CARTE BLANCHE
25.08.2023 PolitikHomo Computatrum
Laura Grazioli, Landrätin Grüne, Sissach
Es ist Donnerstagnachmittag und mein Notebook steigt aus. Endgültig aus. Eigentlich hätte ich eine «Carte blanche» schreiben sollen, stattdessen muss ich nun ...
Homo Computatrum
Laura Grazioli, Landrätin Grüne, Sissach
Es ist Donnerstagnachmittag und mein Notebook steigt aus. Endgültig aus. Eigentlich hätte ich eine «Carte blanche» schreiben sollen, stattdessen muss ich nun ein Elektrofachgeschäft aufsuchen. Als ich mit meinem abgewetzten Notebook und kaputtem Ladekabel daherkomme, sieht mich der Verkäufer halb mitleidig, halb spöttisch an. «Der ist ja komplett durch.» Ja, ich weiss, aber er hat bisher funktioniert. «Und ausserdem», sage ich kleinlaut, «habe ich nicht von allen Daten ein Backup.» Der Blick des Verkäufers wird ungläubig. «Echt jetzt?!». Echt jetzt. Ich bin davon ausgegangen, dass dieses Ding noch ein wenig länger hält.
Er lacht laut und ich überlege mir, ob ich mich umdrehen und gehen soll. Aber nein, ich muss ja eine «Carte blanche» schreiben. «Was habe ich denn für Optionen?» Einen neuen kaufen. Also klar, man könnte den Akku und das Netzteil ersetzen, aber das wäre fast so teuer wie ein neues Gerät. Ausserdem müsste man erst jemanden finden, der das alte Gerät reparieren würde. Die Gerätehersteller haben null Interesse an langlebigen Produkten, wie schlecht wäre das denn fürs Geschäft. Ein sieben Jahre altes Notebook? Das ist quasi ein Reptil aus der Vorzeit. «Dann muss ich wohl einen neuen kaufen», seufze ich.
Angesichts dieser Erkenntnis meinerseits wird der Blick des Verkäufers ein wenig freundlicher. Er führt mich zum Notebook-Regal und fragt: «Was muss er denn können?» Nicht viel, ich muss damit arbeiten können, in erster Linie schreiben. Er setzt ein Lächeln auf und fragt: «Ja, aber vielleicht möchten Sie auch ab und zu ein Filmli schauen?» Nein, das möchte ich eigentlich nicht. Also ja, klar schaue ich ab und zu ein Filmli, aber deshalb brauche ich kein spezielles Notebook. Es verschlägt ihm einen Moment lang die Sprache.
Als er sich wieder gefangen hat, zeigt er mir die Optionen und setzt dann nochmals an: «Sie könnten natürlich auch einen mit einem besseren Bildschirm nehmen, vielleicht möchten Sie ja dann trotzdem einmal etwas mehr Filmli schauen …» «Nein, dafür habe ich wirklich keine Zeit», sage ich, nun ein wenig schärfer. Aber diesmal hat er eine Antwort parat und sagt mit einem Grinsen: «Dann organisieren Sie sich falsch.» Und jetzt bleibt mir die Sprache weg. Ich zahle mein neues Notebook und gehe.
Mittlerweile ist es zu spät, um mit Schreiben zu beginnen, ich muss die Kinder abholen. Mir kommt ein Lied in den Sinn. Es heisst «Scare Away The Dark» und übersetzt klingen die Zeilen nicht halb so schön wie auf Englisch, aber sie gehen ungefähr so: Sing, sing aus voller Brust/Liebe, ohne Furcht in deinem Herzen/Fühle, als hättest du noch eine Wahl/ Wenn wir alle leuchten, können wir die Dunkelheit vertreiben …/Wir wünschen unsere Wochentage weg/Verbringen die Wochenenden im Bett/Wir trinken uns dumm/Und arbeiten uns tot …/Wir sollten durch den Wald rennen/Wir sollten im Meer schwimmen/Wir sollten lachen und weinen/Wir sollten lieben und träumen/ Wir sollten die Sterne anschauen und nicht unsere Bildschirme …/Wir haben Angst vorm Ertrinken, vorm Fliegen, vor Schüssen/Aber wir sterben alle langsam vor unsern verdammten Computern/Nun sing …»
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.