Schallgrenzen durchbrochen
31.05.2023 Leichtathletik, SportCeline Albisser und Finley Gaio glänzen in Götzis
Mit 8022 Punkten hat Finley Gaio am Wochenende erstmals die magische 8000er-Marke im Zehnkampf übertroffen. Celine Albisser überraschte mit 6096 Punkten im Siebenkampf. Ihr gelangen sechs persönliche ...
Celine Albisser und Finley Gaio glänzen in Götzis
Mit 8022 Punkten hat Finley Gaio am Wochenende erstmals die magische 8000er-Marke im Zehnkampf übertroffen. Celine Albisser überraschte mit 6096 Punkten im Siebenkampf. Ihr gelangen sechs persönliche Bestleistungen.
Sebastian Wirz
Die beste Baselbieter Mehrkämpferin und ihr männliches Pendant haben am Wochenende Grosses geleistet. Beim Meeting im österreichischen Götzis, wo sich die besten Mehrkämpferinnen und Mehrkämpfer der Welt jedes Jahr treffen, hat Zehnkämpfer Finley Gaio erstmals die magische 8000-Punkte-Marke übertroffen und den Wettkampf als 13. abgeschlossen. Celine Albisser erreichte im Siebenkampf erstmals mehr als 6000 Punkte. Die beiden taten dies auf komplett unterschiedliche Art und Weise.
Albissers Wettkampf war eine Explosion: Gleich in sechs von sieben Disziplinen erreichte die Bubendörferin einen neuen persönlichen Bestwert und verbesserte sich insgesamt gleich um 238 Punkte. Einzig im Speerwurf, ihrer schwächsten Disziplin, blieb sie drei Meter unter ihrer Bestweite. Es ist erstaunlich, welche Entwicklungssprünge Albisser mit 27 Jahren im Mehrkampf noch macht – der späte Exploit könnte mit den zahlreichen Verletzungen in jungen Jahren zusammenhängen, wie sie selber im Interview sagt (siehe auf dieser Seite). Den Siebenkampf gewann die Amerikanerin Anna Hall mit 6988 Punkten.
8000 sind nur ein Zwischenstopp
Ganz im Gegenteil hat Finley Gaio wie ein Routinier im Schatten von Sieger Pierce Lepage (Kanada, 8700 Punkte) seinen neuen Kantonalrekord von 8022 Punkten aufgestellt: Der Maispracher setzte in keiner Disziplin ein besonderes Ausrufezeichen, sondern zeigte das, was von ihm erwartet werden darf. Überall kam er in den Bereich seiner Bestleistungen und durchbrach damit die Schallmauer von 8000 Punkten.
Endlich, könnte man sagen. Denn dass Gaio dieses Kunststück mit seinen «alltäglichen» Leistungen geschafft hat, zeigt zwei Dinge: Erstens, dass dieses Resultat schon länger im 24-Jährigen schlummert, ihm aber kaum je ein Mehrkampf ohne Durchhänger gelang. «Ich habe es nie zusammengebracht», formuliert es Gaio selber.
Und zweitens, dass die Reise bei diesen 8022 Punkten noch lange nicht vorbei sein muss: «Es ist schon befreiend, die 8000 geknackt zu haben, aber das ist nur ein Zwischenstopp», sagt der Zehnkämpfer. Vor allem in den Würfen habe er sich auf diese Saison hin verbessert, dies aber nun in Götzis nicht zeigen können. «Ich will schon noch einen raushauen», sagt Gaio und lacht. Sein Ziel bleibt die WM in Budapest im August. Das Limit ist mit 8460 Punkten hoch. Gaio hofft, sich über das internationale Ranking auch mit Werten um 8200 oder 8300 Punkten qualifizieren zu können.
NACHGREFRAGT | CELINE ALBISSER
«Meine Hürden-Zeit hat mich sehr überrascht»
Die 6096 Punkte von Götzis bedeuten eine Verbesserung Ihrer persönlichen Bestleistung um gleich 238 Punkte. Wann haben Sie gespürt, dass dies ein besonderes Wochenende werden könnte?
