Mit Ehrlichkeit gegen Populismus
13.06.2023 LangenbruckLesung, Gespräch und Diskussion im Kloster Schönthal
Wie vertragen sich Demokratie und Populismus? Wie sind da die gemachten Erfahrungen? Dieser Frage wurde in einer Lesung, mit einem Gespräch und anschliessender Diskussion mit Autor Jonas Lüscher und Philosophin Katrin ...
Lesung, Gespräch und Diskussion im Kloster Schönthal
Wie vertragen sich Demokratie und Populismus? Wie sind da die gemachten Erfahrungen? Dieser Frage wurde in einer Lesung, mit einem Gespräch und anschliessender Diskussion mit Autor Jonas Lüscher und Philosophin Katrin Meyer im Kloster Schönthal in Langenbruck nachgegangen.
André Frauchiger
Wie steht es mit dem zunehmenden Populismus in unserer Demokratie? Wie sind die Erfahrungen? Ist Populismus letztlich eine Gefahr für eine demokratisch orientierte Gesellschaft wie in der Schweiz? Der Trägerverein des Klosters Schönthal lud, zusammen mit dem Literaturhaus Basel und der Volkshochschule beider Basel, am vergangenen Sonntag zu einer Lesung, einem Gespräch und anschliessender Diskussion zum Thema «Demokratie und Populismus» in die Kirchengemäuer des bereits im Jahr 1146 erstmals urkundlich erwähnten Benediktinerinnenklosters Schönthal ein. Das Moderatorenteam Katrin Eckert, Intendantin des Literaturhauses Basel, und Adrian Portmann, Leiter der Volkshochschule beider Basel, führten die Gespräche einfühlsam.
Der 1976 in Schlieren bei Zürich geborene schweizerisch-deutsche Schriftsteller und Essayist Jonas Lüscher, der in beruflichen Etappen schon als Primarlehrer, Dramaturg, Stoffentwickler in der Filmwirtschaft in München gearbeitet und sich schliesslich dem Studium an der Hochschule für Philosophie München verschrieben hat, arbeitete nach dem Studium als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilian-Universität. Im Jahr 2011 gelangte er für die weitere wissenschaftliche Arbeit an die ETH Zürich und für neun Monate über den Schweizerischen Nationalfonds an die renommierte kalifornische Universität Stanford. Der Wissenschaft weiss er sich auch heute, seit 2013 als freiberuflicher Schriftsteller, nach wie vor verbunden, wenn auch mit einer gewissen Distanz.
Verzerrung der Wirklichkeit
Für Jonas Lüscher stellt der zunehmende Populismus in einer demokratischen Gesellschaft eine Bedrohung dar. Denn der gesellschaftliche Zusammenhalt drohe verloren zu gehen. Die Egoismen nähmen zu, jeder schaue für sich. Das Brutale, das grobschlächtige Maskuline nehme zu. Sehr muskulöse Männer mit groben «Stiernacken» und kleinem Geist seien – leider – wieder gesellschaftsfähig. Unsere Gesellschaft sei in den vergangenen Jahren von etlichen Krisen durchgeschüttelt worden – von den klimatischen Veränderungen über den Ausbruch von Corona bis zum Krieg in der Ukraine. Das sei nicht spurlos an den Menschen vorübergegangen. Lüscher, der an Corona sehr schwer erkrankt war, kennt die Höhen und Tiefen, die mit dieser Pandemie verbunden waren.
Der Autor plädierte am Sonntag weder für grossen Optimismus noch Pessimismus, was die Bewältigung der Zukunft angeht. Die Technik allein vermöge die Menschheit nicht zu retten, doch der Pessimismus, verbunden mit grossen Zweifeln, behindere das Denken und Handeln. Wichtig sei Ehrlichkeit, das ehrliche Erkennen, «dass wir in einer unordentlichen Welt leben». Populismus verzerre die Wirklichkeit. Das dürfe nicht sein. Für die Bewältigung der Zukunft gebe es in Europa, aber auch auf der ganzen Welt noch sehr viel zu tun.
Jonas Lüscher plädierte als Grundlage für das Bewältigen unserer Probleme für mehr Moral und Ethik. Eine demütige Haltung gegenüber der Natur, gegenüber dem anderen Menschen sei angebracht, und nicht das Herausstreichen des Heroischen. Dies versuche er auch in seinen Erzählungen, unter anderem im 2017 erschienenen Buch «Kraft», wofür er verschiedene Auszeichnungen erhielt, plausibel zu erklären. Denn: «Die Menschen brauchen sich gegenseitig, man lügt nicht.» Zum Schluss brach Lüscher auch eine Lanze für die Politikerinnen und Politiker: Diese seien oft einem Bashing ausgesetzt, das in diesem Ausmass nicht zu rechtfertigen sei. Sich für die Lösung von Problemen einsetzende Politikerinnen und Politiker verdienten es, auch wertgeschätzt zu werden.
Die Philosophin Katrin Meyer befasste sich unter anderem mit der Frage, ob die Demokratie letztlich die Lösung des Problems bezüglich Populismus und autoritäre Bewegungen oder ob die Demokratie gar selber Teil des gesamtpolitischen Problems sei. Sie wie auch die rund 50 sehr interessierten anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer in der folgenden Diskussionsrunde machten sich stark für die Demokratie. Es sei richtig, dass die Mehrheit an der Urne politische Entscheide treffen könne. Es gebe allerdings auch Schattenseiten der Demokratie, wenn die Mehrheit nicht eine gewisse Rücksicht auf die Minderheit nehme. Das erst sehr späte Einführen des Frauenstimmrechts sei ein Beispiel, wo die Demokratie nicht optimal funktioniert habe.
Als kritisch bezeichnet wurde auch der hohe Ausländeranteil in der Schweiz, der über kein Stimmund Wahlrecht verfügt. Das führe zu einer gewissen Verzerrung der Realitäten. Ein weiteres Problem sei, wenn bei einer schlechten Stimmund Wahlbeteiligung Minderheiten das Sagen hätten. Ein differenzierter Umgang mit Andersdenken, wie zum Beispiel den Klimaaktivisten, müsse in einer Demokratie auch sichergestellt sein.
Minderheiten berücksichtigen
Katrin Meyer verteidigte die Philosophie, die sehr wohl eine wichtige Rolle in einem Staatswesen habe, darunter ein genaueres Argumentieren und Analysieren hinsichtlich eines politischen Sachverhalts. Das Hochhalten von Anstand in politischen Diskussionen wurde von allen Diskussionsteilnehmenden als sehr wichtig eingestuft. Das schnelle Anklagen eines Gegenübers, der nur eine eigene, andere Meinung vertrete, sei unangebracht.