Grenzenloser Naturschutz im Wald
27.06.2023 BretzwilEin kürzlich gestartetes Projekt überrascht in zweifacher Hinsicht
Die Forstbetriebe Frenkentäler und die Forst- und Allmendkommission Nunningen beschreiten neue Wege: Sie werten ihre Wälder gemeinsam grenzüberschreitend auf. Und sie machen das in einer alles andere ...
Ein kürzlich gestartetes Projekt überrascht in zweifacher Hinsicht
Die Forstbetriebe Frenkentäler und die Forst- und Allmendkommission Nunningen beschreiten neue Wege: Sie werten ihre Wälder gemeinsam grenzüberschreitend auf. Und sie machen das in einer alles andere als alltäglichen Grössenordnung.
Andreas Hirsbrunner
Andreas Sager steht inmitten einer frisch geschaffenen Waldlichtung am Bretzwiler Berg Brand, um ihn herum Buchenstümpfe, schütterer Graswuchs, etliche Asthaufen, ein mit mehreren Markierungspfählen angedeutetes Bauvorhaben und tief in den feuchten Waldboden gegrabene Spuren von Forstfahrzeugen. Und er sagt etwas überraschend für den Laien: «Das macht mir Freude, wie es hier aussieht.» Was eigentlich nur so gedeutet werden kann, dass er vor seinem geistigen Auge bereits sieht, wie es hier einmal aussehen könnte.
Und das weiss Sager mit ziemlicher Sicherheit, denn der Forstingenieur leitet bei den Forstbetrieben Frenkentäler das Projekt «Ohne Grenzen zur ökologischen Aufwertung von Waldgebieten in Nunningen und Bretzwil», das in einer Medienmitteilung nicht ganz unbescheiden als «bahnbrechend» und «einzigartig» bezeichnet wird. Die Eingriffe am «Brand» sind Teil dieses Projekts und Sager erklärt: «Wir haben hier den Wald ausgelichtet, damit Licht auf den Boden kommt. So kann eine artenreiche Magerwiese entstehen, was auch den Insekten hilft.» Und die Markierungspfähle zeigten an, wo in den nächsten Wochen zwei jeweils um die 60 Quadratmeter grosse Weiher ausgehoben würden. Sie sollen Heimat für diverse Amphibien wie Geburtshelferkröte, Grasfrosch, Erdkröte und Fadenmolch werden. Die Asthaufen wiederum sollen Kleinsäugern als Unterschlupf dienen, und die störenden Fahrzeugspuren seien bis in einem Jahr verschwunden.
Eine Idee der Chefs
Ähnliche Eingriffe wie am «Brand» sind auch in den benachbarten Nunninger Wäldern am Mühleberg und Buchenberg geplant. Insgesamt sollen 3,5 Kilometer Waldränder und 24 Hektaren Waldfläche vor allem durch Auslichten aufgewertet werden. Zudem sollen die beiden Nunninger Waldgebiete mit einer Hecke als Trittsteinbiotop für Kleinsäuger und Vögel miteinander verbunden werden. Zwei Drittel der Eingriffe fallen auf Solothurner, ein Drittel auf Baselbieter Boden an, womit wir beim «bahnbrechenden und einzigartigen» Element des Projekts sind. Sager: «Unser Projekt überschreitet nicht nur Gemeinde-, sondern auch Kantonsgrenzen, und das macht es neben seiner Grösse so aussergewöhnlich.»
Entstanden sei die Idee im Gespräch zwischen Simon Tschendlik, Co-Leiter der Forstbetriebe Frenkentäler, und Peter Hänggi, Waldchef der Forst- und Allmendkommission Nunningen, und sie sei von den zuständigen Amtsstellen der beiden Kantone Baselland und Solothurn unterstützt worden. Auch die Finanzierung erfolge kantonsübergreifend, wobei Sager keine Zahlen zu den Projektkosten nennen will. Das sei so mit den beteiligten Stiftungen abgemacht worden.
Noch am Experimentieren
Bei den Auslichtungen würden vor allem trockengeschädigte Buchen sowie einige Fichten und Weisstannen gefällt, während beerentragende Sträucher wie Pfaffenhut, Weiss- und Schwarzdorn, Liguster oder Stechpalme zugunsten der Vögel gefördert würden, sagt Sager. Er hat sich während seines Forstingenieur-Studiums intensiv mit den möglichen Folgen der Klimaerwärmung auf den Wald auseinandergesetzt und meint: «Wir Förster leben in einer spannenden Zeit des Ausprobierens. In ein paar Jahrzehnten sehen wir, ob wir richtig gehandelt haben.» Für ihn ist klar, dass vor allem Buchen, aber auch Fichten und Weisstannen in den hiesigen Höhenlagen Auslaufmodelle sind. «Aus diesem Grund setzen wir vermehrt auf eine möglichst vielfältige Baumartenzusammensetzung mit Flaumeichen, Elsbeeren, Schneeballblättrigen Ahornen und weiteren Sorbus-Arten. Auf jeden Fall sind wir gerade sehr am Experimentieren.»
Trotz aller Unsicherheiten ist der junge Forstingenieur, der vergangenen Sommer sein Studium abgeschlossen hat, überzeugt, dass die Aufwertung der Waldgebiete in Bretzwil und Nunnigen und die damit erhöhte Biodiversität ein Schritt in die richtige Richtung ist: «Das macht die Ökosysteme widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels und erhöht ihre Anpassungsfähigkeit an die sich verändernden Umweltbedingungen.»