Nervenkitzel beim Fällen
24.08.2023 WaldenburgVon der Gymnasiallehrerin zur Forstwartin
Seit gut einem Jahr absolviert die 38-jährige Magdalena Sigg als studierte Gymnasiallehrerin eine Lehre als Forstwartin und möchte mit niemandem tauschen.
Elmar Gächter
Es ist eine grosse Wahrscheinlichkeit, Magdalena ...
Von der Gymnasiallehrerin zur Forstwartin
Seit gut einem Jahr absolviert die 38-jährige Magdalena Sigg als studierte Gymnasiallehrerin eine Lehre als Forstwartin und möchte mit niemandem tauschen.
Elmar Gächter
Es ist eine grosse Wahrscheinlichkeit, Magdalena Sigg auf dem steilen Jägerweglein zwischen Reigoldswil und Wasserfallen anzutreffen. Es zählt zu einer ihrer Lieblingsstrecken, wenn sie trainingshalber als Bergläuferin unterwegs ist. Nicht mehr so ambitioniert wie auch schon, als sie an Wettkämpfen bis zu 100 Kilometern Länge teilgenommen hat. Doch dies hat seinen Grund. Vor rund einem Jahr hat sie eine Lehre als Forstwartin angetreten und sagt von sich selber: «Wenn ich abends vom Beruf heimkomme, bin ich meistens müde und es fehlt mir die Energie, mich so intensiv wie früher dem Laufsport zu widmen.» Die in Reigoldswil wohnhafte Aargauerin zählt zu jenen Spätberufenen, die mit 37 Jahren ihr Berufsleben vollkommen auf den Kopf gestellt und einen in jeder Hinsicht neuen Weg beschritten haben.
Seit ihrem Studium an der Uni Basel hat Magdalena Sigg in Wohlen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in Mathematik unterrichtet. Glücklich war sie bei ihrer Lehrtätigkeit schon längere Zeit nicht mehr: «Es muss doch etwas geben, das mich mehr begeistert.» So wuchs nach und nach ihr Interesse am Wald und nicht zuletzt der Wunsch, handwerklich tätig zu sein. Verschiedene Schnupperlehren in Forstbetrieben nährten ihre Überzeugung, dass ihre berufliche Zukunft im Forst liegt. «Ich hatte sehr grossen Respekt vor dem Neuanfang», erinnert sie sich. Nach einem dreimonatigen Praktikum startete sie im November 2022 etwas verspätet in ihre dreijährige Lehre als Forstwartin beim Forstbetrieb Frenkentäler. Sie hätte von ihrer Erstausbildung her auch eine verkürzte Lehrzeit wählen können, war sich aber bewusst, dass die Praxis bei diesem Beruf sehr wichtig ist und sie keine Vorkenntnisse mit in die Lehre brachte.
«Ich bin von Anfang an sehr gut vom Team aufgenommen worden. Auch, dass ich als Frau diesen Beruf ergriffen habe, war nie ein Thema im Betrieb», sagt Sigg. Sie zieht eine sehr positive Bilanz nach ihrem ersten Lehrjahr. Dass sie einen sehr breit gefächerten Beruf erlerne, sei ihr von allem Anfang an bewusst gewesen, die Praxis zeige sich jedoch noch wesentlich vielseitiger. Sie habe das Glück, in einem sehr innovativen Betrieb zu arbeiten, dessen Tätigkeit weit mehr als die klassischen Forstarbeiten umfasse. Überraschend, mindestens aufs Erste, ist ihre Aussage, dass sie an ihrem neuen Beruf vor allem der körperliche Einsatz reize. «Klar spüre auch ich die anstrengende Arbeit, vor allem im steilen Gelände. Wir tragen mit Motorsäge, Spalthammer und anderen Geräten doch gegen 20 Kilo Material mit uns», so Sigg. Dass sie seit vielen Jahren Krafttraining betreibt, erwähnt sie nur nebenbei.
Sie schätzt vor allem ihre Arbeit im Forst und dabei insbesondere die Holzerei. «Es ist jedes Mal ein Nervenkitzel dabei, wenn ich einen Baum fälle. Man hat dabei mögliche Gefahren im Hinterkopf und es funktioniert nicht immer so, wie ich es mir vorstelle. Es kann durchaus vorkommen, dass ein Baum nicht genau dort hinfällt, wie es geplant war.» Gefährliche Situationen habe sie bisher jedoch noch keine erlebt. Dies hänge auch stark vom Einhalten der strengen Sicherheitsvorschriften ab. Weniger Freude bereitet ihr das Reinigen von Schächten und Rinnen beim Wegund Strassenunterhalt.
Ungewohnte Berufsschule
Als etwas ungewohnt beschreibt sie ihre ersten Stunden in der Berufsschule mit den wesentlich jüngeren Kolleginnen und Kollegen. «Ich fühlte mich jedoch schnell sehr wohl unter ihnen und verstehe mich mit allen gut», sagt sie und erwähnt, dass mit ihr auf der Schulbank eine weitere Quereinsteigerin, ebenfalls in ihrem Alter, sitze. Die Unterschiede zu ihrer Zeit als Pädagogin am Gymnasium Wohlen sieht Magdalena Sigg einerseits im guten Zusammenspiel zwischen der Praxis im Betrieb und der Theorie in der Schule. Die grösste Differenz zeige sich jedoch im Interesse der Berufsschülerinnen und -schüler. «Hier wissen alle, weshalb sie auf der Schulbank sitzen.»
Ihre berufliche Zukunft nach dem Lehrabschluss sieht Sigg ganz klar bei der Arbeit im Forst. Sie will neue Betriebe kennenlernen, allenfalls auch im Ausland. Wichtig sei, so die angehende Forstwartin, dass man sich laufend fort- und weiterbilde, um stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. Vorstellen kann sie sich, in einem Betrieb als Ausbildnerin tätig zu sein, wo sich ihre pädagogische Grundausbildung als vorteilhaft erweisen könnte. Karriere machen ist nicht ihr Ziel. «Wichtiger ist mir, beruflich irgendwo zu Haus zu sein und interessante Arbeiten ausführen zu können.» Im Übrigen könne sie jungen Leuten, auch Mädchen, nur raten, den Forstwartberuf zu ergreifen. «Wichtig ist, dass man sich vorgängig sehr gut informiert und wenn möglich an verschiedenen Orten schnuppert. Forstwartin ist eine anstrengende und zeitweise gefährliche Arbeit, vor allem aber eine sehr sinnvolle», so Sigg.