Hundegebell schreckt den Wolf ab
23.06.2023 ArboldswilHeinz Räuftlin hat zwei Pyrenäenberghunde für den Herdenschutz abgerichtet
Schaf- und Ziegenherden können mit ausgebildeten Schutzhunden gegen Angriffe von Wölfen geschützt werden. Davon sind Halter und Ausbildner von Herdenschutzhunden wie Heinz Räuftlin ...
Heinz Räuftlin hat zwei Pyrenäenberghunde für den Herdenschutz abgerichtet
Schaf- und Ziegenherden können mit ausgebildeten Schutzhunden gegen Angriffe von Wölfen geschützt werden. Davon sind Halter und Ausbildner von Herdenschutzhunden wie Heinz Räuftlin aus Arboldswil überzeugt. Die Ausbildung der Tiere erfordert sehr viel Zuneigung, Training und Ausdauer.
André Frauchiger
Heinz und Karin Räuftlin aus Arboldswil sind überzeugt: Mit Herdenschutzhunden können Schafe und Ziegen vor einzelnen jagenden Wölfen weitgehend geschützt werden. Denn Wölfe, die nicht im Rudel unterwegs sind und jagen, scheuen die Konfrontation mit bellenden und knurrenden Herdenschutzhunden und ziehen sich bei einem solch unliebsamen Treffen meistens zurück.
Der Arboldswiler Landwirt Heinz Räuftlin will sich in Zukunft stark der Aufzucht und Ausbildung von Herdenschutzhunden widmen. Die Zeit kann er sich nehmen, da ihn seine beiden Söhne Jeremy und Steven bis zu einem gewissen Grad bei der bäuerlichen Alltagsarbeit auf dem Bauernhof entlasten. Ein Teil des Pachtlands befindet sich auf der Wasserfallen, wo vor einiger Zeit ein Wolf gesichtet worden ist.
Da müsse mit Herdenschutzhunden eine natürliche Abwehr aufgebaut werden, findet Heinz Räuftlin. Stephan Sprunger, der in Bubendorf seit vielen Jahren Schutzhunde ausbildet, sei für ihn ein Vorbild.
Räuftlins haben vor rund 15 Monaten zwei weibliche Welpen aus einer Herdenschutzhunde-Zucht zum Aufziehen übernommen. Es handelt sich um französische Pyrenäenberghunde, sogenannte Patou, die seit rund 1000 Jahren in den Pyrenäen zum Schutz von Nutzvieh gegen Bären und Wölfe eingesetzt werden. Als seine Tiere rund fünf Monate alt waren, hat Heinz Räuftlin mit der Ausbildung begonnen, die Anfang Mai dieses Jahres im Alpengebiet mit Erfolg abgeschlossen werden konnte. Räuftlin hat parallel zu den Hunden auch gleich seine eigene Ausbildung als Schutzhundeführer absolviert.
Umgeben von Schafen geboren
Herdenschutzhunde kommen jeweils mitten in einer zu schützenden Schafherde zur Welt. Sie bleiben dann das ganze Leben über mit einer Schafoder auch Ziegenherde beschäftigt und werden fester Teil von ihr. Daraus entsteht ein ausgeprägter Schutzinstinkt. Herdenschutzhunde funktionieren selbstständig, praktisch ohne menschliches Kommando. Sie wissen selber, was zu tun ist. Dies im Unterschied zu den Hütehunden, die nur auf Kommando des Menschen vorgehen, so zum Beispiel der typische Hütehund Border Collie.
Der in der Regel grössere Herdenschutzhund muss «seine» Herde bewachen, darf aber nach aussen, zum Beispiel bei herannahenden Wanderern, im Kontakt mit der Bevölkerung nicht aggressiv sein. Das setzt viel Arbeit mit dem Tier voraus. Ebenfalls zur Ausbildung gehört, dass die Herdenschutzhunde in deutlicher Distanz zur Schafherde gefüttert werden, dann aber auf das entsprechende Kommando «Ferma» wieder zur Herde zurückkehren. «Ferma» ist übrigens das einzige Kommando, das Herdenschutzhunde als solches lernen müssen, wie Heinz Räuftlin erklärt. Das Laufen an der Leine, das Einsteigen ins Auto – das alles muss natürlich auch gelernt sein.
