Weizenmehl 100

Nein, englische Wurzeln habe ich keine. Auch keine schottischen oder irischen. Für das sind meine Haare zu dunkel und zu wenig rot. Meine empfindlichen Geschmacksnerven und meine Liebe für ausgiebig zelebrierte Brunches und Abendessen wären ebenfalls unpassend für eine nordische Herkunft – und meine Abneigung gegenüber Bier erst recht.

Doch irgendeine Verknüpfung zu den Briten muss ich haben, denn ich habe etwas an wir, was «totally British» ist. Das grösste Organ des Menschen ist die Haut, und die meinige meint wohl, dass ich eine Engländerin bin und nicht aus einem der sonnigsten Dörfer des Aargaus komme – Möhlin-Jet sei Dank.

In meinem Umfeld bin ich mit meinem «Problem» jedoch nicht alleine – meine ganze Familie mütterlicherseits «leidet» darunter. So wird mein Onkel seit seiner Kindheit «Fleischkäse» gerufen, was optisch voll und ganz zutrifft. Auch ich habe schon einen Spitznamen erhalten, und zwar dort, wo man meine Bleiche in ihrem vollen Ausmass sieht: in der Dusche der Fussballkabine. «Weizenmehl 100» werde ich jeweils genannt, wenn ich meine Teamkolleginnen in der Dusche mit meinen weissen Beinen und meinem Bauch blende.

Alle, die jetzt denken, dass ich ein Stubenhocker bin und mich einfach nie nach draussen begebe, liegen falsch. Denn ich habe schon vieles probiert, um braun zu werden. Sogar ein spezielles Öl «Tan and Protect», also Bräunung und Schutz, habe ich mir im vergangenen Sommer gekauft und mich damit auf dem Balkon eingeschmiert. Gebracht hat es selbst in jenem sonnigen, heissen Sommer nicht viel. Während andere mit diesem Öl knackig braun werden, wird meine Haut im besten Fall dunkelweiss und im Normalfall rot.

Ich habe mich mittlerweile mit meiner weissen Haut abgefunden. Denn obwohl gebräunte Haut uns frischer und sportlicher aussehen lässt, bietet weisse Haut auch viele Vorteile, die ich Ihnen gerne erläutere:

Sollten Sie sich an Halloween jemals als Gespenst verkleiden wollen, müssen Sie sich keine weisse Schminke ins Gesicht schmieren, denn ihr natürlicher Teint reicht hier vollkommen.

Ein Problem, das jede Frau kennt: Wenn Sie am Strand liegen und «sünnele», können Sie es nicht richtig geniessen, denn ständig müssen Sie Ihre Bikiniträger verstellen. Dieses Problem haben bleiche Menschen wie ich nicht, denn Abdrücke oder «Tan-Lines», wie es bei den Jungen heisst, kriegen wir sowieso nicht.

Wollen Sie eine Filmkarriere starten als Statistin oder Statist? Mit schneeweisser Haut sind Sie hier besonders gefragt: Egal, ob als Junkie, angeschwemmte Wasserleiche oder Mitbewohner auf Schloss Dracula – Sie sind bestens geeignet!

Mein letzter Tipp geht an alle Modebewussten: Sie müssen sich nie mehr Gedanken machen, ob Ihnen eine Farbe steht, denn Weiss kann zu allen Farbtönen kombiniert werden – und das auf der ganzen Welt.

Luana Güntert, Sportredaktorin «Volksstimme»

HERZBLUT

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