CARTE BLANCHE
29.09.2023 PolitikDer Dienst für die Allgemeinheit im Wandel
Manuel Ballmer, Landrat GLP, Lupsingen
In unserer Schweizer Bundesverfassung ist Folgendes verankert: «Jede Person nimmt Verantwortung für sich selber wahr und trägt nach ihren ...
Der Dienst für die Allgemeinheit im Wandel
Manuel Ballmer, Landrat GLP, Lupsingen
In unserer Schweizer Bundesverfassung ist Folgendes verankert: «Jede Person nimmt Verantwortung für sich selber wahr und trägt nach ihren Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft bei.» Wieso gelangt die Schweiz mit ihren Miliz-Institutionen je länger, desto mehr an ihre Grenzen?
Die Beteiligung bei Wahlen, bei der Feuerwehr, der Gemeindekommission, dem Beitritt in eine Partei oder dem Blutspenden beim Roten Kreuz ist seit Jahren rückläufig. Sowohl staatstragende Institutionen als auch viele kleinere, aber gesellschaftlich relevante Vereine, Stiftungen und Körperschaften, die in ihrer Summe das Rückgrat unseres öffentlichen Lebens bilden, beklagen das Problem fehlender Bürgerbeteiligung. Beispielsweise musste in Kilchberg die Gemeinderatsvakanz durch eine vom Regierungsrat eingesetzte Gemeinderats-Statthalterin besetzt werden.
Woher rührt diese Veränderung? Zusehends findet ein Wertewandel statt, hin zu einer individuellen Lebensweise ohne Verpflichtungen. Die Werte unserer Gesellschaft ändern sich, und das ist auch nicht zu verurteilen. Die Frage, die sich stellt, ist vielmehr: Wie gehen wir damit um als Gesellschaft und speziell bei den öffentlichen Institutionen, die auf der Bürgerbeteiligung fussen?
Natürlich darf auch die Frage aufgeworfen werden, was diesen Wandel weg von Engagement für die Gemeinschaft und hin zu zunehmender Individualität antreibt und wie wir dieser Entwicklung gegensteuern können – damit eine Balance gefunden werden kann zwischen individueller Freiheit, Eigenverantwortung und Einsatz für die Gemeinschaft. Hinsichtlich einer Vielzahl komplexer Probleme – Kriege, Klimawandel und so weiter – ist bei vielen Menschen wohl auch eine gewisse Ohnmacht spürbar, vor der man sich durch Desinteresse schützt. Dabei kann gerade das Engagement in einem Verein, in einer Partei oder in der Gemeindekommission dazu beitragen, das Gefühl von Zusammenhalt zu stärken und Teil der Veränderungen zu sein, die diese Institutionen bewirken.
Aktuell werden Unterschriften gesammelt für die «Service Citoyen»-Initiative. Sie möchte eine allgemeine Pflicht für einen Gemeinschaftsdienst anstelle einer Wehrpflicht für junge Männer. Die Initiative fordert, dass jeder junge Mensch als Teil der Grundausbildung einen zeitgemässen Einsatz zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leistet. Dies, um dem Zerfall der Milizsysteme, als Garant für ein gutes und sicheres Zusammenleben in der Schweiz, entgegenzusteuern.
Es ist der Wertewandel, der die Politik zwingt, unsere Gesetze den Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld anzupassen. Fehlt das Engagement und verliert das Milizsystem weiter an Rückhalt, dann fallen grundlegende Strukturen eines guten Zusammenlebens auseinander. Die «Service Citoyen»-Initiative ist eine mutige Lösung und fordert eine sinnvolle Anpassung unserer Regeln für das Funktionieren der Gemeinschaft und unseres schweizerischen Milizsystems. Deshalb unterstütze ich die Initiative «Service Citoyen».
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.