Bären am Wasserdost

Andres Klein

Von Juli bis in den September kann an feuchten Waldrändern, Waldstrassen und in Sumpfwiesen ein grosswüchsiger Körbchenblütler recht häufig beobachtet werden. Die Pflanze wird bis 2 Meter hoch. In der Regel ist sie aber etwas niedriger. Die Stängel sind dicht beblättert und mit kurzen Haaren bewachsen, die Blätter gezähnt und drei bis fünfteilig. Die Blütenköpfe wachsen in mehreren Gesamtblütenständen. In den unzähligen Blütenköpfen wachsen je nur vier bis sechs rosarote Röhrenblüten. Aus diesen ragen die zwei Äste des gespaltenen Griffels wie zwei lange Finger hervor. Die Samen sind wie bei vielen Körbchenblütlern sehr klein und hängen an einem kleinen Schirm, der Pappus genannt wird. So kann der Wind die Samen dorthin verfrachten, wo er will.

Der Wasserdost ist ursprünglich eine europäische Pflanze, wächst aber in Teilen Nordamerikas und Asiens als Neophyt. Er ist eine wichtige Raupen- und Nektarpflanze für Schwebfliegen und Schmetterlinge. Besonders beliebt ist er bei Schmetterlingen, die einen kurzen Saugrüssel haben. So gelangen auch sie zum begehrten Nektar in den relativ kurzen Blüten. Im Spätsommer können deshalb gute Fotos der Blütenbesucherinnen gemacht werden. Der Kleine Feuerfalter oder die Grosse Sumpfschwebfliege kommen gerne vorbei. Sogar der Grosse Kaisermantel besucht manchmal in Scharen die unzähligen Blüten. Heute bieten verschiedene Gärtnereien diese dekorative Pflanze auch als Gartenpflanzen an, weil sie für Tag- und Nachtfalter so attraktiv sind.

Besonders schön ist es, wenn die Bären am Wasserdost nippen und dies nicht nur in Norditalien oder dem Engadin, sondern auch bei uns im Tafeljura. Keine Angst, es ist nicht der Braunbär, sondern der Russische Bär, der zu den Bärenspinnern gehört. Dieser Bär ist völlig ungefährlich für Mensch und Tier. Seine Raupen ernähren sich unter anderem von Brom- und Himbeeren. Ältere Raupen bevorzugen eher derbere Kost, nämlich die Blätter von Bäumen und Sträuchern. Diese Nachtfalter besuchen die Blüten des Wasserdostes tagsüber, wenn die Blüte geöffnet ist. Dann können sie mit ihren langen Rüsseln den Nektar ansaugen. Der Russische Bär gehört zu den Bärenspinnern, weil seine Raupen ein Gespinst auf der Futterpflanze aufbauen, in dem sie sich vor den hungrigen Vögeln etwas schützen können.

Der Wasserdost bildet in seinen Blättern Giftstoffe aus, die ihn eigentlich vor Frassfeinden schützen sollte. Der Russische Bär hat kein Problem mit diesen Giftstoffen, die wie Morphin oder Coffein zur Gruppe der Alkoloide gehören. Er kann ihn in seinem Körper anreichern, ohne dass er ihm schadet. Dafür ist dann die Raupe giftig für ihre Fressfeinde. Für uns Menschen ist der Wasserdost ebenfalls giftig. Er schädigt unsere Leber.

Der Name des Wasserdostes enthält den Wortteil Dost, weil die Blüten bei ungenauem Hingucken in Form und Farbe ähnlich zu der des Echten Dostes sind. Der Name geht möglicherweise zurück auf das spätmittelalterliche Wort «doste», das Strauss oder Büschel bedeutet.

Andres Klein ist Botaniker. Er lebt in Gelterkinden.

AHNIG VO BOTANIK

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