal mit einem «Kantonalen» in der Region zu versuchen und nicht gleich bei einem «Eidgenössischen» einzusteigen. Das könnten sich auch die zahllosen Leute vornehmen, die sich im vergangenen Jahr darüber echauffierten, kein Billett für «Pratteln» erhalten zu haben.

Die einfühlsame Seite
Doch der Stucki Chrigel, wie die Insider den Hünen nennen, kann auch ernst und sensibel sein: Er schildert, dass sich sein Sohn ebenfalls für das Schwingen entschieden hat und der Vater nun befürchtet, dass er ihm zu grosse «Fussstapfen» vorgegeben habe. Bewusst wählte er dieses Wort, denn kurz zuvor hatte er erzählt, dass die Schuhgrösse 51 ihn daran gehindert habe, in einem Verein Fussball zu spielen. Nicht nur deshalb habe ihm als Kind seine aussergewöhnliche Körpergrösse nicht immer nur Freude bereitet.

Seit er diesen Sommer mit seinem Sieg am «Seeländischen» seine Karriere beendete, hat der siebenfache «Eidgenosse» 25 Kilogramm abgespeckt. Sein Wettkampfgewicht, es dürfte bei 150 Kilogramm gelegen haben, verriet er nie, sondern verschleierte es immer mit «von der Saisonphase abhängig». Stucki kann aber auch sehr pointiert und offen argumentieren, wenn es zum Beispiel um die Absprache in seinem letzten Schlussgang, um das Schicksal seines in Zug gewonnenen Munis Kolin oder um den Amateurstatus von Schwingern geht. «Wir sind Spitzensportler in einer sehr populären Sportart», sagt er und fragt in die Runde: «Weshalb sollen wir als Hauptdarsteller daran nicht teilhaben?»

Der Name der Königin
Natürlich wollte Anita Crain auch noch Christian Stuckis Meinung zu den schwingenden Frauen abholen und fragte ihn dabei auch nach dem Namen der eben gekürten offiziellen Schwingerkönigin. Der Gast konnte ihn nicht nennen. Doch es zeigte sich, dass ihn auch das Publikum grösstenteils nicht kannte. Hinter Angela Riesen folgte übrigens eine Zunzgerin namens Franziska Rickenbacher gleich im zweiten Rang.

Eine Frau steht dafür im Mittelpunkt, wenn das «Nachtcafé» nach Sissach zurückkehrt: Am Donnerstag, 16. November, sitzt «Tagesschau»- Moderatorin Andrea Vetsch im «Cheesmeyer» auf dem Podium. Auch für sie sind die vorgegebenen Fussstapfen gross, und die Frage nach dem richtigen Stuhl wird dann eine berechtigte sein.


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