Celine Albisser: Nach dem Kugelstossen, also der dritten Disziplin am ersten Tag, dachte ich: «Das wird wahrscheinlich ein guter Wettkampf.» Ich fühlte mich fit, es lief mir gut. Aber es kann immer noch so viel schieflaufen in einem Mehrkampf. Spätestens nach dem Weitsprung zum Start des Sonntags wusste ich: Die 6000 Punkte liegen drin. Ich wurde etwas nervös, aber es war mir klar, dass ich das erreichen kann, wenn ich den rotierenden Kopf irgendwie durch den 800er bringe.
Hatten Sie die 6000 Punkte für dieses Wochenende «budgetiert»
Ich hatte diese Marke schon im Blick für das Jahr 2023, hätte aber nicht gedacht, dass es schon in Götzis so weit ist. Dass es dann sogar fast 6100 Punkte geworden sind, kam schon sehr unerwartet.
Sechs persönliche Bestleistungen in sieben Disziplinen – wie ist so etwas möglich?
Es lief alles perfekt, aber ich denke schon, dass diese Werte meinem aktuellen Leistungsvermögen entsprechen. Nach meiner Rückenverletzung vor zwei Jahren bin ich gut zurückgekommen und habe in vielen Disziplinen ein Niveau erreicht, das es mir ermöglicht, konstant zu sein. Ich bin fit und habe mir die meisten Resultate so zugetraut.
Wohl alle ausser den Hürdensprint. Nur 13 Schweizerinnen waren in dieser Disziplin je schneller als Sie am Samstagmorgen.
Die 13,27 Sekunden über 100 Meter Hürden haben mich selber sehr, sehr überrascht. Ich habe mich nicht so eine Zeit laufen sehen. Ich habe meinen Bestwert gleich um vier Zehntel verbessert. Ich hätte mir vielleicht bei einem guten Rennen 13,40 Sekunden ausgemalt.
Es ist nicht unüblich, dass Mehrkämpferinnen erst nach Mitte 20 ihre besten Resultate abliefern, aber meist geht es bei den Verbesserungen eher um Konstanz. Sind Sie mit 27 nicht zu alt, um so zu «explodieren»?
Das stimmt schon, so etwas passiert normalerweise mit 18. Das Wichtigste für solche Fortschritte ist, verletzungsfrei zu bleiben. Da ich in jungen Jahren viele Verletzungen hatte, habe ich vielleicht drei bis vier Jahre verpasst – und mache diesen grossen Schritt erst jetzt mit einiger Verzögerung. Denn ich habe sonst nichts umgestellt – ausser dass ich seit letzten Sommer in einem 70-Prozent-Pensum arbeite, was im Gegensatz zum Studium üblicherweise nicht als leistungsfördernd angesehen wird. Vielleicht ist meine Regeneration am Abend besser, weil ich besser abschalten kann und nicht noch für das Wirtschaftsstudium arbeiten muss.
Was erwarten Sie nach diesem Höhepunkt von sich selbst an der Schweizermeisterschaft in drei Wochen und darüber hinaus?
Ich erwarte nicht noch einmal so einen Sprung und möchte die 6000 Punkte bestätigen. Wenn Sie mich vor drei Monaten gefragt hätten, hätte ich wohl gesagt, dass diese magische Marke meine Leistungsdecke ist. Nun habe ich fast 6100 geschafft – die eigenen Grenzen verschieben sich. Ich sehe in einzelnen Disziplinen schon noch Potenzial. Vielleicht kommen noch 100 oder 300 Punkte dazu. Who knows?
Sie haben einst gesagt, Ihre Zukunft liege nicht im Sport, weil Sie damit nicht Ihren Lebensunterhalt verdienen werden, aber Sie würden so lange Leistungssport betreiben, wie Sie Spass daran haben. Ändern Ihre neuesten Leistungen daran etwas?
Ich sehe das immer noch sehr ähnlich. Es erschliessen sich einfach neue Horizonte. Es ist für mich viel realer geworden, mich für die EM 2024 zu qualifizieren. Aber ich sehe mich nicht als Profi, mein Beruf in der Spitalplanung gefällt mir sehr und ich möchte auch dort vorwärtskommen. So habe ich im Sport keinen Druck.
Interview wis.