QUERPASS
28.07.2023 Fussball, SportWillkommen in Neuseeland
«Es sy alli so nätt.» In seinem Lied meint Franz Hohler dies zwar ironisch, und doch kommt es mir hier, am anderen Ende der Welt, immer wieder in den Sinn. Seit bald drei Wochen bin ich in Dunedin stationiert, einem Städtchen auf ...
Willkommen in Neuseeland
«Es sy alli so nätt.» In seinem Lied meint Franz Hohler dies zwar ironisch, und doch kommt es mir hier, am anderen Ende der Welt, immer wieder in den Sinn. Seit bald drei Wochen bin ich in Dunedin stationiert, einem Städtchen auf der Südinsel Neuseelands, direkt am Pazifik. 120 000 Menschen leben hier, und alle, alle sind sie … «so nätt». Echt jetzt! Im Restaurant, an der Réception, im Supermarkt, wo mir sämtliche Einkäufe säuberlich in eine Tasche verpackt werden: Überall sind sie freundlich, zuvorkommend und unkompliziert, die Neuseeländerinnen und Neuseeländer. Können es sich selbst kaum leisten, auswärts zu essen – und tun alles, damit Gäste sich wohlfühlen.
Schon am Morgen nach der Ankunft half Rik mir aus der Patsche, der über das Trainingsgelände der Schweizerinnen wacht. Betreten darf dieses nur, wer eine gültige Akkreditierung vorweisen kann. So will es die Fifa, welche die Frauen-WM organisiert. Nur hatte ich meinen Reisepass – geistig umnachtet, wie ich nach der über 30-stündigen Anreise war – im Hotel liegen gelassen. Und ohne Pass keine Akkreditierung. Doch Rik, der mich noch keine zwei Minuten kannte, war «so nätt» und händigte mir kurzerhand einen Gästepass aus.
Am Eingang zum Medienraum hält Holly einem freudestrahlend die Tür auf, immer für einen Schwatz zu haben, stets zur Stelle mit Tipps für Erkundungstouren. Täglich hat Holly zwölf Stunden da zu stehen, von sieben Uhr in der Früh bis sieben Uhr abends, bei Wind und Wetter. Kein Schleck im neuseeländischen Winter. Aber Holly bleibt munter. «Come on! It’s not cold», raunt sie lachend: Mit zehn Grad Celsius und kaum Regen seien dies milde Tage für Dunedin! Und ich bibbere. Item.
«So nätt.» In Tracys Fall ist das untertrieben. Oder würden Sie Wildfremde, die an Ihrer Tür klingeln, mir nichts, dir nichts hereinlassen? Genau dies tat Tracy. «Natürlich, kein Problem. Kommt rein!», sagte sie, ehe ich mein Anliegen formulieren konnte. Schon standen Kameramann Kay und ich verdutzt in ihrer Küche. Zwei Stunden lang waren wir durch die Stadt gefahren auf der Suche nach einer Stelle, von der aus wir das Stadion hätten filmen können. Als wir bereits aufgeben wollten, entdeckten wir in einer Quartierstrasse Tracys Terrasse – ideal für einen Dreh. Stracks klingelten wir – und trafen auf eine offene, spontane Frau. «Ihr seid jederzeit willkommen!», sagte sie zum Abschied. Genau so fühle ich mich hier am anderen Ende der Welt: willkommen.
Seraina Degen
Seraina Degen (36) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.