Verfahrensfehler mit Folgen
23.06.2023 NusshofZwei Gemeindeversammlungsbeschlüsse sind ungültig
Der Nusshöfer Gemeindepräsident Rolf Wirz äusserte während der letzten Gemeindeversammlung Bedenken über die Rechtmässigkeit einer aus dem Plenum beantragten und beschlossenen Vertragsänderung. ...
Zwei Gemeindeversammlungsbeschlüsse sind ungültig
Der Nusshöfer Gemeindepräsident Rolf Wirz äusserte während der letzten Gemeindeversammlung Bedenken über die Rechtmässigkeit einer aus dem Plenum beantragten und beschlossenen Vertragsänderung. Diese Skepsis hat sich nun bestätigt: Wintersingen und Nusshof müssen nochmals über die gemeinsame Gemeindeverwaltung abstimmen.
Thomas Faulstich
Der Vertrag für die Schaffung einer gemeinsamen Verwaltung mit der Gemeinde Wintersingen wurde an der letzten Gemeindeversammlung in Nusshof ausführlich diskutiert (siehe «Volksstimme» vom 16. Juni, Seite 4). Aus der Versammlung waren zwei Anträge formuliert worden. Einer davon wollte den Vertrag zurückweisen mit der Auflage, eine zweite Variante mit einer Zusammenarbeit mit Sissach auszuarbeiten und dann beide Varianten wieder der Versammlung vorzulegen. Dieser Antrag wäre rechtlich wohl korrekt gewesen, wurde von der Versammlung aber abgelehnt.
Der zweite Antrag forderte, dass im Vertrag eine Anpassung vorzunehmen sei, die festhält, dass die Höhe der Entschädigung, die Nusshof an Wintersingen leistet, alle zwei Jahre zu überprüfen sei. Dieser Antrag fand eine Mehrheit.
Nur Ja oder Nein möglich
Wie sich nun herausstellt, widerspricht dieses Vorgehen aber geltendem Recht. «Verträge mit anderen Gemeinden kann die Gemeindeversammlung nur genehmigen oder ablehnen. Anträge auf Änderungen sind nicht möglich», bestätigt Miriam Bucher von der Stabstelle Gemeinden des Kantons.
Das Gemeindegesetz regelt in Paragraf 47 die Befugnisse der Einwohnergemeindeversammlungen. Demnach unterliegen Verträge mit anderen Gemeinden lediglich der Genehmigung durch die Versammlung. Eine Genehmigung schliesst aus, dass die Versammlung daran Änderungen vornimmt. Im Gegensatz dazu unterliegt zum Beispiel das Budget der Beschlussfassung durch die Versammlung. Der Begriff Beschlussfassung beinhaltet auch die Möglichkeit – vor einer allfälligen Annahme oder Ablehnung –, Anpassungen in einzelnen Punkten vorzunehmen.
Diese Interpretation mag auf den ersten Blick als Wortklauberei erscheinen, zumal im vorliegenden Fall die Gemeindeversammlung von Wintersingen einen Tag später als Nusshof über den bereits angepassten Wortlaut, also den identischen Vertrag, abgestimmt hat. Die Unterscheidung wurde im Gesetz aber bewusst vorgenommen, unter anderem aufgrund einer rein praktischen Überlegung. Wenn es möglich wäre, dass einzelne Bestimmungen in fertig ausgehandelten und oft umfangreichen Verträgen durch die Gemeindeversammlung abgeändert werden könnten, würde eine Genehmigung sehr schwierig, da alle Änderungen jeweils auch wieder durch die Gemeindeversammlung der Partnergemeinde im gleichen Wortlaut genehmigt werden müssten. Dies könnte im Extremfall über viele Monate zu einem Verfahren führen, welches eher einem Pingpong-Spiel ähnelte. Kaum mehr durchführbar wäre unter diesen Voraussetzungen eine Vertragsgenehmigung, wenn mehr als zwei Gemeinden an einem Vertrag beteiligt sind, was durchaus häufig der Fall ist.
Abstimmungen wiederholen
Dieser kleine, aber entscheidende Unterschied im Gesetz führt nun dazu, dass die beiden Gemeindeversammlungen in Nusshof und in Wintersingen nochmals über den Vertrag abstimmen müssen. Der Gemeinderat von Nusshof informiert über den vorliegenden Sachverhalt und das weitere Vorgehen in einem Mitteilungsblatt, das heute Freitag an alle Einwohner und Einwohnerinnen verteilt wird. Die Gemeindeversammlung wird im September stattfinden. In Wintersingen wird die Gemeindeversammlung im Dezember nochmals über den Vertrag entscheiden.
«Da in Wintersingen an der Gemeindeversammlung keine Opposition gegen die gemeinsame Verwaltung bestand, sollte es kein Problem sein, den Vertrag erst im Dezember zu beschliessen», ist Gemeindeschreiberin Danièle Quenzer überzeugt. Das Projekt sollte durch diese «Ehrenrunde» daher mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht gefährdet werden und die angestrebte gemeinsame Verwaltung könnte im nächsten Jahr doch noch wie geplant zustande kommen.