Einstiges Steuerparadies in Schieflage
29.06.2023 Seltisberg«55 Prozent reichen nicht, wir müssen über die Bücher»
Die Seltisberger Gemeindeversammlung ist am Dienstag allen Anträgen des Gemeinderats gefolgt und hat die mit Aufwandüberschuss abschliessende Rechnung 2022 einstimmig genehmigt. Dabei musste der ...
«55 Prozent reichen nicht, wir müssen über die Bücher»
Die Seltisberger Gemeindeversammlung ist am Dienstag allen Anträgen des Gemeinderats gefolgt und hat die mit Aufwandüberschuss abschliessende Rechnung 2022 einstimmig genehmigt. Dabei musste der Souverän einmal mehr zur Kenntnis nehmen, dass der Haushalt der Gemeinde nicht mehr im Gleichgewicht ist.
Willi Wenger
Gemeindepräsidentin Miriam Hersche hat als Finanzchefin von Seltisberg die mit einem Aufwand von rund 6,1 Millionen Franken und einem Ertrag von 5,9 Millionen Franken abschliessende Erfolgsrechnung 2022 ohne Probleme beim Souverän durchgebracht. Sie hat den Aufwandüberschuss von 176 000 Franken ausführlich begründet, sodass sogar die Wortmeldungen ausblieben.
Seltisberg hat im Speziellen bei den Finanzen und Steuern sowie bei der Allgemeinen Verwaltung erhebliche Einbrüche verbuchen müssen. Bei der Verwaltung resultierte unter anderem aufgrund von Personalaufwendungen und Liegenschaftsunterhalt am Verwaltungsgebäude ein massives Minus von 90 000 Franken. Bei den Finanzen und Steuern wurde klar, dass, auch aufgrund von Wegzügen von starken Steuerzahlern, einer gewissen Überalterung und des Status Gebergemeinde wegen, die Einnahmen nicht mehr so üppig fliessen, wie das einst der Fall war. Hersche bezifferte das Minus auf rund eine Viertelmillion Franken.
Hersche stellte deshalb klar, dass die Gemeinde inskünftig über eine Steuererhöhung nachdenken müsse. «Unsere 55 Prozent reichen nicht mehr um den ordentlichen Betrieb finanzieren zu können. Wir müssen Ende Jahr an der Budgetgemeindeversammlung definitiv über die Bücher.» Im Weitern hat der Gemeinderat darüber informiert, dass der Selbstfinanzierungsanteil schlecht sei. Die Nettoschuld sei, so Hersche, mit rund 3500 Franken pro Einwohner sehr hoch. Im Rahmen der Beratungen über die Jahresrechnung hat die Gemeindepräsidentin «weitere Zahlen» über die Gemeinde bekannt gegeben. So sind im Berichtsjahr 99 Personen zugezogen, während 77 Personen die Gemeinde verlassen haben. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Gemeinde neun Geburten und 16 Todesfälle. Und: Seit 2021 ist die Gemeinde um 1,6 Prozent gewachsen.
Bisheriges Schulratsmodell
Die 45 Teilnehmenden der «Gmäini» haben schliesslich die neuen Führungsstrukturen der kommunalen Schulen beschlossen. Gemeinderätin Ruth Spalinger stellte drei verschiedene Modelle vor, wobei der Souverän das bisherige Schulratsmodell guthiess. Dieses sieht unter anderem vor, dass die operative Führung neu komplett bei der Schulleitung liegt. Vonseiten des Gemeinderats wurde diese Lösung empfohlen. Hersche bedankte sich nach dem klaren Ja des Souveräns ausdrücklich und hielt fest, dass die Behörde die Arbeit des Schulrats wie jene der Schulleitung sehr schätze.
Im Rahmen von Ersatzwahlen sind schliesslich Urs Helfer sowie Mathias Hirt in die Bau- und Planungskommission beziehungsweise in den Schulrat bis zum Ende der laufenden Amtsperiode im Juni 2024 gewählt worden.
Die «Gmäini» ist von der Exekutive über mehrere unangenehme Fakten im Dorf informiert worden. So wird die Kostenüberschreitung bei der Sanierung der über 60 Jahre alten Jurastrasse voraussichtlich 550 000 Franken betragen. Aus diesem Grund hat die Behörde Anfang Woche einen Investitionsstopp bis Ende 2025 verfügt. Hersche wiederholte ihre Aussagen, dass nunmehr alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um die Ertragslage und Liquidität in eine nachhaltige Balance zu bringen. «Wir mussten die Reissleine ziehen», hielt die Gemeindepräsidentin fest. Im Vordergrund stehen für den Gemeinderat zeitnah das Erstellen von Konzepten im Bereich Steuern und Gebühren zur Stärkung der Ertragslage sowie die laufende Optimierung in der Erstellung des Finanz-, Investitions- und Liquiditätsplans.