Zum Abschluss der rund zehnmonatigen Ausbildung werden die Hunde im Rahmen einer Einsatzbereitschafts-Überprüfung getestet. «Dabei wurden unsere beiden Hunde mit je fünf Schafen für 24 Stunden ausgesetzt», erklärt Heinz Räuftlin. Überwacht wurden die beiden Hunde und jeweils zwei der fünf Schafe via GPS. Dabei ging es darum, zu erfahren, ob die Hunde sich zu sehr von den Schafen entfernen und wie sich die Hunde gegenüber Wanderern mit eigenen Hunden verhalten.
Der Hund darf bellen, soll sich aber rasch wieder beruhigen, wenn er wahrnimmt, dass keine Gefahr droht. Der Hund soll zudem auch belastbar sein. Rennt er zum Beispiel davon, wenn sich eine Person mit Schirm nähert? Es geht dabei generell darum, die Stabilität des Hundes zu testen. Geprüft wird auch, wie sich der Hund verhält, wenn Gefahr droht und er sich gerade weiter weg von den Schafen befindet. Kehrt er sofort auf direktem Weg zu den Schafen zurück?
Heinz Räuftlin freut sich, dass seine beiden Hündinnen die Prüfungen mit Bravour abgeschlossen haben. Mit Stolz erzählt er: «Einer der Hunde war innert 24 Stunden nie weiter als fünf Meter von der Schafherde entfernt.» Eine wirklich beachtenswerte Leistung.
Herdenschutzhunde brauchen viel Bewegung, auch im Winter. Sie sollen auch nicht immer eingeschlossen sein und gelegentlich «selbstständig» unterwegs sein dürfen, um zu üben, wie sie selber nach Hause finden können. Das funktioniere in Arboldswil recht gut, mit dem nötigen Verständnis und der Toleranz der Bevölkerung, erklärt Räuftlin. «Die Hunde sollen trotz Schutzaufgaben sehr menschenfreundlich sein und brauchen hierfür auch einen gewissen Auslauf», erklärt er. Das Gebiet Wasserfallen sei für ihn und seine Hunde das ideale Trainingsgelände, um ein angemessenes Verhalten gegenüber den zu schützenden Schafen, aber auch gegenüber Wanderern und Bikern zu erlernen.
Räuber in die Flucht bellen
Bellende Hunde wirken auf einen Wolf und einen Fuchs abschreckend. Heinz Räuftlin: «Nicht nur der Wolf, auch der Fuchs vermeidet die Konfrontation mit dem Schutzhund.» Auf der Wasserfallen befinden sich seine Schafe innerhalb eines Zauns. Die Herdenschutzhunde hätten immer ein Auge auf die Schafe und hielten sich unmittelbar beim Zaun auf, unterstreicht er.
Zurzeit gebe es viel zu wenige Herdenschutzhunde. Der heutige Beitrag der öffentlichen Hand an ausgebildete Herdenschutzhunde beschränke sich auf eine Teilabgeltung fürs Futter. Wünschenswert wäre aber seiner Meinung nach, dass die Gesamtkosten für Herdenschutzhunde in den Bundesbeiträgen an die Landwirte und in entsprechenden Zahlungen auch an Hundehalter ohne bäuerlichen Hintergrund berücksichtigt werden könnten. Entsprechende Überlegungen würden denn auch auf Ebene des Kantons angestellt. Räuftlin ist überzeugt: Mit Unterstützung des Bundes und des Kantons können die Zucht von Herdenschutzhunden, deren Ausbildung und Haltung gefördert werden.
Zur Person
fra. Landwirt Heinz Räuftlin aus Arboldswil ist 56 Jahre alt. Er verfügt zusammen mit der gepachteten Wasserfallen über rund 60 Hektaren Land. Seine Produkte sind mit der Bioknospe versehen. Karin Räuftlin-Ulrich besorgt unter anderem die Büroarbeiten und den Haushalt. Sein älterer Sohn Jeremy (27) ist gelernter Forstwart, dessen Bruder Steven (23) gelernter Landwirt. Steven arbeitet auf dem elterlichen Familienbetrieb mit. Tochter Victoria ist 21-jährig und beruflich als Fachfrau Pflege tätig. Die ganze Familie ist sehr hundefreundlich und zählt aus Überzeugung auf den Schutz der Herdenschutzhunde für ihre Schafe.